Vor der Programmdebatte: Die CDU diskutiert über die Arbeitspflicht
Work-Life-Balance, Home Office – die Trends auf dem Arbeitsmarkt werden beim Ludwig-Erhard-Gipfel kritisch hinterfragt. Die These: Sechs Tage die Woche zehn Stunden zu arbeiten, ist manchmal auch nicht verkehrt.
„Arbeitspflicht.“ Das Wort hat in Deutschland keinen guten Klang. Und dennoch nimmt es Carsten Linnemann, Vizebundesvorsitzender der CDU in den Mund, wenn er über das redet, was sich auf dem Arbeitsmarkt tun muss. Und er hat Verbündete.
Linnemann ist einer der Teilnehmer der Diskussionsrunde zur neuen Arbeitswelt auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Moderator und Markt und Mittelstand-Chefredakteur Thorsten Giersch will es genau wissen. Was soll sich beim Arbeitsumfeld ändern, um den Fachkräftemangel zu beheben? Neben Linnemann sitzen Frank Walthes, Chef der Versicherungskammer, Laura Bornmann von der Non-Profit-Organisation Startup Teens und GenZ, die sich um die berufliche Entwicklung junger Menschen kümmert, und Frank Thelen, einer der erfolgreichsten Start-up-Investoren in Deutschland.
Auch mal im Büro schlafen
Und Thelen ist es, der Linnemann beispringt. Er hält eine schwungvolle Rede, gegen alle Trends, die den Arbeitsmarkt derzeit prägen. Home Office? „Ist ja cool“, sagt Thelen, „aber es wird weniger gearbeitet.“ Vier-Tage-Woche? „Mag ja für manche Menschen das absolute Glück bedeuten“, meint der Investor, „aber wir brauchen Menschen, die dieses Land ausbauen, die sechs Tage in die Produktion stecken, die mal im Büro schlafen, weil ihr Projekt sonst nicht fertig wird. Und wir müssen aufhören zu sagen: Das ist böse.“
Thelen fehlt in Deutschland der Pioniergeist, der notwendig ist, eine Rakete zu bauen oder ein Medikament gegen Krebs zu entwickeln. „Wir haben viel zu viele irrelevante Start-ups“, stellt er fest und sieht da einen Zusammenhang. Linnemann nickt: „Herr Thelen, sie können diese Rede gern im Bundestag halten“, sagt der CDU-Vize.
Arbeitszeit entspricht nicht Leistung
Bornmann sieht das komplett anders. „Junge Menschen fordern radikale Änderungen am Arbeitsmarkt.“ Zeiteinsatz sei nicht der einzige Indikator für Leistung. Wer beispielsweise über ein gutes Netzwerk verfüge, komme mit dem richtigen Ansprechpartner in Stunden weiter als andere ohne Kontakte in Wochen vorankommen. Versicherungskammer-Chef Walthes springt eher ihr bei: „Als Unternehmer müssen wir aufpassen, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv zu bleiben.“ Aber der regulatorische Rahmen sei zu eng. „Es geht um die Selbstbestimmung des Individuums, und es geht um Verteilung von Wohlstand, nachdem er entstanden ist, und nicht umgekehrt.
Linnemann bleibt dabei. Um dem Arbeitskräftemangel abzuhelfen, „muss jeder, der Geld vom Staat bekommt, arbeiten“, sagt er und nennt es eben Arbeitspflicht. Dazu will er im nächsten Parteiprogramm der CDU verankern, dass das Bürgergeld wieder verschwindet, weil es suggeriere, dass Geld vom Staat auch ohne Arbeit fließe. Er ist dafür, dass jeder weiterarbeiten kann, auch wenn er das Rentenalter erreicht hat und er möchte, dass die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Bezieher von staatlichen Transferleistungen vereinfacht werden. Und er hat noch eine Forderung parat: „Ich möchte, dass jedes Kind nach der Grundschule rechnen, schreiben und lesen kann, weil sonst die Voraussetzung für analytisches Lernen fehlen.“
04.05.2023 | 18:37