Karrierealle Jobs


VW kämpft um seinen Ruf

Aktionäre werfen VW vor, zu spät über die Manipulationen an Dieselmotoren informiert zu haben. Nun bezieht der Konzern erstmals Stellung. Von einer Verletzung der Ad-hoc-Pflicht wollen die Wolfsburger nichts wissen, aber Ex-Chef Martin Winterkorn gerät immer mehr ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Ein Gericht lässt indessen die Meinung erkennen, dass eine Abgasmanipulationen kein schwerer Mangel ist, der Volkswagen zum Rückkauf aller betroffenen Autos verpflichten könnte.

Bei der Aufklärung des Abgas-Skandals will Volkswagen aus der Defensive. Klagen von Aktionären wegen einer angeblich zu späten Information seien deswegen unbegründet, teilt der Konzern mit. VW habe am Landgericht Braunschweig eine Klageerwiderung im Zusammenhang mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten eingereicht. Nach sorgfältiger Prüfung durch interne und externe Rechtsexperten sehe sich VW in der Auffassung bestätigt, dass der Vorstand seine Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt habe.

Die VW-Aktie war nach dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals im September um rund 40 Prozent abgestürzt, einige Aktionäre wollen sich ihre Verluste vom Konzern ersetzen lassen, denn nach der Publizitätspflicht für börsennotierte Firmen, die in Deutschland im Wertpapierhandelsgesetz geregelt ist, müssen Unternehmen alle Informationen, die potentiell den Aktienkurs bewegen können, umgehend öffentlich bekanntmachen. Volkswagen tat dies am 22. September 2015 mit einer Pflichtmitteilung an die Börse. Anwälte und Aktionäre halten VW aber vor, der Autobauer hätte bereits zwei Wochen vorher informieren müssen.

In der Mitteilung bekräftigt VW, eine „Gruppe von Personen“ sei für die Software-Manipulationen verantwortlich, und zwar auf Ebenen unterhalb des Konzern-Vorstands. Der frühere Konzernchef ist nach Angaben des Gerichts nicht darunter. Allerdings sei mit Blick auf eine Studie des Instituts ICCT im Jahr 2014 über Unregelmäßigkeiten beim Motor EA 189 am 23. Mai 2014 eine Notiz für den damaligen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn erstellt worden. Kenner des US-Rechts gehen allerdings davon aus, dass Winterkorn durchaus verantwortlich gemacht werden könnte. Als Vorstandsvorsitzender habe er die Gesamtverantwortung getragen und müsse in den USA damit auch für Taten von Mitarbeitern geradestehen.

Die quälend langsame Erkenntnis

Nach VW-Darstellung ist indes unklar, ob Winterkorn den ersten Vermerk an ihn überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Dieser sei seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt worden. Im November 2014 habe es eine weitere Notiz an ihn gegeben. Später wurde auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit den Problemen von VW mit den Abgasgrenzwerten in den USA befasste.

Eine Besprechung unter anderem zur „Diesel-Thematik“ in den USA gab es dann laut VW am 27. Juli 2015, unter Anwesenheit von Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess. „Konkrete Details dieser Besprechung sind derzeit noch nicht rekonstruiert“, heißt es. Es sei noch nicht geklärt, ob den Beteiligten damals bewusst gewesen sei, dass die Softwareveränderungen gegen US-Umweltvorschriften verstießen.

Ende August 2015 dann sei Juristen der VW-Rechtsabteilung schließlich von Technikern vollständig erläutert worden, welche technischen Ursachen die festgestellten Unregelmäßigkeiten beim Stickoxidausstoß in den USA hatten. „Diese detaillierten Erläuterungen führten bei Mitgliedern des Volkswagen-Vorstands zu der Erkenntnis, dass es sich um eine Softwareveränderung handelte, die nach US-Recht als unzulässiges Defeat Device zu klassifizieren war.“ Am 3. September sei diese Erkenntnis gegenüber den US-Umweltbehörden CARB und EPA kommuniziert worden, Winterkorn sei darüber durch eine Notiz vom 4. September unterrichtet worden.

Was in den USA begann, hat dort für Volkswagen auch die deutlichsten Folgen. Die Wolfsburger verlieren nach dem Abgas-Skandal dort weiter an Boden. Im Februar waren es verglichen mit dem Vorjahr gut 13 Prozent weniger Autos, die an US-Kundschaft ausgeliefert werden konnte. Besser schlägt sich übrigens die ebenfalls vom Agas-Skandal betroffene Konzerntochter Audi: hier steht im vergangenen Monat ein Absatzplus von 2,3 Prozent zu Buch.

Gute Nachrichten kommen auch aus Bochum. Dort hat ein zuständiges Gericht einen Prozess vertagt, den ein Besitzer eines VW angestrengt hatte, um den Rückkauf seines Autos zu erzwingen. Der Richter ließ durchblicken, dass Softwaremanipulationen ein Mangel seien, der zu beheben sei, allerdings sei das Auto jederzeit einsatzbereit und zudem verkehrssicher. VW müsse die Chance zur Nachbesserung erhalten.

Und auch intern kämpft speziell das Management der Kernmarke VW um gute Stimmung. Die 120.000 Mitarbeiter im Haustarif dürfen trotz der milliardenschweren Belastungen aus der Abgas-Affäre auch für das Jahr 2015 mit einem Bonus rechnen. Der Konzern-Vorstandschef Matthias Müller und der Betriebsratsboss Bernd Osterloh haben wohl eine „Anerkennungsprämie“ vereinbart. Auch wenn deren Höhe noch nicht bekannt ist: an Hoffnungsschimmern für VW mangelt es also nicht, aber so mancher Silberstreif ist derzeit noch ziemlich weit unten am Horizont. Handelsblatt / sig

02.03.2016 | 21:09

Artikel teilen: