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Welche Firmen Ihren Angestellten eine Inflationsprämie zahlen

Aus der Not- ist eine Neiddebatte geworden: Ein Teil von Deutschlands Angestellten bekommt vom Arbeitgeber am Jahresende die abgaben- und steuerfreie Inflationsprämie. Der andere Teil nicht. Welche Firmen zahlen und welche Argumente dagegensprechen.  

Die sogenannte „Inflationsausgleichsprämie“ ist ein typisch deutsches Wortungetüm – aber gefühlt nichts anderes als ein großer Stiefel, den man an Nikolaus vor die Tür stellt. So wie Kinder mehr bekommen, wenn die Schoko-Weihnachtsmänner im Sonderangebot sind, so erfüllt sich derzeit auch der Wunsch von Hunderttausenden Angestellten nach einem größeren Schuck aus der Lohnpulle: Viele profitieren von Einmalzahlungen, die ihnen ihre Arbeitgeber gewähren, denn diese Inflationsprämie wurde von der Regierung attraktiver gemacht: Seit dem 26. Oktober können Unternehmen ihren Angestellten steuer- und abgabenfrei eine Einmalzahlung in Höhe von bis zu 3000 Euro gewähren. Die Prämie ist Teil des dritten Entlastungspakets und gilt seit dem 26. Oktober bis zum 31. Dezember 2024 und kann auch in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden.

Einmalzahlungen sind nichts Neues und wurden vor allem seit dem Frühsommer von Vergütungsexperten empfohlen. Angesichts der Inflation gerieten Arbeitgeber immer stärker unter Druck, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter punktuell zu entlasten. Die Regelung der Regierung spielte ihnen dabei in die Karten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) errechnete eine nennenswerte Entlastung: Wer 25.000 Euro pro Jahr verdient und die 3000 Euro bekommt, muss so 1220 Euro weniger Steuern und Abgaben zahlen. Bei 50.000 Euro Verdienst seien es 1420 Euro und bei 75.000 Euro Einkommen 1440 Euro. Kein Wunder, dass Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die steuerbefreite Einmalzahlung befürwortet. „Die Beschäftigten bekommen schnell zusätzliches Geld, für die Arbeitgeber entstehen langfristig keine höheren Kosten.“ Allerdings befürchtet Dulger, dass längst nicht alle Unternehmen davon Gebrauch machen.

Nicht alle Arbeitgeber können zahlen

Denn die Inflationsprämie ist eine freiwillige Zahlung der Arbeitgeber. Jeder kann, keiner muss. Und so geht seitdem ein Riss durch Deutschland zwischen denen, die sie zahlen, und denen, wo die Angestellten leer ausgehen. Eine Befürchtung ist, dass große Konzerne eher die Mittel haben, ihren Leuten eine Inflationsprämie zu spendieren als Mittelständler: „Viele kleine und mittlere Unternehmen werden es sich angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation kaum leisten können, eine Prämie in dieser Höhe an ihre Belegschaft zu zahlen“, warnte Markus Jerger, Vorsitzender des Mittelstandsverbands BVMW. Denn kleinere Betriebe würden in enstprechenden Branchen umso stärker unter den hohen Energiepreisen leiden und hätten kein Geld übrig: „Wir gehen daher eher davon aus, dass diese Einmalzahlung ausschließlich Angestellten zugutekommen wird, die unter Tarifverträgen in großen Unternehmen beschäftigt sind“, sagte Jerger.
Die Einmalzahlungen spielten bei den jüngsten Tarifauseinandersetzungen eine große Rolle. Als sich die Gewerkschaft IG BCE und der Arbeitgeberverband BAVC kürzlich auf ein neues Tarifpaket geeinigt haben für die 580.000 Beschäftigten in der Chemie- und Pharmabranche, gab es neben einer Gehaltserhöhung auch die Prämie über die vollen 3000 Euro – aufgeteilt in zwei Tranchen zu je 1500 Euro spätestens im Januar 2023 und Januar 2024. Auch der Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie beinhaltete die steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro.

Airbus, Porsche, Sixt und EBM sind spendabel

Eines der ersten Unternehmen, das sich rund um Inflationsprämie meldete, war im September EBM Papst. Beim Elektromotor- und Ventilatoren-Hersteller erhalten die gut 6000 deutschen Angestellten einmalig 500 Euro, Auszubildende 150 Euro. Traditionell spendabel ist Porsche: Der Autobauer zahlt bis zu 3000 Euro je nach Betriebszugehörigkeit. Alexander Sixt, Co-Chef des Autovermieters, gab an: „Wir zahlen jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter weltweit 1700 Euro Sonderbonus als Inflationsausgleich bis zum Ende des Jahres zusätzlich.“ Bei Airbus könnten alle 40.000 Angestellten in Deutschland von einer Inflationsprämie in Höhe von 1500 Euro profitieren. Beim Medienkonzern Bertelsmann bekommen Angestellte mit einem Bruttogehalt von bis zu 75.000 Euro zwei Tranchen mit jeweils 1500 Euro. Im Einzelhandel backt man da kleinere Weihnachtsmänner: Rossmann will den sozialversicherungspflichtig Angestellten 500 Euro und den Verkaufshilfen 250 Euro Inflationsprämie überweisen. Bei der Schwarz-Gruppe, zu denen unter anderem Lidl gehört, bekommen alle Tarifbeschäftigten 250 Euro aufs Novembergehalt obendrauf.

Banken legen sich ins Zeug

Die Unternehmen haben dabei den Fachkräftemangel im Blick und wissen genau, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau anschauen, wie sich ein Arbeitgeber gerade in schwierigen Zeiten verhält. Entsprechend halten sich auch die Banken hierzulande nicht zurück, die einen nennenswerten Fachkräftemangel verspüren. Die Targobank erklärte, dass ihre Leute 3000 Euro in zwei Tranchen bekommen – im Dezember und im nächsten Jahr. Auszubildende und Werkstudierende erhalten 2000 Euro. Bei der Commerzbank gibt es zwischen 500 und 2000 Euro und bei der Direktbank DKB 1500 Euro. Die nach Tarifvertrag bezahlten Vollzeitmitarbeitern der Deutschen Bank bekommen mit dem Dezembergehalt 1500 Euro und können auf eine zweite Tranche im nächsten Jahr hoffen – darüber werde man beizeiten sprechen, heißt es. Die HypoVereinsbank überweist ihren Leuten im Dezember 2500 Euro zusätzlich. Vollzeitmitarbeitende der ING erhalten zum Jahresende 1500 Euro, Teilzeitkräfte mindestens 1000 Euro. Auszubildende, Praktikanten und Werkstudierende bekommen 500 Euro. Auch die staatliche Förderbank KfW zahlt ihren Mitarbeitern eine Inflationsprämie zwischen 500 und 3000 Euro. Hier wird betont, dass Vorstände und Geschäftsführung von der Inflationsprämie ausgenommen sind. Die Angestellten der Landesbank Baden-Württemberg erhalten 2000 Euro in zwei Schritten.

Was Menschen außer Geld wichtig ist

Obwohl es gerade erst eine tarifliche Lohnerhöhung gab, sind die Zigarettenherstellern bei der Inflationsprämie nicht geizig: Reemtsma zahlt seinen Beschäftigten ein Jahr lang zusätzliche 190 Euro netto pro Monat aus, insgesamt also 2280 Euro. Bei den Wettbewerber Japan Tobacco International und Philip Morris gibt es dagegen einmalige Zahlungen von 2400 Euro. Ähnlich ist bei British American Tobacco (BAT), wo Vollzeitbeschäftigten und Auszubildenden zwischen 1880 und 2600 Euro bekommen.

Ein Recht auf die Inflationsausgleichsprämie gibt es nicht. Arbeitnehmer können über sie verhandeln, sie aber nicht erzwingen. Abgesehen von diesen außergewöhnlichen Inflationsprämien dürfen sich die Deutschen laut einer aktuellen Analyse der auf Vergütungsthemen spezialisierte Beratung WTW auf höhere Gehälter freuen: In diesem Jahr springen sie um 3,8 Prozent und 2023 um 4,5 Prozent. Auch wenn finanzielle Belange traditionell an oberste Stelle rangieren, wenn Menschen gefragt werden, was ihnen an einem Job wichtig ist: Gerade in Krisenzeiten kommt das Thema Job-Sicherheit stark auf. Wer angesichts der nahenden Rezession also glaubwürdig vermittelt kann, dass das Geschäftsmodell intakt ist, hat hier gute Karten im Kampf um gute Leute. Außerdem werden sogenannte Nebenleistungen immer wichtiger – allen voran Flexibilität bei Arbeitsplatz und Arbeitsort. Diesen Luxus hätte der Nikolaus wohl gern: Er wird am 6. Dezember in aller Welt viele leere Stiefel vor den Türen vorfinden.

Thorsten Giersch

29.11.2022 | 12:50

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