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Wenn es im Urlaub regnet, zahlt die Versicherung

Ein Hamburger Startup entschädigt Touristen für Regentage. Eine Woche Dauerregen auf Mallorca kann so bis zu 350 Euro bringen. Hinter dem Startup steht ein französischer Versicherungskonzern, der gerade die Branche aufmischt.

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Die Deutschen gelten als Erfinder der Hagelversicherung. Es gibt sie hierzulande seit mehr als 200 Jahren. Jetzt können die Deutschen sich auch einer entscheidenden und praktischen Weiterentwicklung dieser Versicherungsart rühmen: Ein Hamburger Startup hat eine Police entwickelt, die Reisenden Geld erstattet, wenn es an ihrem Urlaubsort wider Erwarten regnet. Die Stimmung der Urlauber bleibt dann zwar trotzdem möglicherweise wettergetrübt, aber durch die finanzielle Leistung der Versicherung wird sie am Ende etwas aufgehellt.

Wetterheld nennt sich das Hamburger Unternehmen, das mit seinen Leistungen zur Gattung des sogenannten Insurtechs gehört, also solcher Gründungen, die seit einigen Jahre versuchen, die sonst eher behäbige Versicherungsbranche auf Vordermann zu bringen. Die Hamburger bieten jetzt eine Ferien-Regenversicherung an, die erstmal nur für Reiseziele innerhalb der EU abgeschlossen werden kann. Bewährt sich das Produkt können auch fernere Reiseziele dazukommen. Die Versicherung muss spätestens 14 Tage vor der Abreise abgeschlossen werden. Um die Prämie zu berechnen, die die wetterängstlichen Touristen zahlen sollen, und um am Ende auch die Höhe der Regen-Entschädigung festzulegen, analysieren die Macher des Startups die Wetterdaten am Ferienort. Das ist inzwischen aufgrund genauerer Vorhersagen deutlich besser möglich, als noch zu Zeiten von Hagelversicherung und Co. Die Daten sind so genau, dass sie dem Versicherer erlauben, die für ihn wichtigste Frage ausreichend genau zu klären, nämlich: Wie hoch ist das Risiko?

Konkret sieht das Ergebnis dann zum Beispiel so aus: Für das beliebteste Reiseziel der Deutschen, Palma de Mallorca, kostet die Regenversicherung für die Osterwoche zwischen vom 4. bis zum 12. April 2,26 Euro am Tag. Falls es regnet, zahlt Wetterheld 50 Euro pro Regentag aus. Allerhöchstens gibt es 350 Euro, falls es tatsächlich gegen jede Annahme ohne Unterlass gießen sollte. Als Regentag gilt in diesem Fall, wenn zwischen 10 und 18 Uhr mehr als 1,9 mm Niederschlag fällt. „Erfahrungsgemäss tritt dies ein bei leichtem Regen für 35 bis 90 Minuten“, lautet die Erklärung, die Wetterheld dazu nachschiebt. Ein einziger Regentag reicht allerdings noch nicht aus für eine Erstattung, bezahlt wird erst ab zwei nassen Ferientagen.

Die Prämien und Erstattungen variieren je nach Ort und Niederschlagsrisiko. Je unwahrscheinlicher Regen ist, desto höher ist in der Regel die Erstattung oder desto niedriger ist die Prämie. Die Regenmenge, die fallen muss, bis die Versicherung zahlt, ist ebenfalls ortsabhängig. Über Pfingsten beispielsweise reichen in Chania auf Kreta bereits 0,4 mm Niederschlag für einen Regentag – soviel gibt es bei einem kurzen Schauer oder ein wenig Nieselregen. Das Wetter am Versicherungsort wird stündlich durch die Stationen des Wetterdienstes Meteostat gemessen. Der Versicherer kontrolliert so, ob tatsächlich ein Anspruch auf Entschädigung für die Urlauber vorliegt. Erste Reiseveranstalter empfehlen den Versicherungsschutz bereits, was bei Wetterheld die Abschlüsse nach oben schnellen lässt.

Das Startup ist tatsächlich der jüngste Urahn jener Hagelversicherungen, die einst Landwirte vor dem Ruin bewahren konnten. Seit 2019 versichern die Hamburger Winzer, Obstbauern, Energie- und Bauunternehmen, Skigebiete, Gastronomen und Logistiker gegen Wetterschäden, die durch Hitze, Kälte, Regen, Hagel, Schnee oder eben auch Schneemangel entstehen können. Typisch für das Insurtech ist, dass es gegenüber den Versicherten offiziell nur als Versicherungsvermittler auftritt. Ganz deutsch ist die Erfindung nämlich nicht. Hinter dem Hamburger Startup steht mit der französischen Wakam ein größeres Versicherungsunternehmen, das für Geschäftskunden wie Wetterheld entsprechende Produkte anbietet, die dann unter der Marke des Kunden vertrieben werden. Wakam wird in Paris von der dortigen Finanzaufsicht überwacht.

Das Unternehmen hat eine ganz andere Strategie als die meisten traditionellen deutschen Versicherer: Die Franzosen sind der Ansicht, dass Versicherungen, die in das zu schützende Produkt oder die zu schützende Dienstleistung eingebettet sind, die Zukunft der Branche sind. Die Versicherung gibt es dann automatisch beim Kauf – im Fall von Wetterheld zum Beispiel beim Kauf einer Reise. „Wenn sich jemand eine Versicherung für die Nutzung eines gemieteten E-Rollers wünscht, lohnt es sich doch nicht, eine Jahresversicherung bei einem physischen Versicherer abzuschließen“, begründet Wakam-Chef Olivier Jaillon seine Strategie.


06.03.2023 | 14:06

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