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Wie die Commerzbank ihre Mitarbeiter für dumm verkauft

Die Bank hat ihr radikales Sparprogramm bekräftigt. Der Inhalt der Mitteilung, mit dem der Vorstand sein Vorhaben in krassestem Managerdeutsch ankündigt, ist eine Zumutung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier ist die Übersetzungshilfe.

Mittwoch 21 Uhr 44: Im Mailprogramm blinkt eine Nachricht der Commerzbank auf. Der Eingeweihte weiß anhand der Uhrzeit: Bei dieser Veröffentlichung wurde lange bis ums letzte Wort gefeilscht. Es dürfte hochhergegangen sein, denn eigentlich landen um diese Zeit allenfalls Katastrophenmeldungen auf dem Server.

„Personalwirtschaftliche Gestaltung“

Gibt es eine Katastrophe bei der Bank? Auf den ersten Blick nicht. In der Mitteilung geht es um „Verhandlungen zur personalwirtschaftlichen Gestaltung“. Tatsächlich hat es der Inhalt aber in sich: Es geht um 10 000 Menschen, die künftig woanders, aber nicht mehr bei dieser Bank arbeiten sollen. Es geht auch um 340 Filialen in Deutschland, die für immer geschlossen werden. Das Problem: In der offiziellen Mitteilung wird herumgeredet, dass sich die Balken biegen. Und zwar in so verdrehtem Managerdeutsch, dass wir es hier mit einer kleinen Übersetzungshilfe dokumentieren wollen.

Los geht’s. Der erste Teil heißt: „Um die Verhandlungen über die personalwirtschaftliche Gestaltung des Transformationsprozesses zügig und mit der gebotenen Fairness und Transparenz voranzutreiben, hat der Vorstand heute eine Regelungsabrede mit dem Gesamtbetriebsrat der Commerzbank AG geschlossen.“ Hier ist die Übersetzung: „Personalwirtschaftliche Gestaltung“ bedeutet Stellenabbau, dahinter stehen 10 000 Betroffene, die um ihre Karrieren, Schicksale und Familien ringen müssen. „Transformationsprozess“ heißt: Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Bank hat viel zu lange an alter Herrlichkeit geklebt. Wenn sie nicht kleiner, digitaler und kundenfreundlicher wird, dann verschwindet sie einfach. „Gebotene Fairness und Transparenz“ beschreibt, dass der Vorstand Angebote zur Abfindung machen wird und auch mitteilt, wen es trifft. Das Wort „geboten“ ist eine Einschränkung: Dort, wo die Beteiligten es nicht für geboten erachten, wird auch nicht geliefert. Eine Vokabel aus dem Betriebsratsdeutsch ist das Wort: „Regelungsabrede“. Eigentlich hätte der Vorstand von einer Vereinbarung, einer Abmachung, einem Vertrag, einer Regelung oder Verabredung oder eben einer Betriebsvereinbarung sprechen können. So weit sind beide Seiten aber nicht gekommen, weswegen sie diesen Begriff wählen, der viel Spielraum für Deutungen zulässt.

„Transparenz über Betroffenheiten“

Weiter geht’s. Der zweite Teil lautet: „Sie sieht grundsätzliche Vereinbarungen zur Gestaltung des Transformationsprozesses in der AG Inland vor. Ziel ist es, für frühestmögliche Klarheit und Transparenz über Betroffenheiten, Zeitabläufe und Perspektiven zu sorgen.“ Auch hier die Übersetzung für Laien: „Transformationsprozess“ hatten wir schon durchgenommen, in Zusammenhang mit dem positiv besetzten Wort „Gestaltung“ suggerieren die Autoren, dass bei der Bank nicht nur eingerissen, sondern auch aufgebaut wird. Darum geht es allerdings in den anstehenden Verhandlungen mit dem Betriebsrat erstmal am wenigsten. Die Wortzusammenstellung erinnert an „schöner Mist“. Tief in die Phrasenkiste gegriffen haben die Autoren bei dem Satzteil: „frühestmögliche Klarheit und Transparenz über Betroffenheiten, Zeitabläufe und Perspektiven“. „Frühestmöglich“ steht für: Haben Sie Geduld! „Klarheit und Transparenz“ sind mindestens zwei Wörter zu viel. Transparenz hätte auch genügt, denn dann ist es ja klar. „Betroffenheiten“ gibt es nur, wo Betroffene sind - ein Ausdruck, den die Bank aber um jeden Preis vermeidet. „Zeitabläufe“ umschreibt die drängende Frage der Betroffenen, wann sie gehen müssen. Und Perspektive heißt: Suchen Sie sich was Neues.

In gewöhnliches Deutsch übersetzt steht dort also: Weil die Bank kleiner und digitaler werden muss, verschwinden Arbeitsplätze. Wen es trifft, weiß noch keiner so genau, weil Betriebsrat und Vorstand darüber streiten. Die Situation ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaum auszuhalten, aber das lässt sich im Augenblick nicht ändern. Klar ist nur: Die Bank ist froh, über jeden, der sein Schicksal jetzt selbst in die Hand nimmt.               

oli


04.02.2021 | 15:26

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