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Wie vor der Finanzkrise: Gebrauchte Häuser werden teurer als Neubauten

Zum ersten Mal seit 2005 haben die Amerikaner mehr für gebrauchte Häuser bezahlt als für Neubauten - ein Phänomen, das auf einen stark überhitzten Häusermarkt hindeutet und schon einmal in die Finanzkrise mündete. Auch in Deutschland läuft die Tendenz in die gleiche Richtung.

Genau 334.500 US-Dollar: So viel zahlten Hauskäufer in den USA zuletzt im Schnitt für ein Einfamilienhaus. Es sei denn, es würde neugebaut, dann ergibt sich ein Kaufpreis von 330.800 US-Dollar. Was sich zunächst wie ein versehentlicher Zahlendreher liest, ist tatsächlich so. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, kosteten US-Bestandsimmobilien im März durchschnittlich 3.700 US-Dollar mehr als Neubauten. Den Zahlen liegen Daten des US-Statistikamts zugrunde.
Die Amerikaner sind also bereit mehr für gebrauchte als für brandneue Häuser zu bezahlen. Und das nicht zum ersten Mal: Letztmals tauchte das Phänomen 2005 auf. Drei Jahre später stürzte eine platzende Blase am US-Häusermarkt die Welt in eine schwere Finanz- und Wirtschaftskrise.

Der Markt läuft heiß

Dass Bestandsimmobilien im Schnitt teurer sind als Neubauten, legt einen stark überhitzten Häusermarkt nahe. Das ist jetzt erneut der Fall. Zwar drücken steigende Preise und Lieferengpässe auf die Nachfrage. Aber die niedrigen Kreditkosten, die schon zu Beginn der Coronapandemie für einen Kaufrausch sorgten, halten sie auf einem historisch hohen Niveau. Das Angebot hält da schon seit längerem nicht mehr mit. Es gibt schlicht nicht genügend Häuser, mögen sich die Bauunternehmer auch noch so ins Zeug legen. Entsprechend wild geht es bei den Preisen für bereits existierende Häuser zu.
Der US-Immobilienmarkt hat sich heiß gelaufen. Im Vergleich zum Februar schnellten die Verkäufe neuer Häuser von 846.000 auf eine saisonbereinigte Jahresrate von 1,02 Millionen nach oben. Das ist die höchste Rate seit dem Finanzvorkrisenjahr 2006. Die Zahl der zum Verkauf stehenden neuen Häuser dürfte laut Report in etwa bei 307.000 gelegen haben. Beim derzeitigen Verkaufstempo könnte dieses Angebot die Nachfrage nur noch rund dreieinhalb Monate bedienen. Das treibt die Preise bei Neu- und Altbauten.

Die Zahlen zeigen, dass sich eine Spekulationsblase am Immobilienmarkt gebildet hat. Und die wird so schnell nicht verschwinden. Zwar stiegen die Hypothekenzinsen zuletzt etwas an, fielen im April aber schon wieder unter drei Prozent. Für Eigenheimkäufer sind das starke Argumente, um zuzugreifen. Wirklich nachhaltig wird wohl nur ein schnellerer Bau auf die Preise drücken. Aktuell machen neue Häuser nur etwa zehn Prozent der Käufe auf dem US-Immobilienmarkt aus. Zu immer höheren Preisen wird also um das Betongold geschachert, das bereits da ist.

Krisenvorzeichen auch hierzulande

Ein ähnliches Bild ergibt sich in Deutschland. Der Immobilienmarkt hierzulande boomt. Wenngleich nicht nur bei Einfamilienhäusern, sondern auch und besonders im Segment der Eigentumswohnungen. Zwar kosten Neubauwohnungen und Häuser im Schnitt noch deutlich mehr als Altbauten, aber auch in Deutschland gab es zuletzt eine klare Tendenz hin zu einem sich verteuernden Bestand. Die Preise für Bestands-Eigentumswohnungen stiegen einer Immoscout24-Studie zufolge in den Monaten Januar bis März im Jahresvergleich um 12,7 Prozent. Neue Eigentumswohnungen verteuerten sich „nur“ um rund zehn Prozent. Auch bei Einfamilienhäusern stiegen die Preise für Bestandsimmobilien mit einem Plus von 4,3 Prozent stärker als die für Neubauten mit zwei Prozent. Für das laufende Jahr rechnen die Immoscout-Experten bei Bestandswohnungen mit dem stärksten Preisanstieg, nämlich einem Plus von elf Prozent.

Corona hat in hierzulande, wie auch in den USA zu einem Eigenheim-Boom geführt. Die Menschen zieht es im Zuge von Lockdown und Home-Office aus den großen Stadtzentren hinaus auf die grüne Wiese. Darunter ist häufig eine gut betuchte Klientel, die wegen ein paar tausend Euro mehr oder weniger nicht gleich die Segel streicht. Verkäufer bieten also von Vorneherein oft viel zu teuer an, bekommen die hohen Preise aktuell aber meist bezahlt, weil die Tendenz weiter steigende Preise verspricht. Wer zu teuer kauft und anschließend zu teuer verkauft, hat schließlich nichts verloren, eher noch etwas dazugewonnen.

Kredit-Mogelpackungen wieder auf dem Markt

Eine ähnliche, fundamental wenig bis kaum unterfütterte Preissteigerungsspirale hatte sich in den Jahren vor der Finanzkrise schon einmal Bahn gebrochen. Brenzlig könnte es werden, wenn die Preise sinken und die Zinsen sich erholen, sollte die Pandemie einmal überwunden sein. Unter anderem auch, da die sogenannten Mortgage-backed-securities (MBS), die 2008 die Finanzkrise auslösten, nicht verschwunden sind. Damals waren die hypothekenbesicherten Wertpapiere durch zweitklassige Hyptothekendarlehen abgesichert worden. Vermischt mit „besseren“ Krediten oder schlicht durch bewusst überhöhte Ratings aufpoliert, wurden diese zu unübersichtlichen Paketen geschnürt und vielfach weitergegeben. Am Ende wusste niemand mehr, was er da wirklich kaufte und als die Immobilienblase platze, wurde plötzlich auch offiziell wertlos, was bereits zuvor keinen echten Wert hatte.

Wenig verwunderlich gerieten MBS in der Folge in Verruf. Die Abneigung währte aber nur kurz. Inzwischen sind MBS das zweitgrößte Segment des US-Fixed-Income-Marktes. Es gibt sogar ETFs dazu. Zwar werden seit der Finanzkrise Hyptothekenkredite offiziell nur noch an Kreditnehmer mit höchster Bonität ausgegeben, dennoch könnten diese Anlagen erneut zu einem Risiko werden, sobald der Häusermarkt seine Hausse beendet.     

Oliver Götz

04.05.2021 | 11:07

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