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Zuckersteuer: Süßes für die Grünen, saures für die FDP

Die neue Koalition will eine Zuckersteuer einführen. Dabei hatte die FDP Steuerhöhungen rigoros abgelehnt. Jetzt gibt sie sich geschlagen. Großbritannien hat bereits gute Erfahrungen mit einer solchen Steuer gemacht. Doch wohin fließen die Einnahmen?

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

An sich hatte die FDP das Gegenteil versprochen: Die Steuern sollten runter. Doch nach Informationen von Focus online und dem WirtschaftsKurier aus Kreisen der Verhandler gibt es die erste Ausnahme: die Zuckersteuer. Zwischen SPD, Grünen und FDP sei es weitgehend beschlossene Sache, die Steuer auf besonders süße Getränke zu erheben.

Innerhalb der Europäischen Union, wo die Länder bemüht sind, ihre Verbrauchsteuern zu harmonisieren, ist das kein ganz leichtes Unterfangen. Deutschland müsste eine Ausnahmegenehmigung erreichen. Aussichtslos ist das aber sicher nicht: Schon für Kaffee, Sekt, Bier und andere Lebensmittel, die angeblich in besonderem Maße dem schieren Genuss und weniger der notwendigen Ernährung dienen, gibt es hierzulande solche Steuern. Großbritannien hatte sogar 2018, in seiner Zeit also, als das Land noch Mitglied der EU war, eine Zuckersteuer auf Getränke erlassen. Seither können Wissenschaftler, Mediziner und Getränkehersteller die Folgen einer solchen Steuer im Nachbarland genau studieren.

Gemacht hat das die Deutsche Diabetes Gesellschaft Gesellschaft (DDG) und die Ergebnisse jüngst im Fachmagazin „Ärzteblatt“ veröffentlicht. Das Fazit: Die britische Zuckersteuer hat tatsächlich dazu beigetragen, dass Hersteller den Zuckergehalt von Softdrinks verringert haben. Zudem bewerte eine Mehrheit der britischen Getränkehersteller die Steuer heute positiv, heißt es von DDG-Präsidentin Monika Kellerer.

In Großbritannien wird seit April 2018 eine Abgabe je nach Zuckergehalt des Getränkes fällig. Bei mehr als fünf Gramm Zucker in 100 Millilitern beträgt sie umgerechnet 21 Cent, ab acht Gramm dann 33 Cent. Die Höhe der Steuer in Deutschland ist noch unbekannt, klar ist aber, dass die Hersteller diese Preiserhöhung in der Regel eins zu eins an die Kunden weitergeben – mit der Folge, dass der Absatz zurückgeht. Darauf wiederum reagieren die Fabrikanten mit einer Änderung des Sortiments. Laut einer neuen Studie der Oxford Universität ist der durchschnittliche Zuckergehalt der Softdrinks mit Blick auf die Einführung der Steuer in Großbritannien zwischen 2015 bis 2018 von 4,4 auf 2,9 Gramm pro 100 Milliliter gesunken. In dem untersuchten Zeitraum hätten sich die Absatzzahlen stark gezuckerter Getränke halbiert, gleichzeitig sei der Absatz von Wasserflaschen und zuckerarmen Getränken um 40 Prozent gestiegen, beschreiben die Oxford-Wissenschaftler. „Die Zuckersteuer hat media­le Aufmerksamkeit und betriebswirtschaftliche Anreize geschaffen.“

Bei einer Umfrage während eines Kongresses der British Soft Drinks Association wurden zwei Jahre nach Einführung der Steuer auch Firmenvertreter nach ihrer Einschätzung befragt: 60 Prozent hielten sie für positiv, 10 Prozent für negativ. 30 Prozent gaben an, es hätte nur vernachlässigbare Effekte für ihre Firma gegeben. Um zukünftige Bedenken über zu viel Zucker in ihren Getränken zuvorzukommen, setz­ten 33 Prozent der Befragten auf mehr natürliche Süßstoffe, 26 Prozent wollten eher an dem Geschmack der Ersatzstoffe arbeiten.

Diese Erkenntnisse stehen im Gegensatz zu den Argumenten, mit denen bislang in Deutschland gegen eine Zuckersteuer mobil gemacht wurde. Eine Geschmackssteuerung durch Steuern oder Regulierung habe keinen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten, hieß es bislang. Verbote führten demnach nicht zu einer ausgewogenen Ernährung und einem gesunden Lebensstil. Vielmehr müssten Verbraucher darin unterstützt werden, maßvoll zu genießen, hieß es bisher vom Lebensmittelverband Deutschlands sowie dem Süßstoff-Verband. Die FDP hatte sich dem angeschlossen. „Rezepturen orientieren sich an den Kundenwünschen“, hatte beispielsweise die FDP-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Carina Konrad erklärt und eine Zuckersteuer bisher kategorisch abgelehnt. „Die künstliche Verteuerung von Produkten wird deren Konsum nicht sinnvoll gestalten“, sagte sie.
Offenbar sind Anhänger dieser Meinung inzwischen in der neuen von den Grünen mitgebildeten Regierungskoalition in der Minderheit. Verbraucherschützer der Organisation „Foodwatch" geben sich deswegen bereits sehr zufrieden mit den Entwicklungen der Koalitionsverhandlungen. „Eine Limosteuer wäre ein riesiger Schritt im Kampf gegen Fehlernährung und ernährungsbedingte Krankheiten – das muss jetzt klar im neuen Koalitionsvertrag festgeschrieben werden", sagt Saskia Reinbeck „Foodwatch". Die Ernährungs-Aufpasser begrüßen auch, dass die Koalition neben der Zuckersteuer Werbung für sogenanntes Junkfood beschränken will.

Vorbild für die Steuer auf Süßgetränke könnte in Deutschland zum einen die Schaumweinsteuer sein, die, weil niemand Schaumwein trinkt, umgangssprachlich Sektsteuer genannt wird. Sie gehört zu den Verbrauchsteuern und wird durch den Bund erhoben. Die Erlöse fließen zu 100 Prozent in seine Kassen. Im Jahre 2020 betrugen die gesamten Einnahmen gut 400 Millionen Euro. Auf eine 0,75 Liter Flasche Sekt kommt rund ein Euro an Steuern. Die Abgabe wurde im Jahre 1902 durch Kaiser Wilhelm II. ins Leben gerufen. Die Einnahmen wurden zum Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals und der Kriegsflotte verwendet. Als aber 1933 die Wirtschaftskrise ihre schlimmsten Auswirkungen erreichte, setzte die Regierung die Schaumweinsteuer zur Ankurbelung der Konjunktur bis auf weiteres aus. Erst im Jahre 1939 wurde sie wieder eingeführt, ebenfalls wieder zweckgebunden - diesmal für die Kriegsführung, besonders für die U-Boot Entwicklung. Die Schaumweinsteuer wurde also ursprünglich absolut zweckgebunden eingesetzt. Nachdem der Krieg zu Ende war, wurde sie aber nicht wieder abgeschafft, sondern besteht bis heute fort. Die Einnahmen fließen in die allgemeinen Haushaltskassen des Bundes.

Zum anderen dient die Biersteuer als Vorbild. Sie richtete sich nach dem Stammwürzegehalt des Bieres und wurde erstmals in Ulm im Jahr 1220 erhoben. Sie sollte schon damals dazu dienen, den Verbrauch zu senken und gehört damit zu den Lenkungssteuern, was sie immer noch ist: Alkoholfreies Bier ist deswegen biersteuerfrei. Die jetzt geplante Zuckersteuer soll beides bewirken: Den Verbrauch senken und Einnahmen für bestimmte Zwecke erzeugen. Nach Vorstellungen der Verbraucherschützer sollten die in die Förderung von Ernährungsbildungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche und gesunder Schul- und Kitaverpflegung fließen.

23.11.2021 | 12:20

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