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Zwischen Handelskrieg und Brexit: Wohin steuert Europa?

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China fordert die Führungsqualitäten der Europäischen Union heraus. Die jedoch wirkt schon mit dem Austritt Großbritanniens überfordert. Dabei gilt es jetzt auch, nach Macht zu streben. „Europa muss sich entscheiden, ob es weltpolitikfähig werden will“, sagte Günther Oettinger auf dem Ludwig Erhard-Gipfel.

Die Frage ist groß, uns sie war wohl seit langem nicht mehr so offen, wie derzeit: Wer regiert die Welt von Morgen? Eigentlich hatte es darum, zumindest an erster Stelle, gar nicht gehen sollen. Doch ganz offensichtlich kommt man nicht umhin sich mit ihr auseinanderzusetzen, wenn man einen den Welthandel betreffenden Ausblick wagt. Daran versuchte sich im Rahmen des sechsten Ludwig Erhard-Gipfels ein hochkarätig besetztes Panel.

Die große Frage stellte Günther Oettinger, ehemaliger EU-Komissar. Und sie führte ihn zu einer weiteren. Nämlich der nach der Rolle Europas in der ersten. „Europa muss sich jetzt entscheiden, ob es weltpolitikfähig werden kann“, appellierte er in Richtung Brüssel. Und geht es nach ihm, steht ein „Ja“ nicht zur Diskussion. „Wir müssen nicht nur in Handelsfragen mit einer Stimme sprechen“, so Oettinger. Europa müsse seine ganze ökonomische und gesellschaftliche Kraft in die Waagschale werfen, um im „Kampf der Ordnungen und Systeme“, den wir erleben, zu bestehen. „Unsere Werteordnung muss erhalten bleiben“, forderte Oettinger. Dazu müsse man „im Interesse der Attraktivität unserer Werteordnung Innovation, Forschung und Weiterbildung vorantreiben“.

Und dazu brauche es ganz besonders „die Unterstützung aus Berlin“. Deutschland müssen endlich eine Antwort auf die Reden von Emmanuel Macron geben. Man müsse ja nicht zu allem gleich Ja sagen, aber eben bereit sein zu reagieren, sagte er. „Europa ist das Schutzschild für die starke deutsche Exportnation“. Er hoffe sehr, „dass wir das begreifen“.

„Boris Johnson ist derzeit derjenige mit dem stärksten Mandat aller Regierungschefs in Europa“


Dieses Europa nur sieht sich für den Moment quasi vor der eigenen Haustüre Herausforderungen ausgesetzt, die zu bewältigen mehreren Herkulesaufgaben gleichkommt. Vereint, mit einer Stimme auftreten, wie soll das gehen, wenn Populismus, ob nun von links oder rechts, in den eigenen Mitgliedsstaaten zunehmend in Mode kommt. Dazu steht der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union endgültig vor der Tür. Und der könnte für die EU unschöner enden, als noch zu Zeiten von Theresa May. Davon ist Greg Hands, Conservative Member of Parliament, House of Commons, überzeugt. „Boris Johnson ist derzeit derjenige mit dem stärksten Mandat aller Regierungschefs in Europa“, sagte er. Es dürfte ein Abkommen zustande kommen, dass Europa sicher nicht bevorteilt. Johnson sei „innenpolitisch so mächtig wie Tony Blair 1997 und Margaret Thatcher 19979“. Mit dem Austritt Großbritanniens sieht Hands eine neue Rolle auf sein Land zukommen. „Wir können eine Brücke zwischen den USA und Europa bauen, Donald Trump hört Johnson besser zu, als jedem anderen in der Welt.“ Das wäre alles andere als unwichtig. Noch immer stehen Strafzölle, beispielsweise auf die europäische Automobilindustrie zur Diskussion. Und „Amerika bleibt nach wie vor unser ganz wichtiger Partner, das dürfen wir nicht vergessen“, erklärte Simone Pohl von der Auslandshandelskammer China. Es komme aber auch und ganz besonders darauf an, die Freihandelsabkommen in der Asien-Pazifik-Region weiter zu erhalten und auszubauen.

Trotz des Handelskonfliktes der beiden Großmächte, China und den USA, geht es dem Welthandel weit weniger schlecht, als von vielen angenommen. Was die Zukunftserwartungen der nächsten fünf bis zehn Jahre anbelangt sei er optimistisch, sagte Maximilian Rothkopf, COO der Hapag Lloyd AG. „Der Welthandel lässt sich bislang wenig beeindrucken“, so Rothkopf. In der Amtszeit von Donald Trump sei der globale Containerhandel „weiter stark gewachsen“. 2017 um fünf Prozent, 2018 um zwei Prozent und 2019 um zweieinhalb Prozent. „Wir sehen weiter Wachstum, ich sehe der Zukunft optimistisch entgegen“, schloss Rothkopf.

Oliver Götz

18.01.2020 | 01:17

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