„Das Thema Digitalisierung ist in Deutschland nicht mit Leben gefüllt“
Digitalisierung ist der Treiber für Wirtschaftswachstum. Darüber waren sich die Diskutierenden auf dem Digital-Panel des Ludwig-Erhard-Gipfels einig. Allein: Es hakt an der Umsetzung. Auch weil in Politik, Wirtschaft wie Gesellschaft noch zu häufig der Wille fehlt.
„Wir müssen kapieren, dass Digitalisierung der Treiber ist“, sagte Roland Obersteg, Konteradmiral und Chef des Stabes Kommando Cyber- und Informationsraum. „Aber das ist ein sehr langwieriger Prozess der Überzeugungsarbeit.“ Seiner Ansicht nach mangele es vor allem an der überzeugten und richtigen Anwendung. Man sei in Deutschland in der KI-Forschung beispielsweise weit vorn, aber es hake an der Schnittstelle zur Industrie. Vor allem mit Blick auf kleine und mittelständische Betriebe mache er sich Sorgen. Axel Kaufmann, Vorstandssprecher und CFOO bei Nemetschek, sprang ihm bei. „Wir brauchen mehr Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“, forderte Kaufmann. Wissenschaftliche Projekte müssten aufgegriffen und parallel begleitet werden. Wirtschaftsakteure müssten bereit sein zu investieren, auch wenn es dann einmal nicht funktioniere. „Wir brauchen mehr Risiko-Wagnis-Kapital“, schloss er. Mit Blick auf die Baubranche, in der Nemetschek als Software-Spezialist tätig ist, sei man hierzulande auch zu langsam. „In der Branche, in der wir hier unterwegs sind, sind wir hinterher“, prangerte er an. Andere Länder wie England, die USA, Australien, Japan oder die Skandinavier seien da viel weiter, auch weil frühzeitig die politischen Rahmenbedingungen geschaffen worden wären.
An diesen mangelt es in Deutschland nach wie vor. Moderatorin Frauke Holzmeier vom Nachrichtensender ntv fragte deshalb nach der Einführung eines Digitalministeriums. „Ich wäre dafür“, sagte Tilman Aretz, Chefredakteur bei ntv.de. „Einfach mal ausprobieren“, schlug er vor. „So einem Schiedsrichter, der mal über dieses Thema schaut, würde ich zustimmen“, sagte auch Kaufmann.
„Wir müssen den Menschen die Angst davor nehmen, was mit ihren Daten passiert“
Politischer Wille allein reicht aber nicht. Auch gesellschaftlich braucht es einen anderen Zugang zur Materie. „Wir müssen den Menschen die Angst vor Digitalisierung nehmen und davor, was mit ihren Daten passiert“, sagte Obersteg. „Ein guter Punkt“, meinte auch Kaufmann. „Wir müssen uns insgesamt die Berührungsängste nehmen, wir haben den Hang in diesem Land zur Land Überregulierung und damit wird die Kreativität eingebremst.“
Das Thema Digitalisierung in Deutschland sei schlicht nicht mit Leben gefüllt, sagte Aretz. Ähnlich sah es Christoph Meinel, Professor und wissenschaftlicher Direktor am Hasso-Plattner-Institut. „Ein Computer allein hilft nichts“, so Meinel. Dieser müsse dann auch mit den entsprechenden Programmen beladen und richtig genutzt werden. „Das Gerät allein ist wie eine leere Wohnung.“
Es reicht also nicht ein paar Notebooks und Bildschirme in die Klassenzimmer zu stellen, um von einer Digitalisierungsoffensive an Schulen sprechen. Für Unternehmen gilt selbiges. Hier gibt es also noch eine Menge Nachholbedarf. Jüngst sagte eine Studie voraus, dass 65 Prozent aller Grundschüler später in Jobs arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt.
OG
11.05.2021 | 19:01