„Der Osmium Big Bang ist jetzt“
Osmium ist das achte Edelmetall – und das seltenste. Um das rare Metall der Bevölkerung nahezubringen, eröffnete nun das Osmium-Institut seinen Neubau in Murnau am Staffelsee.
Ingo Wolf hält eine rechteckige Box nach oben, in der sich eine flache, glitzernde Scheibe befindet. Im Lichtkegel der Deckenlampe schimmert das Juwel noch mehr als zuvor. Die Disk, die Wolf im Tresorraum zeigt, wiegt 98 Gramm und besitzt einen Wert von rund 130.000 Euro. Um den 59-Jährigen herum lagern etliche weitere wertvolle Osmium-Disks unter Verschluss. Wolf ist Direktor Analytik und Materialwissenschaften des Osmium-Instituts zur Inverkehrbringung und Zertifizierung von Osmium GmbH in Murnau am Staffelsee (Oberbayern) – dem einzigen in Deutschland. Der Institutsgründer und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, kristallines Osmium Sachanlegern und dem Schmuckmarkt zugänglich zu machen. Dabei soll auch der kürzlich eröffnete Instituts-Neubau mit Showroom, Schulungsräumen und Labor helfen.
Osmium ist ein bläulich schimmerndes Edelmetall und gehört zur Gruppe der sechs Platinmetalle und der acht Edelmetalle. In kristallisierter Form weist es einen ausgeprägten Sparkle aus. „Osmium ist das seltenste nicht-radioaktive Element und funkelt mehr als ein Diamant“, sagt Scarlett Clauss, Vize-Direktorin des Osmium-Instituts. Aufgrund seiner Eigenschaften mit einer jeweils einzigartigen flach-kristallisierten Oberfläche gilt Osmium als unfälschbar und ist nur dieser Form absolut ungiftig. Eine weitere Besonderheit: Osmium ist das seltenste Edelmetall der Welt. „Die Menge an Osmium ist begrenzt, es kommt kein neues mehr hinzu“, sagt Wolf. „Der Osmium Big Bang ist jetzt. Es ist der erste Rohstoff, der endet.“ Nur noch 300 Kilogramm kristallines Osmium aus ESG-konformen Quellen gibt es laut Wolf. Aus anderen Quellen kauft Wolf nicht, da deren Herkunft zu unsicher ist, wie zum Beispiel aus Russland.
Der Weg von Roh-Osmium zu kristallinem Osmium läuft wie folgt: Das Osmium-Institut kauft weltweit das Roh-Osmium ein, im Anschluss daran wird es in Genf in der Schweiz kristallisiert – erst dieser Prozess macht das Metall letztlich so wertvoll. Im Zuge der Kristallisation wird Osmium zu Barren und Disks unterschiedlicher Größe verarbeitet. „Für Sachanleger die Stammzelle des Osmiums“, sagt Wolf. Die Disks und Barren aus Osmium werden als Langzeit-Sachanlage verkauft. Darüber hinaus verkauft das Osmium-Institut geschnittenes Osmium für den Schmuckmarkt. Der Verkauf in den Schmuckmarkt durch private Sachanleger folgt in der Regel laut Ingo Wolf erst, wenn das Osmium-Institut kein Osmium mehr vorrätig hat, „da die Schmuckhersteller das Institut als einfachere Anlaufstelle aktuell bevorzugen“.
Der Wert von Osmium bemisst sich nach Gramm, der tagesaktuelle Preis ist auf www.osmium-preis.com zu erfahren. Kristallines Osmium, das in einem aufwendigen Prozess entsteht, wird um ein Vielfaches höher gehandelt als Gold, das bei vielen Anlegern als sicherer Hafen gilt. Aktuell liegt der Preis bei 1289 Euro pro Gramm kristallinem Osmium. Für ein Gramm Feingold wurden zur gleichen Zeit 69 Euro aufgerufen.
Im neuen Osmium-Institut lagern wechselnd hohe Bestände an kristallinem Osmium, aktuell im Wert von 20 Millionen Euro – das Lager ist aber auf bis zu 600 Millionen Euro ausgelegt. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsstandards überall im Gebäude. „Alles hier wurde um den Tresor herumgebaut, wir sitzen hinter schusssicherem Glas“, verrät Wolf. Neben einem Lager des Osmiums besitzt das neue Hauptquartier unter anderem einen Showroom, Schulungsräume und ein Labor zur Zertifizierung. Alleine die Messmikroskope zur Zertifizierung der Osmium-Stücke haben einen Wert von rund einer halben Million Euro.
In den Anfängen war das erste Osmium-Institut weltweit in Baierbrunn bei München beheimatet, in den vergangenen Jahren und während der zweijährigen Bauzeit des neuen Gebäudes in einem Übergangsquartier in Murnau. Dem Hauptsitz in Deutschland folgten weitere größere Institute in den USA, in Brasilien, Südkorea, China, Portugal und Großbritannien. Einmal jährlich findet zum Austausch – neben der unterjährigen Zusammenarbeit – auch ein Symposium in Präsenz für alle Institute statt. 18 Mitarbeiter gibt es in Deutschland, 1500 international. Das Osmium World Council mit Sitz in Brasilien legt die Regularien fest, das deutsche Osmium Hauptquartier setzt diese um, wobei die weiteren Institute diesem unterstellt sind. Wolf war damals vor elf Jahren der erste, der ein Osmium-Institut eröffnete und hat es sich seitdem zur Lebensaufgabe gemacht, das seltenste Edelmetall auch zum wertvollsten des Planeten zu machen. Er besaß in der Vergangenheit einige Technologie-Firmen und über berufliche Kontakte lernte er den Kristallisateur von Osmium aus der Schweiz kennen. Wolfs gesamtes Privatvermögen hat er seitdem in den Aufbau von Osmium und des Instituts gesteckt, wie er erzählt. „Ich bin in Vorleistung gegangen und habe den Markt aufgebaut, weil ich daran glaube.“
Das Institut besitzt zwei Aufgaben. Zum einen die Pflege der Osmium-Weltdatenbank und Sachanlage. So ist jedes einzelne Stück Osmium in der Osmium über einen einzigartigen Identifikationscode Weltdatenbank registriert. Zum anderen sind es die Aufträge für den Schmuckmarkt. Direkt beim Institut kaufen laut Wolf große Schmuckmarke aus Paris und Genf kristallines Osmium als Inlays ein, damit sie dieses zu Schmuckstücken wie Uhren und Ketten weiterverarbeiten. Osmium wird bei der Schmuckproduktion häufig mit Materialien wie Gold, Platin, bunten Edelsteinen, Achat, Emaille, Horn und Stahl kombiniert.
Mit dem neuen 560 Quadratmeter großen Gebäude möchte Wolf vor allem Sichtbarkeit schaffen. Denn bislang ist Osmium im öffentlichen Bewusstsein als Sach- und Wertanlage bei weitem noch nicht so präsent wie zum Beispiel Gold. „Gold ist bereits seit 6000 Jahren auf dem Markt, Osmium erst seit zehn Jahren“, erklärt Wolf. Erst seit 2014 wird Osmium in kristalliner Form verfügbar gemacht. Zu kämpfen hat Wolf auch in anderer Hinsicht mit der Gold-Branche: „Die Goldhändler hassen uns. Weil sie sich die liquiden Kunden mit uns teilen müssen“, sagt er. Darüber hinaus hat ein kritischer „Handelsblatt“-Artikel aus dem Jahr 2022 Osmium viel negative PR gebracht. Den für ihn rufschädigenden Beitrag konnte Wolf inzwischen erfolgreich widerlegen, wie er selbst sagt. Immer mehr Anleger kann er inzwischen für die relativ neue Form der Geld- und Sachanlage begeistern.
„Diese Sachanlage eignet sich für jeden“, betont Wolf. Die einzige Frage, die man sich stellen müsse, laute: „Glaube ich daran, dass es sich gut entwickeln wird?‘“ In den USA nenne man Osmium bereits das „Next Generation Metall“, es sei ein Langzeit-Sachanlage-Metall. „Die Entwicklung weiß man natürlich nicht, aber wie soll etwas Seltenes im Wert verlieren?“, sagt Wolf. „Je länger die Nachfrage dauert, umso mehr wird der Preis explodieren“, prognostiziert er. In der Vergangenheit hing die Preisentwicklung von Osmium an der Kristallisations- und Ernterate, künftig zählt nur noch der Bestand. „Ich rechne mit 100 bis 120 Prozent Preisaufschlag in den nächsten zweieinhalb Jahren“, sagt Wolf. Der Grund hierfür ist, dass die Kristallisation zum Jahresende 2026 enden wird – und damit kein neues Osmium mehr auf den Markt kommen wird. Denn zu diesem Datum endet das Roh-Osmium und Kristallisateur Rolf Haubrichs beendet seine Arbeit. Laut Wolf ist der Schweizer der einzige, „der Osmium flach in dieser Qualität in kristalliner Form herstellen kann“. Knapp zehn Prozent des Bestands an verfügbarem Osmium sind laut Wolf bereits an Sachanleger und den Schmuckmarkt verkauft. Und in ein paar Jahren – der Zeitpunkt ist Spekulation – wird dann auch das verfügbare kristalline Osmium enden.
Doch fürchtet sich Wolf nicht davor, dass das Osmium irgendwann endet und er dann arbeitslos sein wird? „Nein. Der Markt geht weiter“, betont er. So werde die Zertifizierung fortgeführt, es gebe Umarbeitungen von Schmuck, Off-Cuts als Ausschuss vom Schnitt sowie weiterhin Verkäufe und Wiederverkäufe. „Das Spannende an Osmium ist, dass man es nicht recyceln und damit praktisch nicht ersetzen kann“, sagt Clauss über den bevorstehenden sogenannten Thin Out von Osmium. Der Sachanlegermarkt funktioniert laut Clauss bereits, der Schmuckmarkt sei jedoch noch im Aufbau, weshalb aktuell der Fokus des Instituts darauf liege. So erreichen das Institut vermehrt Nachfragen von Juwelieren und großen Schmuckmarken. „Der Preis beim Schmuck ist durch die Größe und den Sparkle des Osmiums bedingt“, erklärt Clauss. Trotz seines enorm hohen Grammpreises: Unerschwinglich ist Osmium für Schmuckliebhaber nicht. Ein klassischer Verlobungsring mit einem Osmium-Schmuckstein kostet beispielsweise zwischen 1.500 und 2000 Euro, die günstigste Kette mit einem Osmium-Stein im Murnauer Showroom 890 Euro. Ob als eleganter Halsschmuck oder als Disk zur Geldanlage: Es ist dieses Funkeln, das Osmium so einzigartig macht.
17.05.2024 | 18:07