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Der Raketenmann

Elon Musk ist Unternehmer – wie viele andere Menschen auch. Er hat klein angefangen und ist ganz groß rausgekommen, doch das ist Anderen ebenfalls gelungen. Was ihn einzigartig macht, sind seine Visionen, seine Innovationen und seine Fähigkeit, Menschen für seine Ideen und Projekte zu begeistern. Im Fokus der Öffentlichkeit steht er spätestens seit dem Verkauf von PayPal für 1,5 Milliarden US-Dollar, dessen Mitgründer er war.

Wenn Elon Musk heute etwas sagt, hören Medien und Wirtschaft genau hin, denn sie wissen: Tesla Motors und SpaceX, das sind keine reinen Zufallserfolge. Während bei Anderen ausschweifender Optimismus eher für Skepsis sorgt, scheint man Musk das Erreichen seiner ehrgeizigen Ziele zuzutrauen. Schon am 30. März soll sich Musks Ruf als außergewöhnlicher Unternehmer weiter festigen. Dann startet um 22:50 Uhr Ortszeit eine „Falcon 9“-Rakete von Cape Canaveral zur ISS. Im Rahmen des CRS-Vertrags liefert das Raumfahrtunternehmen SpaceX Versorgungsgegenstände an die Internationale Raumstation, das Kürzel steht für Commercial Resupply Services. Vier Flüge wurden mit der „Falcon 9“ bereits erfolgreich absolviert.

Gründer von SpaceX? Niemand anderes als Elon Musk! Damit hat er auf der ganzen Welt für Furore gesorgt. Seine Rakete „Falcon 1“ war die erste komplett privat entwickelte Flüssigtreibstoffrakete, die es bis in den Orbit schaffen konnte. Sechs Jahre dauerte es ab Gründung des Unternehmens, bis ein erfolgreicher Start glückte. Heute ist SpaceX Partner der NASA und der amerikanischen Air Force, hat zudem einige Aufträge für den Transport von Satelliten. Darunter ist eine im Jahre 2010 geschlossene Vereinbarung mit dem amerikanischen Satellitentelefonieanbieter Iridium – allein da geht es um fast eine halbe Milliarde US-Dollar.

Wer allerdings glaubt, dass Musk sein Ziel damit schon erreicht hat, der täuscht sich gewaltig. Ende 2012 äußerte er den Traum von einer Marskolonie, und er meinte es ernst. Deshalb treibt er die technischen Innovationen in der Raumfahrt weiter voran. Die „Falcon 9“, die noch im März abheben soll, wird mit Standbeinen ausgestattet sein. Das sogenannte Grasshopper-Projekt ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu wiederverwendbaren Trägerraketen, und damit zu einer deutlichen Kostensenkung für die Raumfahrt.

Bemannte Raumschiffe? Auch kein Problem, für Mitte 2014 wird die Genehmigung durch die NASA erwartet. Denn neben der „Falcon“-Reihe produziert SpaceX ein Raumschiff namens „Dragon“, das derzeit etwa 2,5 Tonnen Nutzlast zur ISS transportieren kann. Es wiegt rund acht Tonnen, ist 5,3 Meter hoch und bis zu 3,7 Meter breit – Kompaktheit und Funktionalität sind wichtige Maßstäbe in der Raumfahrt. Schon im Ursprungskonzept gab es neben der „Dragon Cargo“-Version Pläne für ein „Dragon Crew“-Raumschiff, ausgelegt für Astronauten. Elon Musk hat für seine Mars-Vision also durchaus schon wichtige Schritte eingeleitet – ein echter Raketenmann.

Doch der Weltraum war und ist nicht das Einzige, wofür der charismatische Südafrikaner sich interessiert. Im Spätsommer 2013 stellte er eine Designstudie namens „Hyperloop“ vor. Es handelt sich dabei um eine futuristische Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen L.A. und San Francisco, wo seit Jahren ein Verkehrsproblem herrscht. Mit bis zu 1220 Stundenkilometern sollen die Superzüge die Strecke in nur 35 Minuten bewältigen – es sind immerhin 570 Kilometer. Dieses Projekt ist bis heute nur Zukunftsmusik, zu unrealistisch erscheint vielen das Konzept. Trotzdem verdeutlicht es, auf welche Ideen Elon Musk so kommt.

Eine wichtige Rolle in seiner unternehmerischen Karriere spielen erneuerbare Energien und emissionsfreie Automobile, genauer gesagt SolarCity und Tesla Motors. Beiden liegt der gleiche Grundsatz zugrunde: Umweltfreundlichkeit. Zuerst gegründet wurde Tesla, und zwar im Jahr 2003. Dabei zielt die Entwicklung von Elektroautos natürlich auf einen völlig anderen, offeneren Markt als es bei SpaceX der Fall ist. Elon Musk und die vier weiteren Tesla-Gründer (Martin Eberhard, Marc Tarpenning, Jeffrey B. Straubel und Ian Wright) wollten Elektrofahrzeuge für den Durchschnittsbürger erschwinglich machen.

Der Produktionsstart des Tesla Roadster ist jetzt fast genau sechs Jahre her. Tatsächlich ist das passiert, was Musk 2008 angekündigt hatte: Ein neues Modell ist auf dem Markt und die Technik wurde stark verbessert. Fahrwerk und Karosserie stammen zum ersten Mal ganz aus dem Hause Tesla. Bei diesem Modell S handelt es sich immer noch um einen Oberklassewagen, genauer gesagt um eine Limousine. Diese kann man hierzulande für einen Preis ab 65.000 € erwerben. 2013 verkaufte man weltweit 22.477 dieser Fahrzeuge. Analog zur Absatzsteigerung wuchs auch die Zahl der Mitarbeiter: Aus den 212 Beschäftigten von 2010 wurden im vergangenen Jahr stolze 5.859.

Die erste Auflage von 2012 arbeitete mit einer 85 kWh-Batterie und verbrauchte durchschnittlich 23,53 kWh an Strom pro 100 Kilometer. Das Baujahr 2013 steht indes für eine 60 kWh-Batterie und einen leicht gesenkten Stromverbrauch von rund 22,04 kWh pro 100 Kilometer. Die Zufriedenheit mit dem Modell sowie die Verdopplung der Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr veranlassten Tesla-CEO Elon Musk, für 2014 hohe Ziele auszugeben. Darunter fällt die Ankündigung, die Nachfrage auf dem europäischen Markt mit neuen Servicezentren und den sogenannten Superchargern steigern zu wollen. In den USA werden die Ladestationen praktischerweise in Zusammenarbeit mit SolarCity betrieben, wo Musk Chairman ist.

Anlässlich des Genfer Autosalons sagte Musk: „Wir erhöhen zügig das Tempo bei der Entwicklung und Eröffnung neuer Supercharger. Zum Ende des Jahres erwarten wir, dass Kunden mit den Superchargern in Europa praktisch überallhin gelangen.“ Der Vorteil für Tesla-Kunden: Binnen 30 Minuten soll der Akku wieder fast voll sein, somit eine Reichweite von etwa 450 Kilometern garantieren – und das kostenlos. Wo Elon Musk auch in der Öffentlichkeit auftritt, er versprüht stets Optimismus und überzeugt viele mit dem festen Glauben an seine eigenen Pläne. Aber reicht das für eine dauerhaft positive Unternehmensentwicklung? Oder kommt doch irgendwann der Punkt, an dem Kunden und Investoren das Vertrauen in den 42-Jährigen verlieren?

Der Tesla-Boom ist sinnbildlich für seinen Erfolg: Egal welche Zahl man betrachtet, überall wächst das Unternehmen. Während der größte Teil des Marktes derzeit noch in den USA liegt, hofft Tesla für Ende 2014 auf eine große Nachfrage in Europa und Asien. Insgesamt sollen die dortigen Verkaufszahlen zusammen fast doppelt so hoch ausfallen wie in Nordamerika. Für Großbritannien beispielweise wurden deshalb eine Version des „S“ mit Rechtssteuerung entworfen und ebenfalls neue Ladestationen eingeplant. Der Umsatz lag mit 431 Millionen Dollar im dritten Quartal 2013 fast neunmal so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Das ist ein traumhafter Wert, die Kalifornier schafften es trotzdem nicht aus den roten Zahlen. Tesla schreibt unter dem Strich noch Verluste, weil die Ausgaben für Forschung und Entwicklung enorm hoch sind. Immerhin konnte das Unternehmen den Verlust von 111 Millionen auf 38 Millionen Dollar eindämmen. Außerdem wurde der erste Quartalsgewinn überhaupt verzeichnet.

Abseits der eigenen Produktion und Vermarktung kooperiert Tesla Motors auch mit anderen Automobilherstellern, darunter Daimler und Toyota. Die Mercedes B-Klasse Electric Drive zum Beispiel läuft mit Tesla-Technologien. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche findet: „Mit Tesla haben wir einen erstklassigen Entwicklungspartner für dieses Auto.“ Mit rund vier Prozent ist man zudem direkt an Tesla beteiligt. Einen guten Ruf haben sich die Kalifornier auch in puncto Design erarbeitet: Während beim Tesla Roadster noch die Design-Ideen von Partner Lotus maßgebend waren, ist der „S“ nun eine Eigenkreation. Der Lohn für Chefdesigner Franz von Holzhausen und Tesla: Mehrere internationale Auszeichnungen als „Auto des Jahres“.

Jake Fisher, der Testdirektor von Consumer Reports, bescheinigte dem „S“ 2013 gar, er performe besser als jedes andere Testfahrzeug zuvor. Durch die tiefe Position der Batterie ergebe sich ein hervorragendes Handling, zudem beeindrucke der 17’’-Touchscreen durch einfache Bedienung und vielseitige Funktionen.

All diese positiven Signale haben einen regelrechten Hype verursacht, nicht nur um Tesla, sondern auch um Elon Musk selbst. Dieser noch recht junge Milliardär, der seine Träume verwirklicht und stets Unglaubliches vorhat. Viele sehen nur seine Visionen und seinen Erfolg, vergessen aber, wie risikoreich seine Geschäfte sind. Analyst Martin Stephan schreibt dazu in Wirtschaft im Visier: „All jene, die ernsthaft der Ansicht sind, dass die bisherigen Erfolge von Tesla beliebig in die Zukunft fortschreibbar sind, begehen denselben Fehler: Sie ignorieren die Konkurrenz.“ Es sind aber nicht nur die Giganten der Automobilbranche, die Musk zu schaffen machen. Als im letzten Jahr drei Tesla S in den USA in Brand gerieten, stürzte der Aktienkurs in die Tiefe. Untersuchungen zufolge waren für die Brände zwar keine technischen Mängel, sondern jeweils Unfälle verantwortlich, in deren Folge die Batterie Feuer fing. Dennoch zeigten die Vorfälle, wie empfindlich das Tesla-Image sein kann.

Zuletzt schoss der Kurs zurück nach oben, gar in astronomische Höhen; man könnte meinen, die Aktie wäre bis Anfang März an einen „Falcon“ geschnallt gewesen. Den größten Sprung absolvierte das Papier Ende Februar, als die „Gigafactory“-Mitteilung die mediale Runde machte. So konnte ein neuer Allzeit-Höchstwert von 265 US-Dollar erreicht werden – bemerkenswert im Vergleich zum Stand vor einem Jahr von knapp 35 US-Dollar. Doch schon direkt nach der Meldung zur Batteriefabrik wurden skeptische Stimmen laut. Die Aktienanalysten von "Der Anlegerbrief“ hielten die Tesla Motors-Aktie für stark überkauft, auch viele andere sahen Konsolidierungsbedarf. Und tatsächlich, wenige Wochen später steht der Kurs nun bei ungefähr 204 US-Dollar. Ein möglicher Grund für den neuerlichen Einbruch könnte der öffentlich ausgetragene Konflikt mit Autohändlern in den USA sein. In Texas, Arizona und New Jersey wurden zuletzt Gesetze gegen den Direktverkauf von Automobilen beschlossen, was für Tesla deutliche Einbußen bedeutet – die Kalifornier müssen ihre Läden schließen.

Elon Musk wehrte sich vehement, muss aber einsehen: Seinem Erfolg sind durchaus Grenzen gesetzt. Man stelle sich vor, die Verkaufszahlen von Tesla-Autos fallen im nächsten Quartal schlecht aus – wer glaubt dann noch an eine „Gigafactory“? Was passiert, wenn der nächste Raketenstart fehlschlägt – springen dann potentielle Kunden ab? Die enge Verknüpfung des unternehmerischen Erfolgs mit Musks Person wirkt in beide Richtungen. Ein Absturz des Raketenmanns sollte also zumindest als Risiko miteinkalkuliert werden.

MM

Marius Mestermann

11.04.2014 | 11:41

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