
Drei Konzerne, ein Geschmack? Die Bierwelt wird von wenigen Giganten dominiert – Vielfalt bleibt dabei oft auf der Strecke. (Foto: shutterstock)
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Globale Bierlandschaft im Umbruch: Wie drei Konzerne den Geschmack der Welt diktieren
Es zischt in den Kesseln der Giganten. Während der Schaum in kleinen Brauereien noch handgerührt wird, treiben anderswo algorithmisch getaktete Produktionsstraßen ein Geschäft voran, das längst nicht mehr nur von Durst, sondern von globaler Macht geprägt ist.
Eine aktuelle Branchenanalyse von BarthHaas für das Jahr 2024 bringt es auf den Punkt: Drei Konzerne — AB InBev, Heineken und China Resources Snow Breweries — kontrollieren inzwischen über die Hälfte des weltweiten Bierausstoßes. Eine Zahl, so gewaltig wie der Einfluss, der sich dahinter verbirgt: 845 Millionen Hektoliter, aus den Tanks dreier Unternehmenskolosse, die mehr als nur Hopfen und Malz im Griff haben.
Konzentration statt Charakter: Die stille Revolution im Biermarkt
- AB InBev thront wie ein Hopfen-Krake an der Spitze des Marktes. Mit Marken wie Budweiser, Corona und Beck’s und einem Ausstoß von rund 495 Millionen Hektolitern im Jahr 2024 braut der belgisch-brasilianische Konzern fast ein Drittel des globalen Biers – mehr als elfmal so viel wie die gesamte deutsche Spitzenriege zusammen.
- Heineken folgt mit 240,7 Millionen Hektolitern. Der niederländische Konzern setzt weiterhin auf ein Portfolio mit kultureller Bandbreite: von Gösser bis Birra Moretti, von Amsterdam bis Addis Abeba.
- Und dann wäre da noch Snow Breweries: Ein Gigant aus China, der mit knapp 109 Millionen Hektolitern still, aber massiv agiert – gespeist durch den nahezu unstillbaren Bierdurst des asiatischen Marktes.
Was all diese Brauriesen eint: Ihre Macht basiert nicht auf Vielfalt, sondern auf Skalierbarkeit. Auf die Kraft, Bier nicht nur zu brauen, sondern Märkte zu besetzen. Das Zeitalter der Individualität scheint im Glas angekommen – und dort zunehmend verwässert.
Deutschlands Braukunst – traditionsreich, aber abgehängt
Deutschland, lange Synonym für Qualität im Bierglas, spielt in dieser globalisierten Realität nur noch eine Nebenrolle. Die sechs größten deutschen Brauereigruppen bringen es zusammen gerade einmal auf 42,5 Millionen Hektoliter – nicht einmal fünf Prozent des weltweiten Outputs der Top 40. Radeberger, Oettinger, Krombacher und Co. rutschen im internationalen Ranking ab, getrieben von Konkurrenzdruck und Konsolidierung.
Ein Lichtblick? Bitburger trotzt dem Trend und wächst leicht. Doch selbst dieses Wachstum ist kein Beweis für eine Renaissance, sondern eher ein letztes Aufbäumen vor der nächsten Übernahme oder Fusion.
Rückkehr aus dem Eis: Russland als neuer Akteur
Parallel dazu kehren russische Brauereien in die weltweiten Top-Rankings zurück – nicht durch Innovation, sondern durch staatliche Re-Nationalisierung. Mit der Enteignung westlicher Braukonzerne wie Carlsberg und Heineken werden Unternehmen wie Baltika und OPH zu geopolitischen Spielern. Ihre Rückkehr in die Listen markiert nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine strategische Neuordnung des Biermarktes – und verstärkt den Druck auf ohnehin angeschlagene europäische Mittelständler.
Vom Kulturgut zur Cashcow – und zurück?
Die Geschichte des Biers ist eine des Wandels – und des Widerstands. Vom mesopotamischen Gärtopf über die klösterlichen Braukeller des Mittelalters bis zur industriellen Flaschenfüllanlage: Bier war nie nur Getränk, sondern immer auch Spiegel der Gesellschaft. Und gerade deshalb lohnt der Blick zurück – um zu verstehen, was auf dem Spiel steht.
Denn so wie einst in den USA eine massenproduzierte Einheitsplörre die Keimzelle einer ganzen Craft-Beer-Bewegung wurde, wächst auch heute wieder der Unmut über Einheitsgeschmack und Konzernmacht. Immer mehr Menschen wollen wissen, was in ihrem Glas schwimmt – und warum. Brauen wird wieder politisch, wieder persönlich. Und manchmal auch wieder poetisch.
Ein Ausblick mit Nachhall
Die globale Bierindustrie ist ein Paradebeispiel für die Dynamiken eines entfesselten Marktes: Konzentration, Effizienz, Markenmacht. Doch sie ist zugleich ein Mahnmal. Denn was heute in Millionen Litern über Fließbänder läuft, könnte morgen als kulturelle Verarmung ins Glas zurückschauen.
Vielleicht beginnt die Zukunft des Bieres also dort, wo es schon einmal begann: In kleinen Räumen, bei neugierigen Menschen, mit Mut zur Abweichung. Zwischen Malzsack und Mutprobe. Gegen das Vergessen. Gegen den Einheitsgeschmack.
12.06.2025 | 20:27