Karrierealle Jobs


Im Alltag wird sich 4.0 bewähren

Die digitale Revolution ist in vollem Gange – und ein bayerisches Unternehmen mittendrin. Die Cherry GmbH aus Auerbach zählt mit ihren 270 Mitarbeitern zu den weltweit führenden Herstellern von Computer-Eingabegeräten mit Schwerpunkt auf mechanischen Tastaturen. Auf dem Ludwig Erhard-Gipfel 2017 am Tegernsee diskutierte Michael Schmid, Head of PR & Marketing bei Cherry, im Panel über die Frage „Digitale Zukunft – Ist 4.0 nur ein Bluff?“. Für den Wirtschaftskurier sprach Vera Markert mit Michael Schmid.

Wirtschaftskurier: Herr Schmid, wie ist es um die digitale Zukunft bestellt? Ist 4.0 nur ein Bluff?

Schmid: Die klassische Antwort lautet jein. Ich denke, es gibt viele kurzfristige Trends, die sich nicht durchsetzen werden. Es ist aber auch vieles der digitalen Revolution dabei, das auch langfristig unser Leben verändern wird. Um es einmal an zwei Beispielen festzumachen: Virtual Reality (VR), wo der Mensch nichts mehr von seiner Umgebung wahrnimmt, wird sich auf Dauer nicht etablieren, außer für ganz spezifische Anwendungen. Wohingegen Augmented Reality (AR), wo ich die digitale Welt in meine reale Welt mit eingeblendet bekomme, sich sehr wohl durchsetzen wird.

Wirtschaftskurier: Welches Produkt steht sinnbildhaft hierfür?

Schmid: Das Paradebeispiel sind sogenannte VR-Brillen oder Google-Glasses. Eine Anwendung aus dem Alltag ist auf der Skipiste. Bei der Abfahrt ist in meiner Skibrille eingeblendet, ob ich jetzt links oder rechts abbiegen muss, wenn ich zur nächsten Hütte oder zum Lift will. Das wären Beispiele, wo ein Head-Up-Display durchaus Sinn macht.

Wirtschaftskurier: Unter den vielen digitalen Trends ist das also derjenige, der am zukunftsträchtigsten ist?

Schmid: Es ist ein Trend von vielen. Big-Data-Anwendungen sind ein anderer. Hierbei geht es darum, als Unternehmen oder Privatmann große Datenmengen zu handeln. Das ist schon schwierig. Ein Beispiel aus dem privaten Bereich: Früher waren die Fotoalben beschriftet, heute nehme ich die Bilder vom Handy oder der Digitalkamera und lege diese schnell irgendwo ab, wenn der Speicher voll ist. Doch später finde ich meine Fotos oft nicht wieder. Das Informationsmanagement ist ein Trend, der auch bleibt. Denn die Informationen werden nicht mehr weniger, sondern immer mehr.

Wirtschaftskurier: Die Kunst besteht demnach darin, die Informationen wieder zu finden und zu verwenden.

Schmid: Genau. Ob ich mir ein Foto ansehe, das ich vor zwei Jahren gemacht habe, oder abfrage, welche Stillstandszeiten eine Maschine hat, sodass ich die Ersatzteile entsprechend bestellen kann, ist im Prinzip die gleiche Anwendung. Es handelt sich nur um andere Anwendungsbereiche.

Wirtschaftskurier: Eine andere Anwendung sind mobile Geräte wie Smartphones, Tablets und Laptops, die den Alltag inzwischen dominieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Ihre Computertastaturen nicht allmählich obsolet sind…

Schmid: Ja, das hören wir auch immer wieder. Aber eine einfache Gegenfrage. Was ist angenehmer: Eine E-Mail auf dem Smartphone oder auf einer Tastatur zu tippen? Wenn es darum geht, viel Text einzugeben, dann verwenden Programmierer eine Tastatur. Auch in nächster Zeit werden sie mit nicht auf dem Smartphone programmieren. Aber auch wir im Unternehmen beschäftigen uns natürlich damit, wie Eingabe im Zuge der digitalen Revolution zukünftig aussehen kann, mittels Sprachsteuerung beispielsweise oder virtueller Tastatur. Im Moment ist es aber tatsächlich so, dass es der Mensch gewohnt ist mit den Eingabegeräten umzugehen und dieser Trend auch noch ein Stück weit anhalten wird.

Wirtschaftskurier: Demnach verbuchten Sie trotz digitaler Revolution keinen merkbaren Rückgang beim Umsatz mit Tastaturen?

Schmid: Im Gegenteil. Die digitale Revolution, die von der Spieleindustrie induziert wurde, war die treibende Kraft für die Tastatur-Produktion. 90 Prozent der mechanischen Schalter in Deutschland werden nach China für Gaming-Tastaturen exportiert. Uns hat der Trend, dass professionelle Spieler so viele traditionelle Eingabegeräte forderten, auch überholt. Deshalb sind wir als Unternehmen auch auf Kapazitätsengpässe gestoßen.

Wirtschaftskurier: Cherry ist mittlerweile Weltmarktführer im Bereich mechanische Schalter für Tastaturen.

Schmid: Die Anforderung an eine Tastatur ist vor allem Haltbarkeit. Bei häufiger Eingabe geraten viele Tastaturen relativ schnell an die Haltbarkeitsgrenze und gehen kaputt, was für den Nutzer äußerst unangenehm ist – gerade für ein Unternehmen. Eine Ersatztastatur generiert Aufwand und Kosten. Hinzu kommt, dass die Umstellung auf eine neue Tastatur relativ schwer ist, weil die Menschen den bisherigen Tastenanschlag gewöhnt sind. Deswegen stellen wir sehr haltbare Tastaturen her, die mehr als 150 Millionen Betätigungen pro Taste standhalten. Durch diese Unzerstörbarkeit stellt sich nur irgendwann die Frage, wann die Elektronikkomponenten altern. 24 Jahre Lebensdauer für eine Tastatur sind daher prinzipiell schon möglich.

Wirtschaftskurier: Nun hat Cherry die leise mechanische Tastatur erfunden, die nicht klackert. Eine Revolution, nicht nur für Großraumbüros…

Schmid: Wir haben die leise Tastatur, das Cherry MX Board Silent, zur Consumer Electronics Show in Las Vegas im Januar vorgestellt und sie wird zeitnah im Handel erhältlich sein. Das Problem der mechanischen Schalter war das Klackern, sobald man sie auf Anschlag durchdrückt. Weil allein das Tippgeräusch einen enormen Geräuschpegel erzeugt, haben wir einen Stoßdämpfer eingebaut, der dieses Klackern eliminiert.

Wirtschaftskurier: Es ist also de facto nichts mehr zu hören?

Schmid: Es ist schon sehr leise. Selbst wenn zehn Mitarbeiter parallel auf solch einer Tastatur tippen, reduziert sich das Lärmniveau enorm. Die neue Tastatur ist etwa dreimal leiser als die Standard-Tastatur. Der Silent-Schalter erzeugt nur noch 44,9 Dezibel, der Standard-Schalter hingegen 54,8 Dezibel.

Wirtschaftskurier: Wann werden sich die Errungenschaften des digitalen Wandels etablieren?

Schmid: Ich habe 1998 in der IT-Industrie angefangen, als der Standard Bluetooth vorgestellt wurde. Durchsetzt hat sich dieser Funk-Standard erst gut zehn Jahre später, obwohl es sich um eine sehr sinnvolle Technologie handelt. Digitale Revolution ist ein spannendes Thema, weil sich viel bewegt, aber bis sie dann tatsächlich zur Anwendung kommt und unseren Lebensbereich beeinflusst, wird es noch sehr viel länger dauern. Es hängt von der Akzeptanz der Menschen und den gesetzlichen Vorschriften ab. Gerade digitale Daten sind unheimlich sensibel, denn alles Digitale stellt auch ein potenzielles Angriffsziel dar. Es bestehen gewisse Risiken, die man sehr gut abschätzen muss.

Wirtschaftskurier: Mit welchen Auswirkungen für den Bürger?

Schmid: Ich glaube, dass vor allem Leute im höheren Alter darüber nachdenken und sagen, dass sie die digitale Revolution nicht wollen. Aber auch immer wieder Menschen aus der jüngeren Generation, wie ein Beispiel einer meiner Kolleginnen zeigt: Sie ist 24 Jahre alt und besitzt keinen Facebook-Account, da sie nichts teilen, sondern sich lieber mit den Menschen direkt unterhalten möchte. Sie hat eigentlich recht.

Wirtschaftskurier: Sie glauben, dass jetzt vermehrt eine Reflexion einsetzt?

Schmid: Die Frage ist, inwiefern ich die digitalen Angebote tatsächlich nutzen möchte. Es bleibt die Frage: Will man den digitalen Einfluss komplett auf sich wirken lassen, oder gibt es irgendwann eine Grenze?

Wirtschaftskurier: Vielen Dank für das Gespräch!

07.04.2017 | 01:32

Artikel teilen: