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236 000 Mittelständler suchen einen Nachfolger

In den kommenden Jahren rollt eine Nachfolgewelle über den Mittelstand hinweg. Bis zum Jahr 2022 planen über eine halbe Million der Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen ihren Ausstieg. Für rund 100 000 Unternehmen wird die Zeit knapp.

Das „Gesicht“ des Mittelstands wird sich verändern. Nach einer Studie der KfW suchen so viele
Unternehmer einen Nachfolger wie noch nie. Die zwischen 2017 und 2022 stattfindende strukturelle Erneuerung im Mittelstand lässt sich demnach in eine Zahl fassen: 842 000. Dies ist die Anzahl der Inhaber mittelständischer Unternehmen, die in den kommenden fünf Jahren ihre Tätigkeit aufgeben wird – mit oder ohne Nachfolger.

Allein in den kommenden beiden Jahren planen 236 000 Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen den Rückzug. Dazu tragen auch geplante Stilllegungen bei. Für jeden siebten Inhaber ist die Aufgabe des eigenen Unternehmens eine Option, für viele die einzige. Setzen alle Mittelständler mit Stilllegungsplänen diese auch um, dann werden in den kommenden fünf Jahren rund 331 000 Stilllegungen erfolgen. Die Spitze des Generationenwechsels wird in den Jahren 2023 bis 2027 erreicht werden: In diesem Zeitraum wollen sich nach derzeitigem Stand knapp elf Prozent der Unternehmensinhaber beziehungsweise Selbstständigen aus dem Geschäftsleben zurückziehen.

Das Management des Generationenwechsels wird mehr und mehr zur Herausforderung. Zu gering ist die Zahl nachrückender Existenzgründer, die eine qualifizierte Nachfolge an- treten können. Dabei ist der Bedarf an Nachfolgern hoch und wird zunehmen. Nicht zuletzt durch die Alterung – bereits jetzt sind 1,4 Millionen Inhaber 55 Jahre oder älter. Ein Viertel wird zum geplanten Rückzugszeitpunkt schon über 70 Jahre alt sein – jeder zehnte fast 80 Jahre. Im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung kommt der Ruhestand sechs Jahre später.
Nicht jede Region Deutschlands ist gleichermaßen betroffen. Der höchste Anteil an älteren Inhabern weist der Mittelstand in Schleswig-Holstein, Thüringen und Baden-Württemberg auf. Dort ist auch die Situation in der Nachfolge angespannter. Anders in Hamburg, Rheinland-Pfalz, im Saarland oder in Mecklenburg-Vorpommern; hier stehen kurzfristig weit weniger Unternehmensnachfolgen an.

Unklare Situation bremst Investitionen

Eine ungeklärte Nachfolge ist eine enorme Investitionsbremse: Je näher der Übergabezeitpunkt rückt, desto mehr nimmt die Investitionsbereitschaft ab. Laufen- de Verhandlungen drücken noch einmal zusätzlich. Die Unsicherheit bei den Inhabern ist hoch. Ist jedoch die kurzfristig anstehende Nachfolge geklärt, steigen die Investitionen wieder um 40 Prozent. Auch eine familien- interne Lösung fördert Investitionen. Offenbar sind die derzeitigen Inhaber eher bereit, auch in höherem Alter zu investieren, wenn sie ihr Unternehmen in den Händen eines Angehörigen wissen. Da ist es positiv, dass mehr als die Hälfte der Inhaber das Unternehmen nach dem Rückzug in den Händen eines Familienangehörigen sehen möchte (54 Prozent). Einen externen Käufer können sich immerhin noch 42 Prozent der Mittelständler vor- stellen. Etwas weniger KMU ziehen einen derzeitigen Mitarbeiter (25 Prozent) oder einen aktuellen Miteigentümer (27 Prozent) als Nachfolger in Betracht.

Familienlösung geht am schnellsten

Soll die Nachfolge familienintern vollzogen werden, sind die Inhaber aktuell schon deutlich weiter im Prozess vorangeschritten. Un- abhängig vom Zeitpunkt des geplanten Rückzugs des Altinhabers haben bereits 38 Prozent der KMU einen feststehenden Nachfolger aus dem Familienkreis. Die Weitergabe des Unternehmens in die Hände der Kinder verein- facht und beschleunigt den Übergabeprozess demnach erheblich. Auch im Fall der Übergabe beziehungsweise des Verkaufs an einen derzeitigen Miteigentümer scheinen sich die Inhaber schon frühzeitig im Klaren zu sein. Für 28 Prozent steht der Nachfolger bereits fest. Das Bild ändert sich, strebt der derzeitige Inhaber einen externen Kauf an: Nur acht Prozent dieser Unternehmen haben bereits einen Nachfolger gefunden. Die Planungsunsicherheit ist hier demnach besonders hoch.

Unterdessen werden deutsche Mittelständler immer älter. Im Jahr 2016 waren allein 39 Prozent aller Unternehmensinhaber 55 Jahre oder älter. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 waren es gerade ein- mal20Prozent. Damit hat mehr als ein Drittel aller Unternehmenslenker – oder rund 1,4 Millionen KMU-Chefs – ein Alter erreicht, in dem Erwerbstätige Gedanken über den Ruhestand nachgehen. Das Durchschnittsalter eines Unternehmensinhabers liegt aktuell bei rund 51 Jahren (2002: 45 Jahre) – das Durchschnittsalter aller Inhaber, die sich mit einer Nachfolge auseinandersetzen, liegt bereits bei 59 Jahren. Steht die Nachfolge kurzfristig an, dann sogar bei 67 Jahren.

Unternehmenschefs im Mittelstand sind auch deutlich länger im Erwerbsleben aktiv als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das durchschnittliche reale Renteneintrittsalter liegt aktuell in Deutschland bei 61,7 Jahren. Inhaber und Selbstständige sind mehr als sechs Jahre länger aktiv. Im Durchschnitt wird ein Inhaber rund 68 Jahre alt sein, wenn er sich aus dem Unternehmen zurückzieht.

02.03.2019 | 09:01

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