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Wohin mit den drei Milliarden?

Der Start-up-Investor Rocket Internet hat mehr Geld als Ideen. Das Portfolio wurde bereinigt und in die Kasse ist voll. Nun will der Konzern ausgerechnet in Immobilien investieren - doch die Stadt Berlin leistet Widerstand

Rocket Internet hat mit Investitionen in junge Unternehmen im ersten Quartal seinen Gewinn gesteigert. Der auf die Rocket-Aktionäre entfallende Überschuss verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahezu auf 140 Millionen Euro, wie das Unternehmen in Berlin mitteilt. Für neue Investitionen ist die Kasse zudem gut gefüllt. Die liquiden Mittel beliefen sich zum 15. Mai auf 3,1 Milliarden Euro.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Der Kurs der Rocket-Aktie, der die Anleger viele Quartale mehr gequält als erfreut hat, ist im laufenden Jahr positiv unterwegs. Analysten loben die starke Zunahme der Kundenzahlen der Unternehmen, an denen Rocket Internet beteiligt ist. Bei dem Modehändler Global Fashion Group zog beispielsweise die Zahl aktiver Kunden im ersten Quartal um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal an.

Rocket Internet gründet und investiert in Internet- und Technologieunternehmen. Vier seiner großen Beteiligungen sind mittlerweile an der Börse notiert. Im vergangenen Jahr gingen die Online-Möbelhändler Westwing und Home24 aufs Parkett. Dazu kommen Delivery Hero und Hellofresh, von denen Rocket alle rund 43,7 Millionen Anteile Mitte Mai für je acht Euro auf den Markt gebracht hat.

Rocket-Chef Oliver Samwer zeigt sich zufrieden. "Im ersten Quartal 2019 haben wir unsere Kernstrategie der operativen Entwicklung neuer internetbasierter Geschäftsmodelle erfolgreich weiterverfolgt." Seit Januar 2018 habe Rocket zehn neue Modelle hervorgebracht. Nähere Informationen zu diesen noch relativ kleinen, jungen Unternehmen will Rocket jedoch erst mitteilen, wenn sie etwas gefestigter seien, wie Finanz- und Investmentmanagerin Bettina Curtze sagte.

Rocket Internet verkauft Beteiligungen

Im Geschäftsbereich "New Businesses" zog der Umsatz um 85 Prozent an. Dazu gehören etwa das Marketing-Unternehmen Global Savings Group und Helpling, eine Plattform zur Vermittlung von Haushaltshilfen. Die Konzernerlöse kletterten im ersten Quartal um 48 Prozent auf 15 Millionen Euro.
Innerhalb der ersten drei Monate verringerte Rocket seine Anteile an einigen Beteiligungen. So sank der Anteil an Home24 von etwa einem Drittel auf rund ein Viertel. Bei Delivery Hero kürzte Rocket seine Beteiligung von rund sechs auf rund vier Prozent, und bei HelloFresh ging der Rocket-Anteil von rund 31 auf 28 Prozent zurück.

Näher ging das Unternehmen in der Präsentation zum ersten Quartal auf die Entwicklung des Modehändlers Global Fashion Group (GFG), der Onlinehandels-Plattform Jumia in Afrika und den Möbelhändler Home24 ein. GFG und Home24 konnten ihre Erlöse im ersten Quartal, Währungseffekte herausgerechnet, um 15 und 12 Prozent steigern.

Jumia ist seit April an der New Yorker Börse gelistet. Der Umsatz des Unternehmens, das auf seiner Internetplattform etwa Elektronik, Mode und Lebensmittel anbietet, verdoppelte sich im ersten Quartal. Rocket verringerte seine Beteiligung an Jumia auf unter ein Fünftel. Außerdem verkaufte der Investor bis Mitte Mai sämtliche Aktien des Möbelhändlers Westwing.
Da man auch bei Hello Fresh inzwischen sogar sämtliche Anteile verkauft hat, ist derzeit viel Geld in der Kasse.

Offensichtlich wissen die Manager derzeit nicht recht, wohin mit dem Geld. In der Vergangenheit waren aus Rocket Internet Unternehmen wie Zalando, Hello Fresh und Home24 hervorgegangen. Doch zuletzt blieben große Erfolge aus. "Wir haben ein paar Blockbuster gehabt", sagte Samwer. "Im Moment ist die Pipeline in der Mitte ein bisschen leer."

Als Geldgeber für Gründer sieht sich das MDax-Unternehmen wachsender Konkurrenz ausgesetzt. Es sei schwieriger geworden, Gründer und Ideen zu finden, um mit ihnen Unternehmen aufzubauen, sagte Samwer. Rocket könne Milliarden investieren - man habe mehr Kapital als Ideen.

Auf der Suche nach vielversprechenden Investments erkundet die Berliner Start-up-Fabrik Rocket Internet neue Geschäftsfelder. Die Start-up-Fabrik will künftig die Anzahl seiner Immobiliengeschäfte erhöhen und technologische Versicherungs- und Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Das sieht eine Satzungsänderung vor, die auf der Hauptversammlung beschlossen wurde. Doch Immobilien sind so ziemlich das Gegenteil von Internet-Start-ups.

Und die Stadt Berlin findet die Idee alles andere als gut. Den geplanten Kauf dreier Häuser in Kreuzberg hat der Bezirk verhindert. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg habe sein Vorkaufsrecht für die Urbanstraße 67 genutzt, bestätigt der zuständige Stadtrat Florian Schmidt entsprechende Medienberichte. Die Häuser gehen demnach an die landeseigene Gewobag und eine Genossenschaft.

Aktionärsvertreter verlangen nunmehr, dass Rocket eine Dividende ausschüttet - das lehnt Samwer bislang noch ab. Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz würdigte Christian Röhl die zahlreichen Börsengänge von Rocket-Beteiligungen. "Sie haben es allen gezeigt", lobte er Samwer. Rocket Internet sei eine Maschine für Börsengänge geworden. Röhl kritisierte allerdings, dass keine Frau in Vorstand und Aufsichtsrat sitzt.

11.07.2019 | 17:18

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