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Studie „Unternehmerperspektiven“: Mittelstand will Bürokratieabbau – Zollstreit belastet – Chancen durch KI

Der deutsche Mittelstand bewertet die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kritischer denn je. Zugleich übernimmt er Verantwortung und wirkt mit Investitionen der unsicheren Lage entgegen. Das zeigt die 23. Studie der Commerzbank-Initiative "Unternehmerperspektiven".

Unter dem Titel „Wirtschaftsstandort Deutschland – Zeit, was zu bewegen!“ präsentiert die Bank die Ergebnisse einer Befragung, die sich mit Lage und Perspektiven der Unternehmen befasst. Dabei kamen mehr als 1.500 Führungskräfte der ersten Ebene zu Wort.
 
Kaum Topnoten für eigenes Land

Müssten Unternehmen ihrem Wirtschaftsstandort Schulnoten geben, fielen sie überwiegend bedenklich aus: Nur 10 % geben den Rahmenbedingungen in Deutschland ein „sehr gut“ oder „gut“. 60 % der Befragten bewerten sie allenfalls als „befriedigend“ beziehungsweise „ausreichend“, beinahe ein Drittel nennt sie „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Im Ranking einer Liste von Wirtschaftsnationen landet Deutschland somit auf Platz 9 und liegt damit auch hinter Ländern wie Vietnam und Italien. Gegenüber einer früheren Befragung der Unternehmerperspektiven ist das eine deutliche Verschlechterung (2019: Deutschland auf Platz 1). Kritisch blicken Unternehmerinnen und Unternehmer auch auf die abnehmende Relevanz des Qualitätssiegels „Made in Germany“: 71 % aller Befragten sind der Meinung, dass es an Bedeutung verloren hat. Commerzbank-Firmenkundenvorstand Michael Kotzbauer sieht deutlichen Handlungsbedarf: „Der Standort Deutschland hat in den vergangenen Jahren deutlich an Attraktivität verloren, Unternehmen erwarten jetzt zu Recht positive Impulse von der neuen Regierung, die ihre Handlungsfähigkeit und unternehmerische Freiheit erweitern.“
 
Keine Hürde so hoch wie Bürokratie

Die befragten Unternehmen machen sehr deutlich, dass sie den Bürokratieabbau als größte Herausforderung der kommenden Monate sehen (46 %). Die Themen Energiekosten (29 %) und die hohe Steuerbelastung (21 %) folgen mit einigem Abstand dahinter. Diese Position wird durch ihre Forderungen an Staat und Politik noch einmal unterstrichen: 98 % sehen den Abbau von Bürokratie und weniger Regulierung als die dringendste Aufgabe an. Ebenfalls dringend gewünscht: Die Verbesserung der digitalen und physischen Infrastruktur (95 %) sowie sinkende Energiepreise (88 %). Der Schirmherr der diesjährigen „Unternehmerperspektiven“, Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), beruhigt: Die Anliegen der mittelständischen Wirtschaft würden von der Politik sehr ernst genommen. „Wir brauchen einen Comeback-Plan für die deutsche Wirtschaft – mit Bürokratieabbau in großem Stil, Steuererleichterungen für die breite Mitte und einer wettbewerbsfähigen Energiepolitik.“
 
Unternehmen investieren in Menschen und Technologie

Bei aller Kritik bekennt sich der Mittelstand aber auch zur Eigenverantwortung: Die Qualifikation der Beschäftigten (68 %), die Optimierung der Prozessabläufe (62 %) sowie die Unternehmenskultur (45 %) sind Erfolgsfaktoren, auf die Unternehmen verstärkt setzen. Wenn es um die Entwicklung von Investitionen geht, steht Cybersecurity ganz oben. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht auch in qualifizierten Fachkräften und der Technologie der künstlichen Intelligenz (KI) lohnende Investitionsfelder für die Zukunft.
 
Zukunftstechnologie KI: Der Einsatz liegt bei den Großen

Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen setzt künstliche Intelligenz bereits ein, wenn auch nur in einzelnen Bereichen. Allerdings: Es sind vor allem die größeren Unternehmen (2 Mio. bis 15 Mio. Euro Umsatz), die diese Angaben machen. Je kleiner das Unternehmen, desto zurückhaltender ist es bei der Nutzung. Die Skepsis könnte bei vielen vorerst bleiben: Die Mehrheit der Unternehmen, die heute noch keine KI nutzen, plant es auch in Zukunft nicht. Somit bleiben viele Chancen für Optimierungen und Innovationen derzeit noch ungenutzt.
 
Erwartungen an Bank: mehr als Standardleistungen

Von ihrer Hausbank erwarten mittelständische Unternehmen in herausfordernden Zeiten Leistungen, die über die klassischen Bankangebote hinausgehen. Besonders gefragt sind die Beratung in Bezug auf Fördermittel (53 %), individuelle Finanzierungsangebote (43 %) und die Vernetzung mit anderen Unternehmen und Experten (33 %). Zudem spielt für den Mittelstand die persönliche Nähe zur Bank eine bedeutende Rolle: Für 83 % ist es „wichtig“ oder „sehr wichtig“, dass die Hausbank ihren Sitz in Deutschland hat.
 
Sonderbefragung zu Zollpolitik offenbart Unsicherheiten

Die Studie wurde um eine Sonderbefragung ergänzt, in der es gezielt um die Auswirkungen der aktuellen US-Zollpolitik geht. Auch wenn die Mehrheit der befragten Unternehmen selbst kaum davon betroffen ist, macht die merklich zunehmende Planungsunsicherheit Sorgen. Wo dies der Fall ist, ergreifen die Unternehmen Gegenmaßnahmen, indem sie versuchen, sich neue Absatzmärkte in Deutschland und der EU zu sichern.
 
Die Initiative „Unternehmerperspektiven“ und ihre Studien

Seit 2006 treten die „Unternehmerperspektiven“ als Initiative der Commerzbank mit Unternehmerinnen und Unternehmern in den Dialog. Alle zwei Jahre befragt sie bis zu 2.000 Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Managerinnen und Manager aus Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen. Dafür beleuchten repräsentative Studien, durchgeführt von forsa, die großen aktuellen Themen der Wirtschaft. Der anschließende Austausch im Netzwerk befördert die lösungsorientierte, persönliche Unterstützung mittelständischer Unternehmen.

06.05.2025 | 19:42

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