Dr. Rainer Seßner leitet Bayern Innovativ, die staatliche Innovationsagentur des Bundeslandes Bayern. (Foto: © Bayern Innovativ)



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„Wir schreiben seit 30 Jahren Zukunft“

Interview

Wirtschaftskurier: Herr Seßner, zunächst einmal Glückwunsch: Bayern Innovativ feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Was war beim Start die Idee dahinter?

Rainer Seßner: Die Bayern Innovativ GmbH wurde im März 1995 als „Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer“ im Rahmen der „Offensive Zukunft Bayern“ gegründet. Initiator und erster Aufsichtsratsvorsitzender war der damalige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU). Seine Idee war eine Organisation, die wirtschaftlich denkt, mit der Dynamik eines Unternehmens handelt und Innovationen gezielt vorantreibt. Genau das sind wir heute. Wir verbinden die Expertise eines Wirtschaftsförderers und einer Innovationsagentur mit dem agilen Mindset eines Start-ups. Trends, neueste Technologien und Begeisterung für Innovationen sind der Treibstoff -unseres Teams. 

Wie lautet Ihre Bilanz? 

Rainer Seßner: Seit unserer Gründung haben wir uns als Innovationsplattform des Freistaats Bayern zum zentralen Knotenpunkt, Netzwerk und Thinktank entwickelt. Und zwar für Unternehmen, Forschungseinrichtungen und politische Akteure gleichermaßen. Wir treiben mit einem klaren Fokus auf Technologietransfer, Wissenstransfer und Vernetzung die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft voran. Dafür arbeiten mehr als 300 Mitarbeitende an den Standorten Nürnberg, München und Augsburg.  

Wo liegt aktuell Ihr Schwerpunkt? 

Rainer Seßner: Unsere Aufgabe ist es, den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu beschleunigen, damit Technologien schnellstmöglich in die Anwendung kommen. Dabei setzen wir auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, ein starkes Netzwerk sowie professionelle Beratung und Methoden. Das Ziel ist klar: Bayern wird führender Innovationsstandort bleiben – und Bayern Innovativ auch in den nächsten 30 Jahren aktiv Zukunft schreiben. Die enge Vernetzung von Forschung und Praxis ermöglicht es, innovative Lösungen schneller auf den Markt zu bringen. 

Welche Gruppe Unternehmen haben Sie besonders im Fokus? 

Rainer Seßner: Mit Vernetzung und Technologie- und Wissenstransfer unterstützen wir besonders kleine und mittlere Unternehmen bei der Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle. Dabei bauen wir Brücken zwischen Forschung und Unternehmen, vermitteln gezielt Wissen, begleiten Innovationsprozesse und ermöglichen Kooperationen. 

Warum sollten Betriebe bei Ihnen mitmachen? 

Rainer Seßner: Innovationen entstehen nicht im Alleingang. Deshalb verbinden wir in unseren Innovationsnetzwerken branchenübergreifend und interdisziplinär Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik und forcieren deren Austausch von Wissen und Technologien in den Zukunftsfeldern des Freistaats. Auch etablierte Firmen und junge Start-ups bringen wir bewusst zusammen, um gemeinsam innovative Lösungen zu schaffen. So haben wir einen starken Thinktank mit großer Bedeutung für das Innovations-Ecosystem in Bayern geschaffen, von dem alle Beteiligten profitieren. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Technologien, sondern um deren erfolgreiche Umsetzung und Skalierung – also darum, dass innovative Ideen tatsächlich in der Wirtschaft und Gesellschaft ankommen und ihre Wirkung entfalten. 

Was tun Sie konkret? 

Rainer Seßner: Durch Workshops, Innovationsforen und individuelle Beratungen machen wir den Unternehmen aktuelle Trends und neue Technologien zugänglich. Eine entscheidende Rolle spielen dabei unsere Innovationsservices. So unterstützt der Bereich Innovationsmanagement, Potenziale zu identifizieren, Lösungen zu finden und Strategien zu entwickeln. Dabei setzen unsere Expertinnen und Experten auf systematische Methoden wie Szenariotechnik, Design Thinking oder Roadmapping. Außerdem helfen wir bei Förderprogrammen oder dem Umgang mit Patenten. Firmen, die vor besonderen Transformationsherausforderungen stehen, profitieren zusätzlich von der Expertise unserer hochqualifizierten Transformationslotsen. 

Sie bringen aktiv Mittelstand und Start-ups zusammen – warum? 

Rainer Seßner: Tatsächlich ist eine der großen Herausforderungen, dass der klassische Mittelstand, zumeist gegründet in den 60er-Jahren, heute eine große Reife hat und teils gesättigt ist. Viele sind Hidden Champions oder zumindest Technologieführer in ihrer Nische. Und nun treffen Start-ups mit ihrer Dynamik und vielen neuen Ideen auf diesen Mittelstand, der konsolidiert ist, der klare Prozesse hat, der gut funktioniert. Der Generationenwechsel im Mittelstand ist ein weiteres großes Thema. 

Wie äußert sich das? 

Rainer Seßner: Kooperationen funktionieren nur bedingt. Denn was passiert? Die Mittelständler werden mit Start-ups konfrontiert, die in den Wettbewerb treten wollen, mit ihren Technologien, mit ihren Produkten. Und allein das kann schon mal für eine enorme Abwehrhaltung bei etablierten Firmen sorgen. 

Die Sie wie genau überwinden wollen? 

Rainer Seßner: Wir gucken eher auf Querschnittstechnologien. Und wir schlagen einem Mittelständler solche Start-ups vor, die etwas lösen könnten, mit dem der Mittelständler Schwierigkeiten hat – im Rahmen seiner eigenen Produktionskette, seiner eigenen Wertschöpfungskette. Das läuft besser, als eine Branchenkonkurrenz aufzubauen. 

Das behaupten viele. Es gibt zahlreiche Veranstaltungen, auf denen Start-ups und Mittelstand zusammentreffen. 

Rainer Seßner: Ja, aber die waren bislang eben kaum kuratiert. Man hat halt durch Zufall jemanden getroffen. Wir zielen auf Partnerschaften ab, statt auf klassische Investitionsobjekte. Wir gestalten eine Zusammenarbeit, ein Miteinander. 

Wie läuft das? 

Rainer Seßner: Wir akzeptieren, dass Start-ups und Mittelständler komplett unterschiedliche Sprachen sprechen und oft unterschiedliche Interessen haben. Beiden Seiten muss klar werden, warum die andere Seite so handelt und reagiert, wie sie es tut. Dann zeigen wir auf, welche Chancen diese Kooperationen bieten – und zwar aus unseren Erhebungen. Wir haben da sehr viele Interviews geführt. Es hat sich herausgestellt, dass die Mittelständler die Notwendigkeit und Vorteile neuer Technologien erkennen. Dass Ansätze wie künstliche Intelligenz oder Robotik gar nicht in das Kerngeschäft eingreifen, sondern vielmehr das Kerngeschäft unterstützen. 

Sie lassen also Leute aufeinandertreffen, die vielleicht gar nicht wussten, dass sie ein Problem haben, für das es eine Lösung draußen im Markt gibt. 

Rainer Seßner: Das ist ein ganz wichtiges Element. Da gilt es auch immer mal wieder zu provozieren. Wir arbeiten auf den Veranstaltungen viel mit Breakout-Sessions – und es ist eine Erfahrung, die wir über die vergangenen 30 Jahre gemacht haben, dass da immer wieder herausragende Dinge entstehen. Manchmal erfahren wir das erst viel später, wenn wir fragen: Was ist denn daraus geworden? Und dann kommt oft: Ach, stimmt ja, da haben wir den und den kennengelernt und mit dem zusammen eine neue Firma gegründet. 

Wo geht die Reise hin? 

Rainer Seßner: Wir intensivieren diese Matching-Veranstaltungen mit bilateralen Treffen und werden noch stärker unsere Netzwerke einbringen. Insgesamt gibt es im Markt sehr viele Angebote für Unternehmen, und die müssen noch stärker kuratiert werden. Es muss da auch mehr Zusammenarbeit geben, sodass am Ende mehr Qualität entsteht und tatsächlich an der einen oder anderen Stelle auch weniger Quantität. Diese Vielzahl von Veranstaltungen überfordert die Unternehmen. Ich weiß heute als Mittelständler manchmal nicht, zu welcher der vielen Start-up-Veranstaltungen ich gehen soll. Welche bringt mich tatsächlich weiter? Hier gilt es, so meine Quintessenz, noch enger in einem Ökosystem zusammenzuarbeiten. 

Das Gespräch führte Thorsten Giersch. 


 

Dr. Rainer Seßner leitet Bayern Innovativ, die staatliche Innovationsagentur des Bundeslandes Bayern. 

© Bayern Innovativ

01.05.2025 | 06:38

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