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Ist das Ende der Dollarschwäche da?

Der Kursverfall des US-Dollar alarmiert seit Wochen die Finanzmärkte. Beim Notenbankertreffen in Jackson Hole wurde nun – reichlich unbemerkt – die Kurswende eingeläutet. Die Marke von 1,20 Dollar für einen Euro soll halten. Das müssen Anleger jetzt wissen.

Der Euro ist die Überraschung des Jahres. Vor Jahresfrist noch als siechende Währung einer zerfallenden EU verlacht und verlassen, erlebt der Euro seit einigen Monaten ein Comeback der spektakulären Art. Im Januar und Februar wurde die Gemeinschaftswährung noch zu Kursen von etwas mehr als einem Dollar gehandelt, einige berühmte Analysten und Chefvolkswirte sagten damals voraus, dass sie unter die „Parität“ fallen werde, also auf weniger als einen Dollar. Doch das Gegenteil ist passiert: Gegenüber dem Dollar hat er seit Jahresbeginn 15 Prozent Kursgewinn erzielt. Im August erreichte die Gemeinschaftswährung sogar ein Zweieinhalb-Jahres-Hoch von 1,2069 Dollar.

Eine derart schnelle Kursbewegung zwischen den beiden großen Weltwährungen sorgt an den Finanzmärkten zusehends für Unruhe. Steckt dahinter ein beginnender Währungskrieg? Wollen die Amerikaner in der Präsidentschaft Trump den Dollar systematisch abwerten, um auf den Weltmärkten eine bessere Wettbewerbsposition zu bekommen? Die europäischen Aktienmärkte jedenfalls zeigen sich seit einigen Wochen nervös. Daher blickten alle gespannt auf die von der US-Notenbank Fed organisierte Gipfelkonferenz der Notenbanker in Wyoming am Fuße der Rocky Mountains. Jackson Hole gilt neben der Notenbank-Veranstaltung der Europäischen Zentralbank (EZB) im portugiesischen Sintra als wichtigstes geldpolitisches Forum des Jahres.

Und tatsächlich: Es gibt Signale aus Jackson Hole für die Geldpolitik der Zukunft, obwohl man die anfangs überhörte. Sowohl Fed als auch EZB signalisieren ein klares Interesse an relativer Kurs-Stabilität. Rasche Kursbewegungen und hektische Spekulationen wurde deutlich entgegengetreten. Ebenso skeptisch sind die Notenbanker gegenüber größeren Veränderungen der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. So warnte die Fed-Chefin Janet Yellen davor, die Regulierung der Finanzindustrie zu reformieren oder gar einzuschränken – ein klares Signal an die Trump-Regierung keine wilde Liberalisierung der Wall Street zu wagen. Der EZB-Chef Mario Draghi wiederum mahnte vor Protektionismus. Wichtiger aber noch: Er verkündete eine Fortsetzung seiner extrem lockeren Geldpolitik an. Die ultraexpansive Geldpolitik sei bislang erfolgreich gewesen, lobte sich Mario Draghi, vor allem aber ergänzte er: „Wir haben bislang noch keine selbsttragende Annäherung der Inflation an das mittelfristige Ziel gesehen.“ … „Daher ist ein erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung immer noch gerechtfertigt.“

Die „rhetorische Intervention“ von Jackson Hole

Das wird an den Weltfinanzmärkten nun so verstanden, dass die Zinsen in Europa noch eine ganze Weile extrem tief bleiben werden. Die erwartete Drosselung der Anleihekäufe werde hinausgezögert, das sogenannte „Tapering“ langsamer laufen als gedacht. Dieses Signal von Jackson Hole bedeutet für die Devisenmärkte, dass der Höhenflug des Euro erst einmal gestoppt werden könnte. Denn ein weiterer Kapitalzufluss ins Nullzinsgebiet Europa macht unter diesen Umständen wenig Sinn. Zugleich verbreitet sich aus den Notenbanken die Einschätzung, dass ein Eurokurs von etwa 1,20 Dollar als neue Stabilitätslinie angesehen werde. „Rhetorische Intervention“ nennen Este Analysten die Worte von Jackson Hole.

Die Gemeinschaftswährung reagierte jedenfalls prompt und rutschte wieder klar unter die Marke von 1,20 Dollar zurück. Das Zweieinhalb-Jahres-Hoch ist erst einmal wieder weit weg, zumal viele Investoren erleichtert sind, dass US-Präsident Donald Trump auf den Raketenabschuss Nordkoreas über Japan am Dienstag weniger aggressiv und diplomatischer reagiert hat als zuletzt. Insgesamt machen nun also Devisenspekulanten bei Kursen von 1,20 Dollar Kasse und nehmen Gewinne mit. "Die Kursreaktion des Euro zeigt, wie empfänglich der Markt für solche Nachrichten ist", sagte Helaba-Analystin Viola Julien.

Die obersten Zentralbanker in der Euro-Zone sind zusehends besorgt über die Stärke der europäischen Gemeinschaftswährung. Das ergibt sich aus den Juli-Protokollen der Sitzung der Europäischen Zentralbank. Offenbar hat die EZB nun ein aktiv kommunizierten Interesse, dass die Marke von 1,20 Dollar erst einmal als Stoppmarke betrachtet werden soll. In Notenbankkreisen ist bereits vom „Ur-Wert“ des Euro die Rede, an dem man sich besser orientiere. Tatsächlich zeigt der langfristige Euro-Dollar-Chart ein interessantes Bild. Die Notierung liegt fast auf dem gleichen Niveau wie bei der Einführung des Euros Anfang 1999, der damals 1,1747 Dollar wert war. In den vergangenen 18,5 Jahren schwankte der Wechselkurs stark - einmal die Gemeinschaftswährung bis auf 82 US-Cent. Anschließend, im Zuge der Finanzkrise, verdoppelte sie ihren Kurs und stieg 2008 auf 1,60 Dollar. Nun liegt sie also wieder ziemlich genau in der Mitte.

Wie geht es nun tatsächlich weiter?

Halten sich die Märkte an die 1,20-Marke von Jackson Hole? Die Fundamentaldaten und die politischen Umfelder werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die Hoffnung auf eine wirtschaftsfreundliche Politik in der USA ist mit den innenpolitischen Dauerschwierigkeiten der Regierung Trump ein Stück weit dahin, kommentieren die Devisenexperten der Commerzbank. Trump werde zunehmend sogar zum Belastungsfaktor für den Dollar. Tatsächlich versprach Trump eine umfangreiche Steuerreform mitsamt Steuersenkungen, eine großes Infrastrukturprogramm und eine massive Deregulierung. Fortschritt hat er bislang kaum gemacht. Durch das Entlassen einige Berater und das Auflösen der Gremien schwinde bei Anlegern die Hoffnung auf eine unternehmerfreundliche Politik, meint Commerzbank-Devisenanalystin Thu Lan Nguyen.

Einige Analysten verweisen darauf, dass die Euro-Stärke sich fortsetzen werde, weil die Wirtschaft der Eurozone robust wachse. Das gelte nicht nur für Deutschland, mittlerweile habe der Aufschwung auch einstige Problemländer wie Italien, Frankreich und Portugal erfasst. Damit schwinde die Wachstumsdifferenz mit den USA, die in den vergangenen Jahren den Dollar gestärkt hatte. Außerdem weist die Eurozone einen hohen Leistungsbilanzüberschuss auf: Die Währungsunion exportiert Güter in deutlich größerem Umfang als sie Güter importiert. Das ist ein Argument, aus dem der Euro zumal gegenüber dem Dollar aufwerten sollte - denn für die Vereinigten Staaten gilt das Gegenteil: Die größte Ökonomie der Welt weist weiter ein hohes Leistungsbilanzdefizit auf.

Die wichtigste Botschaft von Jackson Hole aber ist eine Entwarnung an die Aktienmärkte. Wenn der Devisenmarkt sich stabilisiert und die Notenbanken zugleich an der Politik des billigen Geldes noch länger festhalten, dann ist der Boden für einen Herbst-Aufschwung am Aktienmarkt da. Vor allem aber werden Aktien nun interessant, die von der Neubewertung des US-Dollars bei 1,20 im Vergleich zum Euro besonders profitieren. Vor allem exportorientierte US-Firmen könnten von einer höheren Nachfrage nach ihren Produkten aus dem Ausland profitieren, da ihre Güter und Dienstleistungen aufgrund niedrigerer US-Dollarnotierungen in anderen Währungsräumen günstiger und damit wettbewerbsfähiger werden. Ähnliches gilt für multinationale Unternehmen mit Hauptsitz in den USA: Ihre Tochtergesellschaften und Zweigstellen außerhalb der USA erwirtschaften ihre Gewinne in anderen Währungen. Haben diese gegenüber dem US-Dollar aufgewertet, erzielt der Konzern durch sein Auslandsengagement in US-Dollar gerechnet höhere Gewinne. So hat eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley ermittelt, dass eine Abwertung des US-Dollarindex um ein Prozent mit einer Zunahme des Gewinnwachstums bei den im US-Leitindex S&P 500 gelisteten Unternehmen um 0,5 Prozentpunkte einhergeht. WW

04.09.2017 | 10:51

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