Oliver Röder, Deutschland-Chef der Erste Asset Management. (Foto: Erste Asset Management)



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„Nachhaltiges Investieren wird zum Standard“

Oliver Röder, Deutschland-Chef der Erste Asset Management, über die Aussichten von ESG-Investments und die Vorzüge aktiv gemanagter Fonds.

Börse am Sonntag:
Die Erste Asset Management verwaltet rund 75 Milliarden Euro in Fonds und Portfolios. Nun nimmt sie verstärkt den deutschen Markt ins Visier. Warum jetzt erst?

Oliver Röder: Wir haben bereits seit 2008 einen Standort in Deutschland. Bislang haben wir uns auf institutionelle Investoren fokussiert. Jetzt glauben wir, dass die Zeit reif ist, das breite Anlegerpublikum in Deutschland mit unseren Produkten anzusprechen, die besonders auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind.

Nachhaltige Fonds sind nur ein relativ kleiner Teil des Angebots der Erste AM, während die Zahl derartiger Investments im Markt rapide wächst. Wie bleiben Sie konkurrenzfähig?

Wir haben vier Artikel-9-Fonds und 34 Artikel-8-Fonds am Markt. Mit Sicherheit werden weitere dazukommen, wir gehen das allerdings behutsam an und analysieren gründlich, wie sie in das Korsett der Regulierung passen. Gerade aktuell, wo Greenwashing immer wieder diskutiert wird, sind wir besonders sorgfältig in unserer Auswahl. Das Thema Nachhaltigkeit ist allerdings schon jetzt in jeden unserer Fonds integriert. Das beginnt mit verhältnismäßig strengen Mindestkriterien – wie etwa der Ausschluss geächteter Waffen, von Nahrungsmittelspekulationen oder von Firmen, die mehr als fünf Prozent des Umsatzes mit der Produktion oder Verbrennung von Kohle erwirtschaften.

Wie finden Sie denn die Unternehmen, die kein Greenwashing betreiben, sondern tatsächlich ESG-konform agieren?  

Wir haben unsere eigene Datenbank „ESGenius“ entwickelt. Die basiert auf Daten von mehreren Anbietern, z.B. von MSCI oder ISS. Das Fundament reichern wir mit unseren eigenen Kriterien an. Es gibt ja keine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit und der Begriff wird mittlerweile fast inflationär verwendet. Jeder definiert das ein bisschen anders, wie es halt gerade passt. Meistens reicht das für unsere Standards in den drei Bereichen Environment, Social und Governance (ESG) nicht aus. Deswegen versuchen wir, möglichst viele Daten und Definitionen zu vereinen und durch unsere zusätzlichen Vorgaben greifbarer zu machen.

Dadurch entstehen neue Herausforderungen für Fondsmanager, richtig?


Absolut. Die Selektionskriterien, die in der Vergangenheit gegolten haben, insbesondere die Performance-Erwartung oder die Risikominimierung, sind nicht mehr allein ausschlaggebend. Das Nachhaltigkeitsthema kommt hinzu. Der Job der Portfoliomanagerinnen ist dadurch herausfordernder geworden als er es noch vor ein paar Jahren war.

Wenn ich nachhaltig investieren will, warum sollte ich zu aktiv gemanagten Fonds und nicht zu den günstigeren ETFs greifen?


ETFs bauen in ihrer passiven Form auf bestehenden Indizes auf. Da noch immer eine allgemeingültige Nachhaltigkeits-Definition fehlt, es aber definitiv nicht nur auf quantitative Faktoren ankommt, kann es den einen Index, der alle relevanten Kriterien in sich vereint, nicht geben. Schließlich ist es bei nachhaltigen Investments auch wichtig, wie die Unternehmen handeln und ob sie in allen drei Bereichen – also Environment, Social und Governance – die Kriterien erfüllen. Das zu analysieren und im Blick zu behalten, erfordert einerseits eine Fülle an Daten und andererseits entsprechendes Know-how. Für einen Index sind somit sämtliche ESG-Faktoren kaum abzubilden. Bei einem aktiv gemanagten Fonds wird hingegen die Nachhaltigkeitsexpertise der Fondsmanager und Analystinnen eingebracht. Für unsere ESG-Fonds gibt es im Marktvergleich noch nicht mal eine geeignete Benchmark – da sind wir aktuell weit voraus.

Klingt ein bisschen so, als sei die Finanzindustrie weiter als die Politik…  

Ich glaube, wir sehen zwei Seiten einer Medaille. Der Klimawandel ist zweifellos eine sehr dringliche Herausforderung für die Menschheit. Die Prozessketten in der Politik können da in der Regel selten schnell genug sein, um die richtigen Schritte zu gehen. Die Politik hat für ihre Verhältnisse aber außergewöhnlich viel Fahrt aufgenommen und verschiedene Regulierungen und Gesetze bezüglich Investments auf den Weg gebracht. Zugegebenermaßen fehlt es an mancher Stelle an Präzision. Ohne diese Regulierungen wäre die Finanzindustrie noch lange nicht da, wo sie heute steht.

Sind nachhaltig Investments denn weniger rentabel?  

Mit Beginn des Ukrainekriegs stiegen nicht nur Inflation und Zinsen, es wurden auch Unternehmen begünstigt, die wir als nicht nachhaltig klassifizieren – fossile Brennstoffe zum Beispiel. Gleichzeitig gerieten junge Wachstumsunternehmen, die oft im Umweltsektor tätig sind, durch die Zinssteigerungen unter Druck. In dieser Phase hat sich nachhaltiges Investieren nicht rentiert. Und diese kurzen Phasen gab es immer wieder in den letzten Jahrzehnten. Wir denken bei der strategischen Vermögensanlage jedoch nicht in Monaten, sondern in Jahren bis Jahrzehnten. Und da bin ich überzeugt, dass alle drei ESG-Kriterien absolut ausschlaggebend sind für eine positive Zukunft. Wenn wir uns die Budgetentscheidungen der Politik an den größten Wirtschaftsstandorten ansehen, gehen sie alle in diese Richtung. Über die nächsten Jahrzehnte wird von Regierungsseite sehr viel Geld zur Verfügung gestellt werden, das Unternehmen zugutekommen wird, die nachhaltig wirtschaften. Somit sind nachhaltige Investments langfristig rentabel – ganz sicher.

Haben Sie eine Prognose für uns, wie sich nachhaltige Geldanlage in den nächsten Jahren entwickeln wird?  


Ich denke, dass nachhaltiges Investieren zum Standard wird – für Institutionelle wie für Privatinvestorinnen. Insofern wird die Herausforderung darin liegen, die besseren Anbieter von den schlechteren zu unterscheiden. Daneben wird es sicherlich diverser werden. Künftig wird man sich auch einzelne Themen aus dem ESG-Spektrum aussuchen können. Unterm Strich zählen vor allem Transparenz und Qualität.                                        

BAS

13.10.2023 | 14:51

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