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Deutsche Bahn beschädigt Gotthard-Tunnel. Nord-Süd-Achse bleibt für Monate gesperrt

Erst hatten die Schweizer Bahnen deutsche ICE’s nicht mehr auf ihren Strecken fahren lassen, weil sie zu unpünktlich waren. Und jetzt hat es wirklich geknallt: Zwei deutsche Lokomotiven sind im Gotthard-Tunnel entgleist und haben die Verbindung für den Personenverkehr auf Monate hinaus unbrauchbar gemacht. Das ganze ist inzwischen ein Fall für den Staatsanwalt.
 
Zwischen Deutschland und der Schweiz liegt Ärger in der Luft. Der Grund: Das Staatsunternehmen Deutsche Bahn bereitet den Nachbarn inzwischen mehr als nur Kopfschmerzen. Nachdem die Schweizer die Bahnen aus dem großen Nachbarland bereits seit Monaten wegen ihrer Unpünktlichkeit, die den Schweizer Fahrplan durcheinanderwirbelt, auf dem Kieker haben, hat es jetzt richtig gekracht: Am neuralgischsten Punkt auf der wichtigsten Nord-Süd-Bahnverbindung in Europa, dem Gotthard-Basistunnel, ist am 10. August ein Güterzug entgleist, den zwei deutsche Lokomotiven gezogen haben und der zahlreiche Waggons aus Deutschland mit sich schleppte. Seither ist die Strecke kaputt. Seit dieser Woche können zwar die ersten Güterzüge wieder verkehren, aber Personenzüge werden voraussichtlich noch bis Anfang nächsten Jahres die deutlich längere „Panoramastrecke“, die weiter oben über den Gotthard führt, nutzen müssen. Neben dem materiellen Schaden entsteht eine Verzögerung, die sich in den nächsten Monaten auf mehr als 2000 Stunden summieren dürfte. Die Schadenssumme dürfte im dreistelligen Millionenbereich liegen und könnte am Ende von den Deutschen bezahlt werden müssen.
 
Der Unglückszug wurde von zwei Lokomotiven der Baureihe 185 der Deutschen Bahn gezogen. Von den zehn unbeschädigten Wagen, die inzwischen aus dem Tunnel gezogen wurde, sind acht in Deutschland registriert, einer in Schweden und einer in der Schweiz. Wer haftet, bleibt bislang unklar. Die Deutsche Bahn will sich auf Anfrage nicht zu dem Unfall äußern, sondern verweist auf die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Aber auch dort gibt man sich zugeknöpft: Hergang und Ursache des Unfalls werde von den zuständigen Behörden geklärt, das seien die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle und die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin. „Zu Haftungsfragen können wir uns aktuell nicht äußern“, sagte ein Sprecher.
 
Der Unfall fällt mitten in eine Zeit, in das Verhältnis zwischen den beiden Staatsunternehmen sowieso angespannt ist. Die für ihre Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit weltweit gerühmte SBB lässt immer weniger ICE der Deutschen Bahn ins Land. Deren Verspätungen hätten „negative Auswirkungen auf die Pünktlichkeit der Züge innerhalb der Schweiz“, hatte das Unternehmen im Sommer erklärt. Viele Reisende aus Deutschland müssen deswegen ihre Züge an der Grenze verlassen und in den nächsten Zug der SBB umsteigen. Dass die deutschen Züge, wie ursprünglich im Fahrplan angegeben, selbst bis zu ihren Zielen in der Schweiz fahren, ist inzwischen die Ausnahme.

„Wer es besonders böse meint mit der Deutschen Bahn, stellt sich womöglich die Frage, warum das Verkehrsunternehmen überhaupt noch Fahrpläne entwirft“, spottete dazu unlängst die Süddeutsche Zeitung, die in München erscheint. Auch die Münchner sind betroffen, weil die EC-Züge, die von da aus eigentlich nach Zürich fahren, inzwischen an der Grenze in St. Margrethen enden. Der Direktor des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, Peter Füglistaler, schrieb unlängst dazu im schönsten beamtenschweizerisch: „Taktintegrierte internationale Züge bergen ein hohes Verspätungsrisiko."

Oliver Stock

25.08.2023 | 10:07

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