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Krise bei Intel: Gelingt der Reboot?

Der weltgrößte Halbleiterhersteller hat vergangenes Jahr Umsatz und Gewinn eingebüßt. Das schwache PC-Geschäft macht den Amerikanern schwer zu schaffen. Doch Intel ist nicht der einzige Chipproduzent, der zu kämpfen hat.

MünchenIntel zieht eine durchwachsene Bilanz des Jahres 2015: Die Einnahmen des weltgrößten Halbleiterherstellers sanken um ein Prozent auf 55,4 Milliarden Dollar. Der Gewinn ging sogar um zwei Prozent auf 11,4 Milliarden zurück. Das teilte Intel-Chef Brian Krzanich am späten Donnerstagabend mit. Intel leidet vor allem darunter, dass weltweit immer weniger PCs und Notebooks über die Ladentheken gehen. Mit Prozessoren für diese Rechner verdienen die Kalifornier das meiste Geld, doch das Geschäft ist vergangenes Jahr um acht Prozent eingebrochen. Ein kräftiges Plus von elf Prozent in der Server-Sparte konnte das nicht ausgleichen.

„Das Ergebnis 2015 zeigt, dass sich Intel weiter entwickelt und unsere Strategie aufgeht“, betonte Krzanich. So seien die Erlöse im vierten Quartal bereits wieder um ein Prozent geklettert. Die Investoren freilich sehen das nicht so positiv: Im nachbörslichen Handel in New York verloren die Papiere gut drei Prozent. Bereits vergangenes Jahr hatten die Aktien rund zehn Prozent an Wert verloren. Brian Krzanich, seit 2013 an der Konzernspitze, verfolgt ein Ziel, das schon seine Vorgänger weitgehend erfolglos angepeilt haben: Er will weniger abhängig vom schrumpfenden PC-Geschäft werden. Das ist dringend nötig. Seit 2011 geht der Markt Jahr für Jahr zurück. Vergangenes Jahr haben die Hersteller acht Prozent weniger Geräte ausgeliefert, das entspricht rund 15 Millionen Stück.

Kein Durchkommen im Smartphone-Markt

Doch nach wie vor verdient Intel das meiste Geld mit Prozessoren für Desktops und Notebooks. Die Division steht für 60 Prozent vom Umsatz. Auf dem Server-Markt sieht es zwar wesentlich besser aus. Doch die florierende Sparte mit Halbleitern für Netzwerkrechner steht für lediglich gut ein Drittel der Erlöse. Alle anderen Bereiche sind demgegenüber zu vernachlässigen. Im riesigen Smartphone-Markt etwa konnte Intel bis heute nie richtig Fuß fassen. Und das trotz des mehr als eine Milliarde Euro schweren Kaufs der Mobilfunksparte von Infineon vor mittlerweile sechs Jahren.

Andererseits: Intel ist nicht der einzige Chiphersteller, der in Schwierigkeiten steckt und daher vergangenes Jahr geschrumpft ist. Die Marktforscher von Gartner schätzen, dass sechs der zehn führenden Anbieter weniger Umsatz eingefahren haben. Die meisten Firmen veröffentlichen ihre Ergebnisse aber erst in den kommenden Wochen. Gartner wagt sich trotzdem mit konkreten Zahlen an die Öffentlichkeit. Demnach ist der weltweite Halbleiterumsatz 2015 im Vergleich zum Vorjahr um knapp zwei Prozent auf rund 334 Milliarden Dollar gesunken. Der Rückgang fiel deutlicher aus, als die Experten im Jahresverlauf vorhergesagt hatten. „Die schwache Nachfrage nach wichtigen Elektronikprodukten, der starke Dollar und volle Lager sind an dem Schwund schuld“, erklärt Gartner-Analyst Sergis Mushell.

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Die Branche wird erwachsen, die großen technischen Sprünge fehlen

Doch es gibt noch einen weiteren, tiefer liegenden Grund, warum die Einnahmen zurückgehen: Die Branche wird erwachsen, die großen technischen Sprünge fehlen. Dadurch lassen sich Preiserhöhungen schwerer durchsetzen. Zwischen den Jahren 1980 und 2000 ist die Industrie im Schnitt jährlich um 15 Prozent gewachsen. Seit dem Jahrtausendwechsel gehen die Zuwachsraten zurück, bis 2014 hat der Branchenverband ZVEI nur noch ein durchschnittliches Plus von etwa sechs Prozent berechnet. Doch auch das werden die Hersteller künftig wohl kaum noch erreichen.

Daher entsteht ein Verdrängungswettbewerb. Um dennoch zu wachsen, geht die ganze Industrie auf Einkaufstour. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Hersteller weltweit mehr als 90 Milliarden Dollar ausgegeben, um Wettbewerber zu schlucken. Intel mischt an vorderster Front mit: Für 16,7 Milliarden Dollar hat der Konzern Ende Dezember den Halbleiteranbieter Altera übernommen. Die Firma bringt zwar nur rund zwei Milliarden Dollar Umsatz mit. Doch Intel interessiert sich vor allem für das Know-how: Die Stärke des Altera-Prinzips ist, dass die Chips von den Kunden nachträglich für spezielle Aufgaben angepasst werden können, indem sie einzelne Schaltkreise aktivieren. Sie werden vor allem in Rechenzentren eingesetzt.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Immer häufiger entwickeln sich sogar regelrechte Bietergefechte. Eines davon wurde am Donnerstagabend entschieden. Microchip Technology aus Arizona schluckt den amerikanischen Wettbewerber Atmel. Ursprünglich wollte der deutsch-britische Apple-Lieferant Dialog Semiconductor den US-Konkurrenten Atmel für 4,6 Milliarden Dollar kaufen. Doch die Firma mit operativem Sitz im schwäbischen Kirchheim/Teck zog letztlich gegen Microchip den Kürzeren. Andere europäische Hersteller waren zuletzt erfolgreicher in Amerika. NXP aus Eindhoven hat sich für zwölf Milliarden Dollar den US-Wettbewerber Freescale geschnappt. Deutschlands größter Halbleiterhersteller, Infineon, hat sich demgegenüber International Rectifier aus Kalifornien einverleibt. Der Preis: drei Milliarden Dollar.

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Intel sucht neue Geschäftsfelder

Die rapide Konsolidierung der Branche spiegelt sich inzwischen auch in den Umsatzstatistiken wider: Die 25 größten Hersteller vereinnahmten den Gartner-Daten zufolge zuletzt 73,2 Prozent des Gesamtumsatzes, ein Jahr zuvor waren es noch 71,7 Prozent. Dieses Jahr dürfte der Wert noch einmal kräftig steigen.

Intel sucht sich aber auch ganz neue Geschäftsfelder. Erst Anfang des Jahres haben die Amerikaner ein bayerisches Start-up gekauft: Ascending-Technoligies baut Drohnen für den professionellen zivilen Einsatz. Diese kommen beispielsweise bei der Wartung von Pipelines oder Stromleitungen zum Einsatz. Auch zahlreiche Universitäten arbeiten mit der Plattform. Die Stärke der Fluggeräte liegt in der robusten Flugregelungstechnik, die aufgrund redundanter Systeme besonders ausfallsicher sein soll.

Das Kalkül hinter dem für Intel-Verhältnisse kleinen Deal: Drohnen seien dabei, sich als „eine wichtige Computerplattform der Zukunft“ zu etablieren, erklärte Intel-Manager Josh Walden - sie vereine Prozessoren, Sensoren und Cloud-Technologie. Die Geräte bieten Chancen in verschiedensten Branchen, von Katastropheneinsätzen über die Inspektion von Infrastruktur bis zur Lieferung von Produkten. Schon vergangenes Jahr hatten die Amerikaner in China einen Drohnenproduzenten erworben, Yuneec International aus Schanghai.

Im gerade begonnenen Jahr soll es wieder bergauf gehen bei Intel, allerdings ist kein großer Sprung zu erwarten. Der Umsatz werde um fünf bis neun Prozent klettern, kündigte Krzanich an. Würde der Manager das untere Ende dieser Vorhersage erreichen, wäre Intel aus eigener Kraft kaum gewachsen, sondern vor allem durch Altera. Die Marge werde vermutlich etwas niedriger ausfallen als 2015. Für großen Optimismus wird diese Prognose unter Investoren und in der Chipbranche bestimmt nicht sorgen.

Handelsblatt/Joachim Hofer/MM

15.01.2016 | 10:51

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