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Was sucht Google im Energiemarkt?

Warum kauft Google für über 3 Mrd. US-Dollar die kleine Firma Nest Labs, die Rauchmelder und Thermostate herstellt? Mit der zweitgrößten Investition in seiner ­Unternehmensgeschichte will Google nicht etwa Baumärkten Konkurrenz machen: Über Produkte wie diese will sich der Konzern direkten Zutritt zum Energiemarkt der Zukunft verschaffen.

Denn auch Rauchmelder und Thermostate lassen sich mittlerweile über eine App mit dem Smartphone steuern. „Diese Digitalisierung ist es, die Produkte von Nest für Google interessant macht“, erklärt Lars Reppes­gaard, Autor des Buchs „Das Google-Imperium“.

Auf die Musikindustrie und den Buchhandel folgt die Energiebranche – auch hier gibt es immer mehr digitalisierte Produkte, die sich intelligent miteinander vernetzen lassen. Ein neuer Markt entsteht: Smart-Home-Umsätze sollen allein in Europa bis 2017 auf mehr als 4 Mrd. Euro steigen, prognostiziert eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Deloitte.

Ob Energieversorger beim intelligenten Zuhause lange mithalten können, ist allerdings fraglich. „Die Versorger sollten beim Angebot neuer, innovativer Services kreativer werden“, rät Gunther Wagner von De­loitte und Leiter einer Studie über Erfolgsfaktoren bei Heimsteuerungssystemen. „Denn der Verkauf wird künftig nicht mehr über Technik und Hardware gesteuert, sondern über smarte Software als Zusatznutzen.“ Der Boom der Smart-Home-Anwendungen werde daher weniger über den Energiesektor ange­trieben, sondern über den Lifestyle-Aspekt.

Und hier kommt die bislang eher unbekannte Firma Nest ins Spiel, deren Geräte über ihr Design „gehypt“ werden. Kein Wunder: Nest-CEO Tony Fadell hatte für Apple den iPod entwickelt. Doch die Thermostate punkten nicht nur mit ihrer Optik, sondern auch mit ihrer Funktionalität: Mit ihnen kann die Temperatur von unterwegs per App geregelt werden. Durch die digitale Vernetzung von Häusern über Thermostate kann Google neue Geschäftsfelder ausbauen.

Bislang buhlten vor allem Elektronikanbieter wie die ABB-Tochter Busch-Jaeger oder der US-Hersteller Belkin darum, Spülmaschinen und andere Geräte besser steuerbar zu machen. Jetzt drängen neben den Telekommunikationsfirmen und den Hausgeräteherstellern weitere bekannte Namen aus der IT-Branche auf den Markt. So hat sich Apple kürzlich ein US-Patent auf die Hausvernetzung gesichert und ein Smart-Home-Team zusammengestellt.

Der Konzern konzentriert sich auf die Entwicklung einer Steuerungsplattform namens HomeKit, will aber selbst keine Smart-Home-Geräte verkaufen. Stattdessen soll alles mit iPhones und iPads gesteuert werden können. Auch Samsung arbeitet an einer Plattform für die intelligente Haussteuerung der Zukunft und will zudem durch den Kauf des Start-ups SmartThings Haushaltsgeräte selbst Richtung Smart Home ausbauen.

Mit Google bringt sich nun ein weiterer Hightech-Riese für die globale Geräteautomation in Stellung. Das eröffnet der größten Suchmaschine der Welt erstmals die Möglichkeit, mehr über das Verhalten der Menschen zu lernen – auch wenn sie offline sind. Denn die Apps von Nest sind nicht nur eine Art Fernbedienung für die Heizung, sie lernen – wie die Systeme von Google – auch ständig dazu.

Nach einiger Zeit errechnen sie selbst Zeitpläne zum rechtzeitigen Hochheizen oder Herunterkühlen der Wohnung, ohne dass der Nutzer das noch steuern muss. Aber warum sammelt Google all diese Daten? „Das ist die große Frage, die auch Google selbst noch nicht abschätzen kann“, so Experte Reppesgaard. Derzeit sei der Kauf von Nest in erster Linie ein Manöver, um in einem Zukunftsmarkt Fuß zu fassen.

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Bislang ist das Interesse verhalten

Schon seit Jahren versuchen Energieversorger, Verbraucher davon zu überzeugen, zu Hause smarte Geräte zu verwenden. Doch die Kunden sehen noch keinen Mehrwert. „Zur besten Stromtarifzeit nachts per Fernbedienung die Wäsche zu waschen, interessiert die Menschen nicht“, so Reppesgaard. Bisher sei das Ganze einfach noch „ein recht uncooles Thema“. Aber dadurch, dass Google in diesem Bereich jetzt aktiv ist und die Thermostate von Nest stylisher aussehen, glaube er, dass diese Entwicklung an Fahrt gewinnen wird.

Schätzungen zufolge verkauft Nest weltweit pro Monat bis zu 50 000 Geräte. Vor allem in den USA sind die Produkte ein Verkaufsschlager. In Europa wird bisher nur der britische Markt bedient. Bald soll auch Deutschland beliefert werden. Mit 40 Mio. Haushalten gibt es hier ein gewaltiges Marktpotenzial und die nötige Aufgeschlossenheit.

Heizung mit dem Smartphone regeln

Knapp drei Viertel aller Bundesbürger finden eine Smart­phone-App sinnvoll, mit der sich der Energieverbrauch fernsteuern lässt, so das Ergebnis des Energie-Trendmonitors 2014 von Stiebel Eltron. „Neben der Datensicherheit sollten sich Smart-Home-Modelle darauf fokussieren, komplizierte und ungeliebte Haushaltsgeräte neu zu erfinden“, sagt Karlheinz Reitze, Geschäftsführer von Stiebel Eltron. Beispiel Heizungsanlage: Jeder zweite Bundesbürger empfindet die Einstellung seiner Heizung als zu kompliziert.

Viele Verbraucher wünschen sich neue Geräte, bei denen sie selbst alle Verbrauchsdaten verstehen (87 %) und den Energieverbrauch in Eigenregie sparend steuern können (88 %). Als Vorbild für die Bedienung solcher Heizungsanlagen nennen drei Viertel der Befragten die intuitive und spielerische Benutzerfreundlichkeit von Smartphones.

Die Automatisierung von Haushalten ist eine der größten Geschäftsmöglichkeiten, wenn man vom allgegenwärtigen Internet redet“, sagt Analyst Shyam Patil vom Investmenthaus Wedbush. Heizungen, Kühlschränke und Waschmaschinen werden künftig miteinander kommunizieren und sich von unterwegs steuern lassen. Das Geschäftsfeld heißt Energieeffizienz im Haushalt, als Nebenprodukt fallen massenhaft Nutzerdaten an.

Die Auswertung der Daten bringt einerseits mehr Komfort, da personalisierte Dienste für den Einzelnen besser funktionieren. Auf der anderen Seite kann keiner sagen, was in ein paar Jahren mit diesen Daten passiert. Die NSA-Affäre zeigt: Wo viele Daten sind, werden mitunter auch negative Inter­essen geweckt. Das macht Nutzer noch skeptisch.

Doch der Trend ist nicht mehr aufzuhalten: Energie- und IT-Markt werden weiter zusammenwachsen. Das stellt auch Energieversorger vor große Her­aus­forderungen. „Sie werden sich neue Geschäftsmodelle einfallen lassen müssen“, betont Martin Pehnt vom Heidelberger In­stitut für Energie- und Umweltforschung (ifeu). Es gehe jetzt darum, die zusätzlichen Chancen, die diese Technologie bietet, zu nutzen. Wenn ­Energiekonzer­ne das verschlafen, werden sie zwar auch künftig Energie liefern können. Aber: Das lukrative Zusatzgeschäft machen dann an­dere.

Tanja Requardt

02.03.2015 | 00:31

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