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Kaeser drückt Siemens seinen Stempel auf

Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser krempelt den Elektronikkonzern um. Er will die Struktur auflösen, die sein Vorgänger Peter Löscher eingerichtet hat. Das Ziel: weniger Bürokratie und weniger Kosten.

Der Münchner Technologieriese steht vor einem Umbau: Der neue Konzernchef Joe Kaeser, seit dem vergangenen Sommer im Amt, wird die bestehenden Konzernsektoren voraussichtlich auflösen. Die vier Sparten stünden zur Disposition, weil sie viel zusätzliche Bürokratie geschaffen hätten, erfuhr das Handelsblatt aus Industriekreisen. Damit setzt sich der Manager von seinem Vorgänger Peter Löscher ab, der die Einteilung geschaffen hatte – und er zeigt, wie er den Konzern wieder profitabler machen will.

Ein komplexes Gebilde wie Siemens mit seinen weltweit rund 360.000 Mitarbeitern und Produkten vom Windrad bis zur U-Bahn kommt nicht ohne ein Mindestmaß an Bürokratie aus. Umbauten stehen daher fast immer auf der Agenda. Kaesers Vorgänger Löscher teilte das Unternehmen in die Bereiche Industrie, Energie, Medizintechnik und Infrastruktur ein. Damit handelte er sich heftige Kritik ein, der damals neue Städte- und Infrastruktursektor etwa war von Beginn an umstritten. Viele Investoren schmähten das Geschäft mit Zügen, Gebäudetechnik und Energieverwaltung als „Resterampe“.

Dadurch ist der ohnehin schon komplexe Siemens-Konzern ist noch komplexer geworden. Es gibt Regionalcluster und Landesgesellschaften, Divisionen, Sektoren und die Zentrale in München. Insider berichten, dass deswegen häufig unterschiedliche Abteilungen bei den Kunden vorstellig werden. Siemens sei zu bürokratisch, sagte Kaeser jetzt bei einer Veranstaltung der TU München. Zudem müsse der Kundenzugang verbessert werden.

Künftig wird es wohl unter der Ebene des Vorstands wie früher wieder eine größere Zahl von operativen Einheiten geben. Im Umfeld des Konzerns wurde betont, dass noch keine abschließenden Entscheidungen gefallen seien. Kaeser will seine Pläne am 8. Mai vorstellen. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass eine neue Eingreiftruppe für eine straffere Führung sorgen soll – sie ist unterhalb des Vorstands angesiedelt. Gleichzeitig könnte der Umbau helfen, die Ausgaben zu senken. Die Konkurrenz zeigt, wie es geht: So verringerte General Electric im vergangenen Jahr die Kosten um 1,6 Milliarden Dollar. 2014 soll eine weitere Milliarde eingespart werden.

Weitere Stellen kann Kaeser kaum streichen – er hat Kürzungen weitgehend ausgeschlossen, zudem würde ein radikaler Schnitt die Belegschaft gegen den Manager aufbringen. Die neue Chefin des Gesamtbetriebsrates, Birgit Steinborn, kündigte kürzlich Widerstand gegen mögliche Einschnitte an. „Siemens ist kein Sanierungsfall“, sagte sie dem Handelsblatt. Kaeser dürfte gewarnt sein, Löscher scheiterte nicht nur an den Gewinnwarnungen, sondern auch an seinem schwierigen Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern.

Kaeser kann den Umbau selbstbewusst angehen, die erste Monate im Amt sind gelungen. So ist die Stimmung im Unternehmen deutlich besser als noch zu Löschers Zeiten, gleichzeitig konnte Siemens einige Erfolge vermelden: Der Konzern angelte sich in den letzten Monaten mehrere Großaufträge, unter anderem für eine U-Bahn in Saudi-Arabien sowie im Windkraft- und Kraftwerksgeschäft. Die Bahnsparte sicherte sich außerdem zwei Deals in den USA und brach damit in eine Domäne der Rivalen General Electric und des Baumaschinen-Konzern Caterpillar ein. Die Anleger honorieren, dass nach dem chaotischen Führungswechsel im vergangenen Jahr Ruhe einkehrt. Seit Kaesers Amtsantritt hat der Siemens-Kurs um ein rund Viertel auf zwischenzeitlich 100 Euro zugelegt, derzeit notiert die Aktie bei etwa 95 Euro. Auch das stärkt den neuen Chef.

Leicht hat es Kaeser aber trotzdem nicht. Das Branchenumfeld habe sich noch nicht deutlich verbessert, warnte der Konzernchef auf der Hauptversammlung im Januar. Das gelte vor allem für Geschäfte mit kurzen Zyklen wie etwa die Industrieautomatisierung. Spürbare Impulse seien erst zum Jahresende zu erwarten. Zudem litten die Industrie- und Medizintechniksparte unter dem starken Euro. Siemens muss sich also weiter anstrengen, um die Kosten zu senken und neuen Kunden zu gewinnen.

Seit einigen Jahren gilt bei Siemens das Ziel, einen Anteil von 40 bis 60 Prozent des Gewinns nach Steuern auszuschütten, deutlich mehr als früher. Auch für 2013 soll es wieder eine Dividende auf dem Rekordniveau von drei Euro geben. Dies entspricht einer Ausschüttungsquote von 57 Prozent. Der Auftragseingang, also die Umsätze von morgen, legte im abgelaufenen Geschäftsjahr um acht Prozent auf 82,4 Milliarden Euro zu. Die Medizintechnik, der kleinste der vier Siemens-Sektoren, glänzte im vergangenen Geschäftsjahr nicht nur mit der höchsten operativen Umsatzrendite. Auch in absoluten Zahlen lieferte die Medizintechnik mit einem operativen Ergebnis (Ebitda) von zwei Milliarden Euro den höchsten Gewinnbeitrag.
Was in Boomzeiten ein Vorteil ist, wird zum Nachteil, wenn die Konjunktur lahmt – die starke Position von Siemens in Europa.

In Südeuropa etwa können die Schuldenstaaten derzeit nur noch wenige große Infrastrukturprojekte anstoßen. Das bekommt auch Siemens zu spüren. Es gibt Zweifel an der Innovationskraft von Siemens – trotz 60.000 neuen Patenten im Jahr. Denn der Konzern erzielte zuletzt mit seinen Geschäften nur eine Bruttomarge von 27,4 Prozent. Nach Einschätzung von Konzernchef Joe Kaeser ist dies ein Anzeichen dafür, dass Siemens mit seinen Produkten nicht die Preise erzielen kann, die man gerne hätte. Die Produkte sind womöglich nicht immer innovativ genug. Vor allem schlecht gemanagte Großprojekte verhageln dem Konzern seit Jahrzehnten die Ergebnisse. 2013 war es besonders arg. Die anhaltenden Probleme bei der Anbindung der Offshore-Windparks an das Stromnetz auf dem Festland, die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen, der Ausstieg aus dem Solargeschäft und andere Pannen verursachten im Konzern fast 900 Millionen Euro an Sonderaufwendungen. Handelsblatt

24.03.2014 | 11:14

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