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Larry im Sturzflug

Larry, dem quietschblauen Wappentier der Mikroblogging-Plattform Twitter, dürfte momentan nicht gerade nach beschwingt-fröhlichem Zwitschern zumute sein. Denn nach dem Auslaufen einer Haltefrist haben sich Altaktionäre in großem Umfang von ihren Beständen getrennt.

Das Wertpapier des Börsenneulings stürzte vergangene Woche regelrecht ein – es gab von einem auf den anderen Tag um knapp 20 Prozent nach. Trauriger Höhepunkt eines seit Anfang des Jahres anhaltenden Sinkflugs. Viele Anleger zweifeln an dem Potential des 2006 gegründeten Unternehmens, da die Nutzerzahlen nur langsam wachsen. Während Rivale Facebook in den ersten drei Monaten des Jahres 50 Millionen neue Leute anlocken konnte und nun 1,28 Milliarden Mitglieder vereint, stieg die Zahl der Twitter-User im ersten Quartal 2014 lediglich um 14 Millionen auf 255 Millionen. WhatsApp kommt auf 500 Millionen, selbst das Business-Netzwerk Linkedin auf 300 Millionen.

Trotz der enttäuschenden Wachstumszahlen und der erdrutschartigen Kursverluste wird das Unternehmen auf einem Niveau gehandelt, das es basierend auf den zu erwartenden Umsätzen für 2014 teurer als Facebook und Linkedin macht. „Die Aktie wird nicht mal annähernd auf Basis ihrer fundamentalen Bewertung gehandelt. Generell verstehen Anleger das Unternehmen nicht“, gibt Experte Brian Wieser von Pivotal Research Group LLC in New York zu bedenken. „Der Kurs nahm sehr hohe Umsatz und Gewinne vorweg. Entweder zieht beides an oder der Kurs stürzt weiter ab“, kommentiert Jack Ablin, Chief Investment Officer der US-Bank BMO die Lage bei Twitter.

Für Hoffnung sorgt indes der aktuelle Quartalsumsatz. Er lag bei 250 Millionen Dollar und damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr rechnet das Management nun mit bis zu 1,25 Milliarden Dollar. Allerdings verbuchte der Kurznachrichtendienst im ersten Quartal einen Verlust von 132 Millionen Dollar. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 27 Millionen Dollar. Als Hauptgrund für den drastischen Anstieg führte das Unternehmen ein Aktienausgabe-Programm an seine Mitarbeiter an.

Chinesischer Drache jagt blauen Vogel


Sorgen bereitet ein neuer Konkurrent aus Fernost. Die Rede ist vom chinesischen Twitter-Klon Weibo, das durch seinen Börsengang Mitte April an der Nasdaq für Aufsehen gesorgt hat. Zwar wird der Kurznachrichtendienst überwiegend im Reich der Mitte genutzt, doch der Angriff auf die westlichen Märkte gilt angesichts des ausgeprägten Expansionsstrebens als wahrscheinlich. Um sich auch international ein großes Stück vom Kuchen abschneiden zu können, präsentierte Weibo Anfang 2013 erstmals eine englischsprachige Benutzeroberfläche. Im vergangenen Jahr verdreifachte das zum Internetportal Sina gehörende Unternehmen seinen Umsatz auf 188 Millionen Dollar und zählt aktuell 144 Millionen Nutzer. Allerdings tut sich der Mikroblogging-Dienst im Online-Werbemarkt noch schwer und hat zudem mit den hohen Kosten für die Zensuranforderungen der chinesischen Regierung zu kämpfen. Dennoch sollte Twitter gewarnt sein, die rasante Erfolgsgeschichte des hierzulande noch relativ unbekannten Kontrahenten scheint angesichts der zuletzt enormen Wachstumszahlen noch lange nicht beendet zu sein.

Mit gemischten Gefühlen sieht Analyst Jordan Monahan von der US-Investmentbank Morgan Stanley die Zukunft des kalifornischen Unternehmens. In einer erst kürzlich veröffentlichten Branchenstudie betonte Monahan, dass er nach dem jüngsten Kursrutsch kein Abwärtspotenzial mehr zum fairen Aktienwert des Internet-Nachrichtendienstes auf Sicht der kommenden zwölf Monate sehe. Er verwies auf die Kurshalbierung seit Jahresbeginn, so dass die Bewertung nun mit Rivalen wie Facebook vergleichbar sei. Die Aktie bewege sich nach dem Ende der Haltefrist für Investoren zwar weiter im rauen Fahrwasser, behauptete Monahan. Zumal Verkäufe von Mitarbeitern im laufenden Monat den Kurs belasten könnten. Twitter dürfte aber in den kommenden Quartalen die Investorenerwartungen erfüllen. Die ersten drei Monate seien bereits besser als am Markt erwartet ausgefallen, was er als Anzeichen steigender Werbeeinnahmen sieht. Allerdings gelten aus Sicht des Analysten weiterhin Sorgen um die Kundenentwicklung des Internetunternehmens und auch um den Stellenwert von Twitter.

Um in Zukunft endlich Gewinne einfahren zu können, muss sich der Kurznachrichtendienst eine Strategie überlegen, wie sich die vielen Nutzer über Werbung zu Geld machen lassen. Konkurrent Facebook beispielsweise profitiert auf dem Werbemarkt vor allem von den Unmengen an Daten, die die Nutzer über sich preisgeben. So wird das soziale Netzwerk für Kunden zur attraktiven Plattform, da Unternehmen dort gezielt werben können. Bei Twitter hingegen müssen User weitaus weniger Daten angeben. So oder so müssen sich die Verantwortlichen des Mikroblogging-Dienstes etwas einfallen lassen, um dem großen Vertrauensvorschuss der Aktionäre gerecht zu werden und nicht weitere enttäusche Anleger zu verlieren. Ansonsten dürfte man Twitter rückblickend als IT-Blase in Erinnerung behalten, und Larry würde wohl nie wieder fröhlich-beschwingt zwitschern wie zu Zeiten seines spektakulären Börsenganges.

WIM

12.05.2014 | 09:01

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