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Superreich mit Superman

Lange als „Groschenheftchen“ abgestempelt und verpönt, werfen Comics heute phänomenale
Renditen ab. Wie bemisst sich deren Wert? Wo finden sich die größten Schätze? Eine kleine Reise
durch eine Investmentwelt, mindestens so absurd wie Entenhausen.

Wer kennt sie nicht, die Supermans und Batmans, die Donald Ducks, die Lucky Lukes. Die Comic-
Hauptdarsteller von einst waren für Millionen Kinder und Jugendliche einmal das, was heute die
Seriensuperstars auf Netflix sind. Helden ihrer Kindheit. Und ähnlich wie heute das Streaming-Abo,
sahen es Eltern damals oft gar nicht gern, wenn der eigene Nachwuchs mit Superman auf Reisen
ging oder Donald Duck durch Entenhausen begleitete.

Von der Anerkennung als „Kunstform“ jedenfalls hätte das Comic-Heft zu seiner Blütezeit kaum
weiter entfernt liegen können. Hierzulande hielt sich das Interesse ohnehin in Grenzen. Der Comic
war allen voran ein US-Produkt. Daran hat sich bis heute wenig geändert, so richtig über den
Atlantik geschwappt ist die Begeisterung für das Comic-Book nie.

Dafür löst inzwischen etwas ganz anderes Begeisterung aus: Die Helden der Kindheit nämlich
werden immer mehr zu Helden der Geldanlage. Jahrzehnte nach den ersten Zeichnungen ist aus
eben jenen in der breiten öffentlichen Wahrnehmung doch noch Kunst geworden. Und dass Kunst
teuer werden kann, gerade wenn in Niedrigzins-Zeiten Anleger nach Investmentalternativen suchen,
ist hinlänglich bekannt. Zum Sammlerstück ist so manch Comic-Reihe ohnehin längst geworden.
Zwei herrliche Preistreiber also.

3,4 Millionen Dollar für ein Heft

Und dennoch steht einem der Mund offen, wenn man von 3,4 Millionen Dollar liest, die allein der
Erstauftritt von Batman in dem Heft „Detective Comics 27“ aus dem Jahr 1939 inzwischen wert
sein soll. Vor allem, da die Ausgabe ursprünglich gerade einmal zehn Cent gekostet hat. Von
solchen Wertsteigerungen können gar die ersten Apple- und Amazon-Aktionäre nur träumen.
Die irrsinnige Summe für ein Papierheft reicht aber nur knapp zum Titel „wertvollster Comic der
Welt“. Die „Action Comics“-Ausgabe aus dem Jahr 1938, in der wiederum Superman zum ersten
Mal auftreten durfte, wurde 2014 für 3,2 Millionen Dollar versteigert. 2010 lag der Preis noch bei
1,5 Millionen Dollar, was zeigt, wie schnell die Hefte in ihrem Wert steigen können.
Die Betonung liegt auf „können“. Denn ähnlich wie am Aktienmarkt kommt es auf die richtige
Titelwahl an und dazu auf deren Alter – vor allem Erstausgaben sind gefragt – sowie, und ganz
besonders, auf deren Zustand. Populär sollten sie, wenn möglich, ebenfalls sein und am besten nur
in geringer Auflage verfügbar. Auch bei Comic-Investments braucht es also Expertise, einen im
besten Fall langfristigen Anlagehorizont und eine gehörige Portion Spielglück. Um schließlich in
den Besitz der raren Erstausgaben zu kommen, müssen deren Besitzer sie zunächst einmal
verkaufen wollen. Und da es von solchen Heften im Vergleich zu Unternehmensanteilen nicht sehr
viele gibt, braucht es eine Menge Geduld. Oder eben einen glücklichen Fund. 2013 beispielsweise
entdeckte ein Dachdecker in den USA die „Batman“-Erstausgabe in der Isolierung eines Hauses.
Sie machte ihn um 175 000 Dollar reicher. Viel und zugleich wenig Geld. Das gleiche Heft brachte
zur fast gleichen Zeit einem anderen Verkäufer 850 000 Dollar ein. Entscheidend war allein der
Zustand. Dessen Beurteilung ist inzwischen regelrecht zur Wissenschaft geworden.

Ratingagentur für Comics

Was Umsatz und Gewinn bei Konzernen sind, ist beim Comic die Beschaffenheit. In den USA gibt
es zu deren Beurteilung gar eine eigene Ratingagentur, die Certified Guaranty Company (CGC). In
einem Klassifikationssystem, das von „mint“ über „very fine“, „fine“, „good“, „fair“ bis „poor“
reicht, werden die Comics eingeordnet. „Mint“ steht für druckfrisch. Ein Heft in diesem Zustand ist
äußerst selten. Allein ein paar Staubkörner zu viel können schon die Kategorie darunter bedeuten.
Eselsecken und Co gelten ohnehin als No-Go. Heißt: Wer ein Comic-Heft kauft, sollte es auf keinen
Fall lesen. Einschweißen und ab in den Tresor, so muss die Devise eher lauten. Dabei kommt es
auch darauf an, in welcher Sprache es darin landet. Während die „Micky Maus“-Erstausgabe auf
Deutsch gerade einmal 12 000 Euro wert sein soll, kostet sie in englischer Sprache einige
Hunderttausend Dollar.

Am wichtigsten jedoch ist: Comic-Anleger müssen ein Sammlerstück erkennen, bevor es
gesammelt wird – einen Trend vorhersehen also. Darin unterscheidet sich die Geldanlage in Comic-
Hefte nicht sehr von der in Aktien, Gold oder Immobilien. An den Märkten, egal was gehandelt
wird, entscheidet immer die Zukunft. Versteigert werden Comics inzwischen auch über
renommierte Auktionshäuser wie Sotheby’s. Vorbei die Zeiten, in denen dies ein paar speziellen
Börsen quasi vorbehalten war.

Der große Vorteil von Comics liegt in deren günstiger Ausgangsbewertung. Auch wenn neue Hefte
nicht mehr für zehn Cent zu haben sind, kosten sie auch heute meist nur wenige Euro. Wer sich ein
paar ausgesuchte Geschichten in einem Safe deponiert, legt risikoarm an. Das ein oder andere
ältere, womöglich bereits wertvolle Exemplar lässt sich darüber hinaus hin und wieder klassisch auf
dem Flohmarkt finden. Und falls eine Ente draus wird, kann man Bücher und Hefte immerhin
irgendwann selbst lesen. Entenhausen und Co jedenfalls werden auch dank ihrer Entdeckung als
Anlageobjekte so schnell nicht ihren Heldenstatus verlieren.  

Oliver Götz

25.12.2019 | 21:23

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