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Auto1-IPO: Das sind die Risiken

Der Gebrauchtwagenhändler hat einen fulminanten Börsenstart hingelegt. Doch das letzte Jahr lief bescheiden, die Umsätze sanken und von Gewinn keine Spur. Die Hoffnung derjenigen unter den Anlegern, die länger dabei bleiben wollen, lautet: Auto1 besetzt einen Markt, bevor ihn Amazon für sich erobert.

Deutsche Investoren sind in Hochform. Sie haben dem Gebrauchtwagenhändler Auto1 einen fulminanten Börsenstart beschert. Nachdem der Ausgabepreis bei 38 Euro gelegen hatte, startete das Berliner Startup am Donnerstag mit 55 Euro in den Handel an der Frankfurter Börse. Damit wird der Betreiber von wirkaufendeinauto.de mit 11,7 Milliarden Euro bewertet.

Geholfen hat dabei vor allem ein positives Umfeld: Nachdem viele Kleinanleger in der Pandemie und im Home Office den Börsenhandel von zu Hause aus für sich entdeckt haben, nachdem der Zins faktisch abgeschafft und Rendite vor allem mit Aktien zu erzielen ist, und nachdem die Notenbanken offenbar unbegrenzt die Schulden der Staaten finanzieren und damit Liquidität im Markt ist, läuft es an der Börse richtig rund. Die Kurse haben sich ein Stück weit von der Wirklichkeit in den Unternehmen abgekoppelt. Auch Auto1 ist dafür ein Beispiel. Das Unternehmen birgt einige Risiken.

Zum Beispiel, dass es bislang eine eher unbekannte Größe ist, wie der Besuch beim sonst so redselige Gebrauchtwagenhändler auf dem Kiesplatz um Stadtrand ergibt: „Auto1? Nee, kenne ich nicht“, sagt er. Vielleicht liegt es daran, dass der Mann, der sich als „Willy“ vorstellt, mit seinen knapp 20 Autos auf dem Hof, die alle unter 5000 Euro kosten, bislang nicht die Kernzielgruppe ist von Auto1. Aber das soll sich jetzt ändern.

Einen Teil des Geldes, es sollen am Ende 750 Millionen Euro aus dem Gesamterlös des Börsengangs sein, will die Auto1-Gruppe um CEO und Mitgründer Christian Bertermann in Werbung investieren. Die Berliner wollen am Ende auch für die Kiesplatzhändler der Republik ein Begriff sein, wo bisher Autobörsen wie „mobile.de“ und „autoscout24.de“ dominieren. Und das kostet Geld.

Das Augenmerk liegt jetzt auf den privaten Käufern

Knappe Kassen allerdings sind seit dem gelungenen Börsengang des digitalen Autohändlers bis auf weiteres kein Problem mehr. Das Augenmerk richtet sich jetzt vielmehr auf den Ausbau des Geschäftsmodells. Es sieht so aus: Die Gruppe kauft über digitale Kanäle wie „wirkaufendeinauto.de“ Gebrauchtwagen von privaten Verkäufern und von Händlern. Sie verkauft sie ebenfalls an beide Gruppen, wobei hier die Plattform „Autohero“, die Fahrzeuge an Privatpersonen verkaufen soll, noch kräftig ausgebaut wird. Die Verkaufswege an Händler über das Portal Auto1.com funktioniert bereits. Ob die Händler mitmachen, wenn Auto1 die private Konkurrenz befeuert, ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Der Clou aber ist die Plattform selbst, die wie eine Datensammelmaschine funktioniert. Hier laufen Kauf- und Verkaufspreise der Fahrzeuge ein, und das Unternehmen verschafft sich so in einem bislang zersplitterten Markt eine mit jeder Transaktion besser werdende Übersicht über erzielbare Preise in inzwischen 30 Ländern. Im Jahr 2019 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben im Schnitt ein Auto mit 556 Euro Aufschlag weiterverkauft. Der Umsatz pro Fahrzeug belief sich auf 5646 Euro. In den ersten neun Monaten 2020 stiegen die Werte auf 597 Euro Aufschlag pro Auto und einen Umsatz pro Fahrzeug von 6029 Euro. Dies gilt für den Händler-Bereich. Bei den Verkäufen an Privatkunden erwartet Auto1 höhere Zahlen. „Mehr als 1.000 Euro“ soll der Gewinn je Fahrzeug dort betragen.

Der Markt läuft nicht rund

Wie immer liegt in der rosigen Prognose das höchste Risiko. Der Autoverkauf schleppt sich in Deutschland etwas mühsam dahin. Nach Daten der Deutsche Automobil Treuhand war das Jahr 2020 am Gebrauchtwagenmarkt schwierig: Mit rund sieben Millionen Besitzumschreibungen lag die Zahl unter der des Vorjahres. Corona lässt grüßen, dazu kommt der Strukturwandel in der Automobilindustrie: Auch Gebrauchtwagenkäufer schrecken davor zurück, sich noch über Jahre an Autos mit Verbrennungsmotor zu binden, die beim Wiederverkaufswert stark unter Druck geraten.

Das schlägt sich in den Büchern von Auto1 nieder: In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 ging der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr von 2,53 auf 2,05 Milliarden Euro zurück. Im vierten Quartal, für das noch keine Zahlen öffentlich vorliegen, dürfte der neuerliche Lockdown das Geschäft auch nicht wesentlich belebt haben. Die Gruppe verdient neun Jahre nach ihrer Gründung noch keinen einzigen Cent. Bei einem Umsatz von 2,8 Milliarden Euro hat der bereinigte Betriebsverlust (Ebitda) von Auto1 nach vorläufigen Berechnungen laut Börsenprospekt zwischen 14,8 und 15,8 Millionen Euro gelegen. Die bisherigen Eigentümer haben es auch nicht eilig, das zu ändern. Das Geld aus dem Börsengang wollen sie in Wachstum investieren. Die Gewinnzone für das Unternehmen mit seinen gut 4000 Mitarbeitern peilen sie für das Jahr 2024 an.

Die Deutschland AG lässt grüßen

Immerhin könnte das Unternehmen den 600 Milliarden Euro großen Gebrauchtwagenmarkt in der Europäischen Union konsolidieren. Das jedenfalls ist die Hoffnung der Strippenzieher im Hintergrund. Die Altaktionäre – von denen der japanische Tech-Investor Softbank mit 20 Prozent der größte ist – haben über eine Mehrzuteilungsoption weitere sechs Millionen Aktien platziert. Zwei Investoren der ersten Stunde – Sequoia Capital und Lone Pine – kaufen zusammen für rund 300 Millionen Euro Aktien zum Angebotspreis und haben damit vom Börsengang bereits üppig profitiert. Mit Gerhard Cromme hat die Auto1-Group zudem einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der das Bindeglied zwischen dem Berliner Startup und jener nur noch in Puzzlestücken zu erkennenden alten Deutschland AG ist. Cromme leitete Konzerne wie Siemens und ThyssenKrupp bevor er sich aus den operativen Geschäften zurückzog und seither als vielbeschäftigter Multiaufsichtsrat unterwegs ist. Ihm zur Seite steht mit Gerd Häusler an der Spitze des wichtigen Prüfungsrats im Aufsichtsgremium ein altgedienter Fahrensmann der deutschen Finanzwirtschaft, der zuletzt als Vorstandschef der Bayerischen Landesbank eine führende Position bekleidet hatte.

Sie alle haben die gleiche Hoffnung wie die Anleger: Die Auto1 Group soll die Plattform für den Autohandel werden, bevor Amazon auch diese Branche für sich erobert.        

oli

05.02.2021 | 09:59

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