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Die teuerste Stadt

Hongkong: An keinem anderen Ort der Welt sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren so stark nach oben geschossen. Experten sprechen schon von Blasenbildung. Welche Auswirkungen hätte das auf die Finanzmärkte?

Seit 2008 haben sich die Preise für Wohnimmobilien in Hongkong im Schnitt um 120 % verteuert. Der wesentliche Grund für den massiven Anstieg ist die Währungsanbindung des Hongkong-Dollars (HKD) an den US-Dollar. Seit der Kopplung an den amerikanischen Greenback im Jahr 1983 und der damit verbundenen Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik bewegt sich der Hongkong-Dollar in einer engen Spanne um die Marke von 7,8 HKD für 1 US-Dollar. Das Verhältnis spiegelte damals die realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wider und es kam zu einer deutlichen Verbesserung des Freihandels mit dem größten Partner Hongkongs, den USA.

Bereits seit 1997 ist Hongkong jedoch wieder ein Teil Chinas, und die wirtschaftlichen Verflechtungen haben sich dramatisch in Richtung Festland-China verschoben. So ist die ehemalige britische Kronkolonie heute deutlich stärker von den asiatischen Wachstumsmärkten abhängig als von den USA.

Gleichzeitig war und ist Hongkong eine bevorzugte Anlageregion für Emerging-Markets-Investoren aus den Industriestaaten, die aufgrund der Niedrigzinsen in ihren Heimatländern insbesondere in höher rentierliche Immobilien investieren. Zudem strömt viel Kapital von Festland-Chinesen in die Stadt. So haben Chinesen grundsätzlich das Problem, dass nur in China investiert werden darf und sie auf die Anlageklassen Aktien, Immobilien, Gold und Vermögensverwaltungsprodukte beschränkt sind.

Da der Aktienmarkt seit 2007 keine gute Entwicklung zeigt, richten sich die Kapitalströme im Wesentlichen auf Immobilien und Vermögensverwaltungsprodukte. Hier fungierte Hongkong als Ventil. Aufgrund des aufgewerteten Yuan gegenüber dem US-Dollar – und damit auch gegenüber dem Hongkong-Dollar – sowie der günstigen lokalen Kredite ist es für Festland-Chinesen überaus reizvoll, in der chinesischen Sonderverwaltungszone Immobilien zu kaufen. Seitdem die amerikanische Notenbank mit der quantitativen Lockerung ihrer Geldpolitik begonnen hat, haben sich die ausstehenden Immobilienkredite insgesamt um fast 50 % erhöht.

Eindämmung des Booms gelingt nicht

Dabei hat die Regionalregierung auf den Immobilienboom bisher nur unzureichend reagiert. Mangels eigenständiger Geldpolitik versucht man, die Immobilienblase mit neuen Regulierungen und immobilienspezifischen Steuererhebungen einzudämmen. Bisher hat sich der Preisanstieg dadurch aber lediglich etwas verlangsamt, was auch mit einer aktuellen Verengung der Angebotsseite zusammenhängt. So lag die durchschnittliche Verfügbarkeit in den vergangenen Jahren bei 19 000 Wohneinheiten, 2012 waren es aber lediglich 14 000, also über ein Viertel weniger Einheiten.

Für die kommenden Jahre wird nun jedoch mit einer starken Ausweitung gerechnet. Die Regierung will das Wohnraumangebot massiv ausbauen, sodass im Fiskaljahr 2013/14 fast 26 000 Wohnungen hinzukommen könnten. Allein in den nächsten fünf Jahren werden 75 000 neue staatlich geförderte Wohnungen zur Verfügung stehen. In den darauffolgenden fünf Jahren sollen Projekte für weitere 100 000 Wohnungen realisiert werden.

Andererseits wird die Geldpolitik in den USA perspektivisch wieder restriktiver werden und das dortige Zinsniveau steigen. Dadurch ist es für Investoren wieder attraktiver, ihr Kapital in heimische Anlageklassen zu investieren. Eine Umkehr der Kapitalströme wäre die Folge. Durch die Kopplung an den US-Dollar würden sich die Kreditzinsen für Wohnraum in Hongkong erhöhen und die Nachfrage negativ beeinflussen.

Darüber hinaus wird die Ankündigung der chinesischen Regierung, das Schattenbankensystem einzudämmen, wohl zu Kreditrückgängen und -ausfällen führen und die Wirtschaft verlangsamen. Steigen die Refinanzierungskosten an, führt dies zu Pleiten, und Investoren werden wahrscheinlich Kapital aus Hongkong abziehen, um Verluste zu begleichen.

Umkehr der Kapitalströme

Insgesamt droht Hongkong damit eine Umkehr der Kapitalströme bei verringertem Wirtschaftswachstum, was verbunden mit der deutlichen Ausweitung des Wohnimmobilienangebots zum Platzen der Immobilienblase führen kann. Damit wäre ein klassisches „Boom und Bust-Szenario“ entstanden, das auch für andere Emerging Markets Realität werden könnte. Gravierende Kursverluste beim Hang Seng Index wären die Folge, da die Gewichtung von Immobiliengesellschaften recht hoch ist. Letztendlich steht wohl das Wann und nicht das Ob im Vordergrund.

Sollte es tatsächlich zu einem Bust-Szenario kommen, dürfte die Wechselkursanbindung an den US-Dollar noch stärker in die Kritik geraten, als dies ohnehin schon der Fall ist. Der Druck, das System zu verändern, wird weiter steigen. Andererseits sind die Risiken vollkommen flexibler Wechselkurse für kleine Volkswirtschaften sehr hoch. Wie die Beispiele Singapur oder Panama aufzeigen, erscheint eine Wechselkursanbindung oder ein Hybridsystem durchaus sinnvoll, um verstärkte Volatilitäten auszuschließen.

Aufgrund der wirtschaftlichen Nähe zum chinesischen Festland wäre eine Anbindung an den Yuan dabei die wahrscheinlichste Variante. Schließlich geht inzwischen mehr als die Hälfte der Exporte nach Festland-China, und auch die finanziellen Verflechtungen schreiten immer weiter voran. Eine Anbindung ergibt allerdings nur dann Sinn, wenn der Yuan frei handelbar ist. Dies dürfte nicht vor 2015 der Fall sein. Mindestens bis dahin wird die Kopplung an den US-Dollar deshalb erhalten bleiben.

Jörg Rohmann, Chefanalyst bei Alpari Deutschland

04.11.2013 | 10:13

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