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Kommt die Linde AG unter die Räder?

Der Linde-Vorstand verhandelt mit Praxair wieder über einen Zusammenschluss. Bedingung dafür: Vorstandschef Wolfgang Büchele geht mit sofortiger Wirkung, sein Nachfolger wird Aldo Belloni. Die Gespräche über die Megafusion auf dem Markt für Industriegase unter der Führung des Münchner Industriegas-Konzerns waren im September überraschend geplatzt. Nun sind die Vorzeichen geändert.

Aldo wer? Aldo Belloni. Der 66-jährige frühere Linde-Anlagenbauvorstand kehrt dafür eigens aus dem Ruhestand zurück und hat sich bis Ende 2018 als Vorstandchef verpflichten lassen. „Es gibt niemanden, der besser weiß als Aldo Belloni, wie entscheidend in unserer Branche Größe und Wettbewerbsfähigkeit für den langfristigen Erfolg sind“, lobte ihn Reitzle. „Er bringt 34 Jahre Linde-Erfahrung, davon 14 Jahre Erfahrung im Vorstand der Linde AG, mit, und wir haben volles Vertrauen, dass er mit großem Sachverstand das nächste Kapitel unserer Unternehmensgeschichte in unserem Interesse mitgestalten wird.“

Der Aufsichtsrat von Linde wird sich ernsthaft mit dem Angebot aus dem USA befassen, denn der starke Mann im Hintergrund, jedenfalls beinahe im Hintergrund, betreibt den Zusammenschluss massiv. Auf Wolfgang Reitzlers Agenda steht der nun überarbeitete Fusionsvorschlag von Praxair seit langer Zeit, er verfolgt dies Ziel beharrlich. Die Gespräche über die Megafusion waren im September überraschend geplatzt, weil sich beide Seiten nicht über zentrale Fragen wie den Firmensitz, Entwicklungsstandorte und Führungspersonalien einigen konnten.

Vorstandschef Wolfgang Büchele hatte nach dem Scheitern der Fusion seinen Rückzug angekündigt. Ursprünglich wollte er erst Ende April abtreten. Nun aber stellt Büchele sein Amt mit sofortiger Wirkung zur Verfügung. Damit scheidet der gelernte Maurer und studierte Chemiker nach nicht einmal einer voller Amtszeit bereits wieder aus der Position des Vorstandsvorsitzenden aus. Erst am 20. Mai des vorvergangenen Jahres übernahm der Schwabe, den Wegbegleiter als "Alphatier mit Teamgeist" beschreiben, das Ruder bei der Linde AG. 

Zuletzt verordnete Büchele seinem Unternehmen einen harten Sparkurs. Der Konzern soll die jährlichen Kosten bis 2019 um 550 Millionen Euro senken. Experten zufolge könnte das 3.000 bis 4.000 Stellen kosten. Eine erneute Kehrtwende könnte auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verärgern. Ein anderer Insider sagte, eine Wiederaufnahme der Gespräche sei nur dann denkbar, wenn Praxair seine harte Haltung zu den strittigen Punkten aufgäbe.

Es geht um Profit, Profit, Profit

Linde wollte durch den Zusammenschluss, so Reuters weiter, wieder zurück an die Weltspitze im Markt für Industriegase. Die Münchener waren durch die Übernahme von Airgas durch die französische Air Liquide auf Platz zwei abgerutscht. Die Gasebranche ist weltweit stark konsolidiert. Nach einer Fusion von Praxiar und Linde wären nur noch drei große Anbieter übrig. Ein Knackpunkt wäre bei einem solchen Schritt deshalb die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden.

Die Sache hat für Linde einen bedeutenden Haken, wie Reuters darlegt: Praxair und Linde waren an der Börse fast gleich viel wert, als die Fusionspläne im Sommer ruchbar geworden waren. Seither hat sich die Praxair-Aktie besser entwickelt als das Linde-Papier. Praxair kommt auf einen Marktwert von fast 34 Milliarden Dollar, das sind 31,8 Milliarden Euro. Und in München ist man alarmiert, denn Linde kommt nur auf 27,9 Milliarden Euro. Wie kommt das?

Die Amerikaner sind mit knapp zehn Milliarden Euro Umsatz nur halb so groß sind wie Linde, Praxair ist allerdings deutlich profitabler. Büchele hatte Ende Oktober eingeräumt, dass das Scheitern der Fusion der zentrale Auslöser für seinen Abschied gewesen sei. „Es war meine Vision, die Nummer 1 über den Merger zu schaffen. Jetzt ist das ein anderes Spiel, und das ist nicht meine Priorität“, sagte er. Insidern zufolge hatte Finanzchef Georg Denoke hinter den Kulissen gegen die Fusion mit Praxair gearbeitet. Er musste bereits gehen. Was die Megafusion für das Münchner Traditionsunternehmen bedeutet, ist noch offen. Ob viel Münchner Luft in den Gastanks bleibt, ebenso.

07.12.2016 | 16:55

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