Die teuerste Kunst der Welt
Der Kunstmarkt boomt: Auf den Auktionen werden spektakuläre Rekordpreise erzielt. Anleger und Spekulanten drängen auf den Markt.
Am Kunstmarkt ist der Boom ausgebrochen. Die Rückschläge der globalen Finanzmarkt-Krise sind restlos überwunden. Wie an den Aktienmärkten geht es mit Preisen und Umsätzen kräftig aufwärts. Das Auktionsgeschäft globalisiert sich dabei rasant, und immer neue Superreiche investieren lustvoll in teure Kunstwerke. Zumal wegen der niedrigen Zinsen viele Finanzanlagen nur noch Minirenditen versprechen, schnellen die Preise für „Wandaktien“ in Rekordhöhen. Ein Ende ist nicht absehbar. Nach den russischen Oligarchen und arabischen Scheichs sind es nun vor allem reiche Chinesen, die den Markt in Bewegung bringen. Etwa 1 500 Milliardäre gibt es inzwischen weltweit – und sie entdecken das Prestige avantgardistischer Gemälde, Fotoarbeiten und Skulpturen.
Gleich reihenweise sind bei den New Yorker Herbstauktionen die Rekorde gefallen. Christie’s meldete: Binnen zweier Stunden seien Kunstwerke für atemraubende 691,6 Mio. US-Dollar über den Tisch gegangen. Für allein 142,4 Mio. US-Dollar (106 Mio. Euro) mit Aufgeld ist das Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ von Francis Bacon in New York versteigert worden. Damit ist das 1969 entstandene Werk das teuerste, das je bei einer Auktion verkauft wurde. Christie’s hatte auf einen Preis von rund 90 Mio. US-Dollar gehofft. Zugeschlagen wurde das Werk wohl dem New Yorker Kunsthändler William Acquavella. Er soll im Auftrag eines Kunden gehandelt haben.
Der Weltrekordpreis für das Triptychon liegt gut 22 Mio. US- Dollar über dem vor eineinhalb Jahren versteigerten „Schrei“ von Edvard Munch, der bislang das teuerste je versteigerte Bild war. Der Rekord gilt allerdings nur für Auktionen. Außerhalb der Auktionshäuser sollen einige Bilder sogar schon mehr gekostet haben.
Die drei Bilder Bacons zeigen den in Berlin geborenen britischen Maler Lucian Freud. Freud, 1922 geboren und somit 13 Jahre jünger als Bacon, war ein Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud und Malerkollege von Bacon. Beide malten sich mehrfach gegenseitig. Die drei Bilder des Triptychons sind jeweils zwei Meter hoch und fast eineinhalb Meter breit. Sie zeigen den sitzenden Freud – das Gesicht, wie bei Bacon üblich, entstellt und übermalt. Stets ist die Schuhsohle seines auf dem rechten Knie abgelegten Unterschenkels zentral auf den Betrachter gerichtet. Und jedes Mal knetet er seine Hände im Schoß anders. Typisch für Bacon hat er sein Gegenüber auch hier in ein Liniengerüst platziert und dadurch einen Raum im Raum konstruiert.
Abramowitsch zahlt Rekordsumme
Christie’s nennt das Werk „eine der wichtigsten und interessantesten Arbeiten Francis Bacons“. Es sei noch nie zuvor bei einer Auktion angeboten worden. Die einzelnen Tafeln waren viele Jahre getrennt, jetzt wurden sie als Triptychon angeboten. Der bisherige Rekord für ein Gemälde von Francis Bacon war ebenfalls ein Triptychon namens „Trip-tych, 1976“, das auf die antike Prometheus-Sage anspielt. Es wurde 2008 für 86 Mio. US-Dollar vom russischen Milliardär Roman Abramowitsch ersteigert.
Aber auch in der Kategorie der heutigen Zeitgenossen gab es in New York einen neuen Weltrekord, denn der Amerikaner Jeff Koons löste den Deutschen Gerhard Richter als teuersten lebenden Künstler ab. Der „Balloon Dog“ des 58-Jährigen wurde für 58,4 Mio. US-Dollar versteigert. Damit lag der orangefarbene Hund gute 20 Mio. US-Dollar über dem bisherigen Rekord: Im Mai war „Domplatz, Mailand“ von Richter bei Sotheby’s für 37 Mio. US-Dollar verkauft worden.
Jeff Koons ist der popartistische Sohn eines amerikanischen Innenausstatters. Seine Kunstwerke wandeln aufgrund ihrer ironisierenden Wirkung zwischen Kitsch und Kunst. Immer wieder spielt er auch mit den Genres der Produktwerbung und des Designs. Im Jahr 2010 entwarf er für BMW das BMW Art Car, das am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnahm. Im Dezember 2012 gab Philippine de Rothschild bekannt, das Koons das Etikett für den Jahrgang 2010 von Château Mouton Rothschild gestaltet. Und nun gestaltet Koons auch das Cover für das Album „Artpop“ von Lady Gaga.
Nach Christie’s hat auch das Auktionshaus Sotheby’s Rekorde zu vermelden. Der bisherige Auktionsrekord für ein Bild von Andy Warhol ist um mehr als die Hälfte überboten worden. „Silver Car Crash (Double Disaster)“ wurde bei Sotheby’s in New York für 105,4 Mio. US-Dollar (78,7 Mio. Euro) versteigert. Die rechte Hälfte ist jedoch leer. Damit ist es erst das fünfte Bild in der Auktionsgeschichte, das für mehr als 100 Mio. US-Dollar verkauft wurde. Der bisherige Auktionsrekord für ein Werk des 1987 gestorbenen Künstlers lag bei 71,7 Mio. US-Dollar. Dafür war im Mai 2007 „Green car crash – Green burning car I“ verkauft worden. Es zeigt wie das jetzige Rekordbild einen Autounfall, nur in Grün statt in Silber.
Das Bild ist gewaltig: 2,67 Meter hoch und mehr als vier Meter breit; doch die rechte Hälfte ist leer. Auf der linken ist 15 Mal die Reproduktion des Bildes eines Verkehrsunfalls zu sehen. Es stammt aus der „Death and Disaster“-Serie („Tod und Katastrophen“) Warhols. Der Pop-Art-Künstler hatte Anfang der 60er-Jahre vornehmlich Bilder von Katastrophen vervielfältigt.
Das enorme Auktionsergebnis hat Beobachter überrascht, weil die Arbeiten Warhols in jüngster Zeit als nicht mehr so attraktiv eingeschätzt worden waren. Nun ist von einem „Comeback warhols“ die Rede. So wurde „Liz #1“, ein buntes Porträt von Elizabeth Taylor, mit 20,3 Mio. US-Dollar verkauft. Am Tag zuvor hatte ein Bild des Künstlers, das an ein Werbeplakat für Coca-Cola erinnerte, bei Christie’s fast 60 Mio. US-Dollar gebracht.
Einen Verkaufsrekord gab es auch für den 2011 verstorbenen Cy Twombly. Das Bild „Poems to the Sea“ des vor zwei Jahren gestorbenen Amerikaners ging für 21,7 Mio. US-Dollar weg – dreimal so viel wie erwartet. Das dürfte auch die Münchner freuen, denn Twombly ist dort das gesamte Obergeschoss im Museum Brandhorst gewidmet.
Auch ein Bild des Deutschen Gerhard Richter, „A. B. Courbet“, wurde mit 26,5 Mio. US-Dollar fast 10 Mio. US-Dollar über dem Schätzpreis verkauft. Ein herrlicher kleiner Pollock („Number 16“) von 1949 kostete 32,6 Mio. US-Dollar, ein eiförmiges „Concetto Spaziale“ von Lucio Fontana spielte 20,8 Mio. US-Dollar ein. Von den Jüngeren konnte Christopher Wool den Durchbruch in die Spitzenliga feiern. Nicht nur, dass der Amerikaner derzeit mit einer umfangreichen Retrospektive im Guggenheim-Museum geehrt wird (bis 22. Januar 2014). Dessen Textbild „Apocalype Now“ konnte bei Christie’s für den stolzen Rekordpreis von 26,4 Mio. US-Dollar verkauft werden.
13.01.2014 | 08:31