Bürokratie des Brexit belastet
Auch mehr als vier Jahre nach dem Austritt der Briten aus der EU ist von wirtschaftlichen Vorteilen kaum etwas zu sehen. Die Lage verschlechtert sich eher, wie der German British Business Outlook der Beratungsgesellschaft KPMG und der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) zeigt, die BCCG-Präsident Michael Schmidt auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee vorstellte. Danach klagen 52 Prozent der deutschen und britischen Unternehmen über eine schwächere Geschäftslage. Der Anteil der Firmen, für die es erheblich schlechter wurde, stieg im Vergleich zum vergangenen Jahr von neun auf 16 Prozent. Gleichzeitig berichten nur noch sechs Prozent der Firmen über eine bessere Situation. Vor einem Jahr waren es 13 Prozent.
Vor allem Logistikkosten, Zölle und hoher Verwaltungsaufwand belasten die Firmen. Jedes vierte Unternehmen kämpft der Umfrage zufolge mit zusätzlicher Bürokratie. Und sie wird steigen. Das neue Border Target Operating Model wird 34 Prozent aller Firmen betreffen. Es bedeutet zusätzliche Kontrollen und Dokumentationspflichtenunter anderem für Tiere, Pflanzen und Lebensmittel. Zusätzlich erwarten 28 Prozent der befragten Firmen mit weiterer Bürokratie infolge neuer britischer Vorschriften, die EU-Regeln ersetzen sollen.
Dramatischer Rückgang
Die Folge: Geschäft lohnt sich kaum. „Der Rückgang des deutsch-britischen Handelsvolumens ist dramatisch“, sagt Andreas Glunz, KPMG Bereichsvorstand International Business. seit dem Brexit-Referendum 2016 sei es von 38 auf 22 Millionen Tonnen gesunken. Die Inflation habe den starken Rückgang verdeckt. Immerhin: 38 Prozent der befragten Firmen setzten im vergangenen Jahr mehr um, allerdings 36 Prozent weniger. 29 Prozent berichteten von höheren Gewinnen, 39 von geringeren. Mehr als jedes vierte Unternehmen rechnet in den kommenden fünf Jahren damit, dass der Umsatz schrumpft.
„Wir müssen dringend Politik und Wirtschaft beider Länder wieder annähern und Brücken bauen“, sagt BCCG-Präsident Schmidt. „Ich warne vor weiterer Entkoppelung.“ Immerhin einen leichten Lichtblick gibt es. Noch 2021 wollten 69 Prozent der Unternehmen nicht in Großbritannien investieren. Inzwischen sind es nur 48 Prozent. Und auf Sicht von drei Jahren planen sieben Prozent der Firmen, mehr als 250 Millionen Euro zu investieren, vor einem Jahr war es niemand.
Verzicht auf Zollunion
KPMG und BCCG befragten im Februar 173 Unternehmen, darunter deutsche Tochterunternehmen britischer Firmen und britische Ableger deutscher Firmen. 2023 hatten 136 Firmen teilgenommen. Großbritannien ist steht auf der Liste der wichtigsten deutschen Handelspartner nach Umsatz auf Rang 11. Das Land hatte sich 2016 in einer Volksabstimmung knapp für den Austritt aus der EU entschieden. Offiziell vollzogen wurde er am 31. Januar 2020. Auf eine Zollunion oder ähnliches verzichtete Großbritannien.
Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.
18.04.2024 | 16:24