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Das Baerbock-Team ist für Scholz nicht erste Wahl

Ein Blick auf Mannschaft um Außenministerin Annalena Baerbock zeigt – die Grüne hat bei ihren Personalentscheidungen ein Team aus professionellen Diplomaten ausgesucht, das auch im Krisenmodus nicht die Nerven verliert. Die erste heikle Entscheidung hat sie bereits getroffen und zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Die Frage ist jedoch: Harmoniert das Team Baerbock am Ende mit dem Team Scholz?

Von Stefan Groß-Lobkowicz

Die EU setzt sicherheitspolitisch große Hoffnungen in die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Auch wenn die Grüne auf dem politischen Parkett derzeit noch ein wenig unsicher wirkt – ihre Agenda steht: An der Seite Frankreichs will sie Europa weiter zusammenführen und aktuell eine gemeinsame Ukrainepolitik abstimmen. Mit ihrem Vorgänger Heiko Maas (SPD) kündigt Baerbock einen kritischeren Kurs gegenüber Rechtsstaatsverletzern wie Ungarn und Polen an. Und als sicher gilt auch, dass sie in Sachen Menschenrechten sowohl den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den türkischen Despoten Recep Tayyip Erdoğan und den chinesischen Kommunisten-Chef Xi Jinping  nicht aus den Augen lassen wird. Ob die das interessiert, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Dass der grünen Frontfrau hier ein eisig-frostiger Wind entgegenwehen wird, ist aber zu befürchten - zumal vor allem in der Türkei und in Russland eher ein konventionelles Frauenbild gepflegt wird. Da passt eine Grüne überhaupt nicht ins Raster.    

Doch die bislang außenpolitisch unerfahrene Playerin, die von den Grünen eigentlich als Kanzlerkandidatin ins Rennen geschickte worden war, ist nur die Frontfrau, hinter der ein Team von Strippenziehern und Spin-Doktoren steht. Die 41-jährige gilt als starke Netzwerkerin. Sie verfügt über viele Kontakte in die Fraktion und in die Partei hinein und holt sich politischen Rat gern bei erfahrenen Kollegen wie Claudia Roth. Was ihr bislang fehlte, waren außenpolitische Freunde und Strategen.   

Das soll sich nun ändern. Im Wahlkampf 2021 setzte Baerbock auf erfahrene PR-Manager wie Michael Scharfschwerdt der 2005 den Wahlkampf des damaligen Grünen Spitzenkandidaten und Außenministers Joschka Fischer leitete. Auch Andreas Kappler, einst Pressesprecher von Claudia Roth und Cem Özdemir und bei den beiden Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter, galt als Türöffner für einen erfolgversprechenden Wahlkampf. Nicht zuletzt hatte Michael Kellner, Parteimanager, Spindoktor und langjähriger Chef der Bundespartei Routine genug, die Grünen nach vorn zu treiben. Doch es kam anders. Baerbock patzte mit geschönter Vita und einer Publikation, die nur so vor Plagiaten wimmelte. Selbst ihr PR-Profis konnten ihren freien Fall lange nicht aufhalten. Die Zustimmungswerte sanken bei der Ökopartei von weit über 20 Prozent auf knapp 15 Prozent und damit war der Traum von einer grünen Kanzlerin begraben.  

Doch Baerbock ist eine Ausstehfrau, lässt sich so schnell nicht von ihrer Vision, Deutschland in einem der wichtigsten Ämter zu führen, abbringen. In den ersten Tagen als Außenministerin trat die ehemalige Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, die mit ihren zwei Kindern und mit ihrem Mann, dem Politikberater und PR-Manager Daniel Holefleisch, in Potsdam lebt, bereits mächtig aufs Gaspedal. Mit ihrer Einbestellung des russischen Botschafters und der Erklärung von zwei Diplomanten Moskaus zu „unerwünschten“ Personen geht sie bereits in den ersten Tagen auf Konfrontation mit dem russischen Kremlchef. Für Putin ist die Grüne jetzt schon ein rotes Tuch und sein Interesse an einem Treffen mit der außenpolitischen Speerspitze der Ampel-Koalition eher mäßig. Dass Baerbock Moskau nicht fürchtet, daran lässt sie gar keinen Zweifel: Der Tiergartenmord von 2019 war Staatsterrorismus, Richter bestätigten jetzt in ihrem Urteil, dass Russland darin verstrickt war. Das sei, lautet Baerbocks Schlussfolgerung, für die Bundesrepublik nicht zu akzeptieren, deswegen müssen die Diplomaten gehen. Basta!  

Das Amt des Außenministers zählt zu den heikelsten in jeder Politkarriere. Noble Hotels und oft an der Seite der weltweit wichtigsten Lenker und Macherinnen – das ist der glamouröse Schein. Doch darunter ist das Parkett rutschig. Ihr neues Team muss sie dabei stützen. Mit Anna Lührmann, hessische Grünen-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Rheingau-Taunus – Limburg, hat Baerbock eine versierte Außenpolitikerin und Klima-Aktivistin an ihrer Seite. Die ehemalige Juniorprofessorin und Demokratieforscherin an der Uni Göteborg verfügt über Auslandserfahrungen im Sudan und hat bei den Vereinten Nationen gearbeitet. Die 1983 in Lich geborene Politikwissenschaftlerin war von 2018 bis 2020 stellvertretende Direktorin der außenpolitischen Denkfabrik Varieties of Democracy Instituts. Als Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit könnte sie in Zukunft als Weichenstellerin gegenüber Frankreich noch wichtiger werden. Politisch international erfahren ist Lührmann allemal. Notfalls kann sie sich Rat beim früheren deutschen Botschafter Rainer Eberle, ihrem Ehemann, einholen. Der war immerhin von 2014 bis 2017 Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Barcelona.  

Auch die neue Staatsministerin Katja Keul, studierte Juristin, gilt als Brückenbauerin. Die 52-Jährige setzte sich in den vergangenen Jahren für ein föderales Europa und für den europäischen Einigungsprozess ein. Die ehemalige Obfrau des Rüstungs-Unterausschusses war darüber hinaus Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung. Sie kann nun an der Seite von Baerbock die grüne Friedenspolitik sichtbarer machen. Sie dürfte auch die Richtige sein, wenn es um die Vorstellungen der Grünen von einer atomwaffenfreien Welt geht. Schon in ihrem Programmentwurf forderte die Öko-Partei eine sichtbarere Friedensarbeit, Abrüstung und das Verbot, Waffen in Kriegsgebiete und an Diktatoren zu liefern.  

Ein Glücksgriff ist der grüne Verteidigungspolitiker Tobias Lindner, den Baerbock zum Staatsminister im Auswärtigen Amt gemacht hat. Er ist seit 1998 Mitglied bei den Grünen, war Sprecher für Wirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion und gehört ebenfalls als Mitglied zur Europa-Union Deutschland. Wichtiger für Baerbock könnte sein, dass Lindner in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages Ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss war. Als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO verfügt der Grüne auch über beste Kontakte zum Nato-Hauptquartier in Brüssel. Der promovierte Sicherheitsexperte sah zuletzt im Afghanistan-Debakel der USA eine Konzentration „auf eigene sicherheitspolitische Interessen“. Auf diese veränderte Politik des ehemaligen Verbündeten sollten jetzt auch die Nato-Bündnispartner reagieren. Das stimmt auch mit Baerbocks-Nato-Ambitionen überein, die sich im Gegensatz zur Partei „Die LINKE“ jüngst als gute Freundin der Nato präsentierte. Lindner könnte ihre wichtige Schnittstelle zum Nato-Chef Jens Stoltenberg werden.   

Suanne Baumann ist sicherlich die versierteste Staatssekretärin im Baerbock-Team. 1993 trat die Juristin in den Auswärtigen Dienst ein. Seit 1994 arbeitete die 1965 in Singen geborene Wissenschaftlerin im Arbeitsstab „Zukunftsperspektiven Auswärtiger Dienst“. Sie war Ständige Vertreterin in der Botschaft Phnom Penh in Kambodscha, leitete das Koordinierungsbüro der Bundesregierung in Prizren, Kosovo, und arbeitete in der Botschaft Kuala Lumpur in Malaysia. Von 2010 bis 2011 war Baumann politische Beraterin des Leiters des Einsatzführungsstabes des Bundesministeriums der Verteidigung, zuletzt leitete sie die Abteilung für internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle des Auswärtigen Amtes. Für Baerbock ist Baumann die weltweit krisenerprobteste Kollegin, die das Außenministerium wetterfest machen soll.   

Eigentlich hatte Baerbock mit Miguel Berger einen langjährigen Diplomaten mit viel Auslandserfahrung an ihrer Seite. Doch der studierte Volkswirt stand einerseits in der Kritik, weil er die deutsche Botschaft in Kabul beim Sturm der Taliban in diesem Jahr zu zögerlich evakuierte, andererseits war der Mann, der schon unter Ex-Außenminister Heiko Maas diente, zu SPD-nah für die neue Außenministerin. Ersetzt wird er nun durch Andreas Michaelis. Der 62-Jährige begann seine Karriere an der Seite des damaligen grünen Außenministers Joschka Fischer, zunächst als stellvertretender Sprecher, dann als Sprecher, später wurde er Botschafter in Tel Aviv und anschließend Politischer Direktor des Auswärtigen Amts. Bereits vor Berger war Michaelis von 2018 bis 2020 Staatssekretär und sein Vorgänger. Michaelis, der seit Mai 2020 deutscher Botschafter im Vereinigten Königreich war, passt als Personalie besser zu Baerbocks „wertebasierter“ Außenpolitik. Mit ihm hat sie einen Experten, der sich im Brexit-Land gut auskennt, und der bei Verhandlungen mit dem als eigenwillig denkenden britischen Premier Boris Johnson ihr die ein oder andere Brücke schlagen könnte.

Was allerdings Kanzler Olaf Scholz davon hält, wenn ein SPD-Mann seinen Posten bei Baerbock räumen muss, steht auf einem andere Blatt. Es sieht so aus, als seien zwischen der Außenministerin und ihrem Kanzler Konflikte programmiert: Baerbock will China nicht alles durchgehen lassen, Scholz sieht China als wichtiges Exportland, Baerbock will die Gaspipeline Northstream II nicht genehmigen, Scholz hat damit kein Problem. Es knirscht damit bereits vom ersten Tag an im Gebälk dieser Koalition.

20.12.2021 | 11:15

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