(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Alexei Nikolsky/Kremlin Pool)



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Das Kriegs-Quintett - die fünf engsten Vertrauten Putins

In Moskau hat sich ein Führungskreis von eingeschworenen Kriegstreibern versammelt. Vor allem ein alter Geheimbund aus Leningrader KGB-Männern umgibt Putin. Außenminister Lawrow gehört nicht dazu. Dagegen spielt Verteidigungsminister Schoigu eine Sonderrolle.

Russland Präsident Wladimir Putin hat seinen engsten Führungskreis um sich geschart. Als informelles Kriegskabinett planen sie die Aggressionspolitik und steuern die Invasion der Ukraine. Es handelt sich um fünf Männer, die sich seit Jahren persönlich genau kennen. Drei von ihnen vertraut Putin bereits seit frühesten KGB-Tagen in Leningrad. Diese Geheimdienstbruderschaft wird auch „Leningrader Zirkel“ genannt. Wichtig für Putins Politik sind zwar auch loyale Figuren wie der Außenminister Sergej Lawrow (seit 2004 schon im Amt und mit allen machtpolitischen Wassern gewaschen) oder die Chefredakteurin des Nachrichtensenders RT (früher Russia Today), die als oberste Propagandistin Putins auftritt und ihren Sender einmal als „Verteidigungsministerium“ des Kremls pries. Nach der Wiederwahl Putins 2018 erklärte sie gar: “Früher war er einfach unser Präsident und konnte abgelöst werden. Jetzt ist er unser Führer. Und wir lassen nicht zu, dass er abgelöst wird.“

Doch das eigentliche Zentrum der Macht wird derzeit von folgenden fünf Männern gebildet:

Sergei Schoigu: Der Verteidigungsminister befehligt seit 2012 eine der größten Armeen der Welt mitsamt Atomraketen. 2014 organisierte er die militärische Annexion der Krim, nannte diesen Bruch des Völkerrechts schon damals einen Akt der „Friedenserhaltung“, erhielt dafür eine Verdienst-Medaille und wurde mehrfach „Person der Jahres“ in Russland. Schoigu steht Putin seit vielen Jahren nahe und lockt den Präsidenten regelmäßig zum Sommerurlaub in seine südsibirische Heimat nach Tuva, wo die beiden Männer sich gerne mit freiem Oberkörper beim Fischen, Bootsfahren und Jagen austobten. Selbst Pilze sammelten sie gemeinsam.

Schoigu gilt als der Stratege hinter den Einsätzen in Syrien, Georgien, Libyen, Armenien und jüngst in Kasachstan. Nun führt er die Riesenarmee mit ihren 15.000 Panzern in den Ukrainekrieg. Zuweilen wird ihm ein eigenes Interesse am Präsidentenamt nachgesagt. Der Tageszeitung „Moskovski Komsomolez“ gab er vor zwei Jahren überraschend ein ausführliches Interview. Es sei das „erste grosse Interview seit sieben Jahren“, Schoigu wollte es als Startschuss für seine eigenen politisch Ambitionen verstanden wissen. Der Westen, schimpfte er dabei, wolle Russland zerstören. Nur eine starke Armee könne dies verhindern. Russland müsse als belagerte, von Feinden umzingelte Festung, auch nach innen militärisch verteidigt werden. Schoigu wird seither öffentlich immer offensiver. Selbst die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer qualifizierte er als „Grundschülerin“ ab.

Schojgu war bereits Minister in Moskau, als im Kreml noch Boris Jelzin regierte. Innenpolitisch gilt er ebenfalls als Hardliner und einer der Drahtzieher hinter der harten Bekämpfung des Regimekritikers Nawalny. Denn Nawalny hatte auch Schoigu als korrupten Politiker entlarvt und enthüllt, dass der Verteidigungsminister sich eine spektakuläre Immobilie für 21,7 Millionen Euro gebaut hat - ein pompöses Anwesen mitsamt buddhistischer Pagode (Schoigu ist Buddhist, stammt aus der Grenzregion zur Mongolei) und obszönem Luxus. Die Angriffe auf den Bürgerrechtler tragen daher auch Züge persönlicher Rache.

Nikolai Patruschew wird in Moskau als „der Falke der Falken“ bezeichnet. Er gilt als der wichtigste Sicherheitsberater Putins. Beide kennen sich aus Leningrad (heute St. Petersburg) und dortigen KGB-Anfängen. Patruschew genießt Putins geheimbündlerisches Vertrauen. Putin machte ihn zu seinem Nachfolger als Chef des FSB. Seit 2008 führt Patruschew den Sicherheitsrat. Er vertritt die unter alten KGBlern verbreitete Auffassung, dass der Westen die gezielte Absicht haben, Russland zu zerstören. Die USA „wünschen sich, dass Russland am besten gar nicht existieren würde - als Land“, sagte er 2015 in einem Interview. Die Ukraine bezeichnet er als „Protektorat“ des Westens, das jederzeit gewalttätig explodieren könne und eine Flüchtlingswelle von Millionen Ukrainern auslösen werde - so kündigte er die jetzige Krise bereits frühzeitig an. Patruschew betreibt Schatten-Außenpolitik immer noch mit den Instrumenten des KGB und gilt als Drahtzieher einiger Operationen, von der Tötung Litwinenkos bis zum Umsturzversuch in Montenegro. Seine freundliche Seite zeigt er als Vorsitzender des russischen Volleyball-Verbands.

Sergei Naryschkin: Der Auslands-Geheimdienstchef ist der Weltöffentlichkeit kürzlich durch einen bizarren TV-Auftritt bekannt geworden, als er bei einer inszenierten Beraterrunde live ins Stottern kam. Naryshkin ist ehemaliger KGB-Offizier und startete seine Karriere - wie Putin und Bortnikov in Leningrad. Naryschkin folgte Putin ergeben in allerlei Positionen, so als Wirtschaftsbeauftragter 2004, als Kopf von Medvedev Präsidialregierung (2008) und schließlich als Parlamentspräsident  der Duma (2011-2016). Naryschkin gilt als Hardliner und vertritt - wenn es den Interessen Putins nutzt - schon Mals Verschwörungstheorien, so etwa als er in einem Interview zum Regimekritiker Nawalny meinte, in dessen Sache handele es sich um einen westlichen Geheimplan, eine symbolische Opferfigur aufzubauen.

Naryschkin verglich die Regierung der Ukraine mit „Hitlers Besetzung“. Auf die Frage, ob er jemals betrogen habe, sagte Naryschkin einmal dem Interviewer: „Eine Sache beruhigt mich, dass Betrüger entweder bereits in den Fluren der Hölle schmoren oder dies sicher noch tun werden.“ Naryschkin ist Vorsitzender der Gesellschaft für russische Geschichte, die eine Schlüsselrolle in der Legitimation für Putins Aggressionspolitik liefert. Alle russischen Auslandsagenten sind ihm unterstellt, er gilt daher als der bestinformierte Mann Moskaus. Sein Sohn Andrei kaufte sich für einen Betrag von 360.000 € ein sogenanntes „Goldenes Visum“ in Ungarn und durfte sich seither frei im europäischen Schenken-Raum bewegen.

Alexander Bortnikow:
Der Chef des Inlands-Geheimdienstes FSB sichert Putin die Macht nach innen. Der weit verzweigte Geheimdienstapparat hat Russland wie eine brutale Krake im Griff. Bortnikow ist verantwortlich für Terrorismusbekämpfung (und die trifft in Russland jede Menge normale politische Opposition), die Grenzsicherung, Überwachungen aller Arten, auch die groß angelegte elektronische Abhöraktionen und die Verfolgung von Oppositionellen. Seit 2006 hat der FSB unbegrenzten Zugriff auf Datenbanken von Telekommunikationsgesellschaften erhalten. Bortnikow kennt Putin ebenfalls schon seit den Siebzigern, als sie beide beim KGB in Leningrad ihre Karrieren begannen. Die Söhne von Bortnikow und Patruschev sind unter der Patronage ihrer Väter zu einflußreichen Männer im russischen Regierungsapparat herangewachsen. So ist Dimitri Patruschev Russlands Landwirtschaftsminister und Denis Bortnikow der Vize-Präsident und Vorstandsvorsitzender der Staatsbank VTB.

Anton Waino:
Putins Stabschef wurde 1972 in Tallinn (heute Estland) geboren. Sein Großvater Karl Weino war von 1978 bis 1988 erster Sekretär des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Estlands. Weino spricht im engsten Machtzirkel das beste englisch, dazu japanisch. Er ist gelernter Diplomat und war von 1996 bis 2001 in der Botschaft in Tokio. Er kam über das Außenministerium zunächst in die Protokollabteilung des Präsidenten. 2007 stieg er zum Vize-Personalchef und schließlich 2008 zum Protokollchef auf. Innerhalb der Kreml-Organisation steigerte er Jahr für Jahr seinen Einfluss und wurde 2012 stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung. Seit dem 2016 ist er Vorsitzender der Apparates. Zugleich nimmt er ständiges Mitglied im Sicherheitsrat militärpolitischen Einfluss. Er gilt als die graue Eminenz des Kreml - und ist im Tagesgeschäft am nächsten an Putin dran. Wenn Putin eine Beerdigung besucht, steht Waino daneben und hält ihm den Regenschirm.

Wolfram Weimer

25.02.2022 | 14:15

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