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Die Mehrwertsteuer auf Energie muss weg. Nur wie?

Die Gasumlage ist extrem teuer für alle Betroffenen. Um sie etwas abzumildern, soll die Steuer auf Energie sinken. Das jedoch ist einfacher gesagt als getan: EU-Steuerrichtlinien hindern die Regierung daran, beispielsweise einfach die Mehrwertsteuer auszusetzen. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten.

Die Gasumlage, die vom Oktober an alle trifft, die mit Gas heizen, wird teuer: Mit mehr als 400 Euro muss eine vierköpfige Familie rechnen – ohne Mehrwertsteuer. Kommt die Steuer wie immer obendrauf, landet die Beispielfamilie schnell bei mehr als 500 Euro im Jahr. Weil dieser Griff ins Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger Ärger für die Politik bedeutet und durch kein Entlastungspaket aufgefangen wird, ist sich die Ampelregierung ausnahmsweise einig: Die Mehrwertsteuer muss weg.

Das jedoch ist einfach gefordert, tatsächlich aber schwer zu verwirklichen: Denn es widerspricht einer bindenden Richtlinie der EU. Sie lautet: Um die „größte Einfachheit und Neutralität eines Mehrwertsteuersystems“ zu erreichen, müsse „die Steuer so allgemein wie möglich erhoben“ werden und „ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen“ umfassen. Auf deutsch: Ausnahmen sind nicht vorgesehen, und in diese Richtung hat bereits ein Sprecher der EU-Kommission auf das Ansinnen der Deutschen geantwortet.

Was nun? Auf Seiten der Ampelregierung ist jetzt Kreativität gefragt. Es geht darum EU-konform die Gasumlage nicht noch durch Steuer staatlich aufzublähen. Die mögliche Schlagzeile: „Staat verdient Milliarden durch Gasumlage“ zählt sicher nicht zu den angenehmsten Phantasien der Berliner Politiker. Also werden Alternativen geprüft. Folgende drei Möglichkeiten liegen bisher auf dem Tisch:

1) Nur die EU-Mindeststeuer einhalten

Die EU schreibt zwar eine Mehrwertsteuer für alles vor, bei der Höhe jedoch gibt es nur eine Mindestanforderung aus Brüssel: Fünf Prozent darf sie nicht unterschreiten. Alles, was darüber ist, interessiert die Marktwächter der EU nicht. Eine Absenkung auf fünf Prozent finden deswegen einige Politiker gut. „Das Mindestmaß von fünf Prozent sollte genutzt werden“, sagte der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek dem „Handelsblatt“. Ähnliche Stimmen kommen aus der SPD. „Jetzt muss die Steuer zumindest auf fünf Prozent runter. Wir müssen alles tun, um die Umlage möglichst gering zu halten“, sagt SPD-Wirtschaftspolitiker Falko Mohrs.

2) Mehrwertsteuer insgesamt senken

In Deutschland gibt es ein chaotisches System, wonach mal 19 Prozent und mal sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig werden. Ursprünglich waren die sieben Prozent für Dinge gedacht, die absolut lebensnotwenig sind. In der Praxis jedoch herrscht munterer Wildwuchs. Das gern zitierte Beispiel dreht sich um Tomatenmark, das mit sieben Prozent besteuert wird, im Gegensatz zum Tomatenketchup, der mit 19 Prozent besteuert wird. Würde man dem Prinzip der unbedingten Notwendigkeit folgen, müssten Energiepreise mit nur sieben Prozent besteuert werden, was zum Beispiel auch der Chef des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, für Strom seit Monaten einfordert. Auch das wird nun angesichts der gewaltigen Mehrkosten ernsthaft diskutiert. So hält Hannes Walter, SPD-Vize-Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses eine Senkung der Mehrwertsteuer insgesamt für denkbar. Unionsfraktionsvize Jens Spahn fände das auch gut. Zuletzt hatte die bis vergangenes Jahr regierende schwarz-rote Koalition die Mehrwertsteuer in der Pandemie für sechs Monate gesenkt.

3) Energiesteuer verringern

Grundsätzlich unterliegen alle Energieträger der Energiesteuer, die wiederum mit der EU abgestimmt ist. 38 Milliarden Euro fließen dem Staat aus dieser Steuer jährlich zu. Sie kennt zahlreiche Ausnahmen, weil mit ihrer Hilfe die erneuerbaren Energien stärker nach vorne gebracht werden sollen. Wenn die Energiesteuer für Gas wegfiele, wäre der Effekt sogar größer, als wenn die Mehrwertsteuer gestrichen wird. Fraglich ist aber auch da wieder, ob die EU das mitmacht. Allerdings gibt es ein Vorbild für diese Idee: Hinter dem Tankrabatt, der noch bis Ende August gilt, steckt eine Senkung der Energiesteuer auf Treibstoff. Es drohen damit allerdings auch die gleichen Probleme wie beim Tankrabatt: Ob eine Senkung der Energiesteuer beim Verbraucher ankommt, oder ob die Versorger-Konzerne die Differenz als zusätzlichen Gewinn einstreichen, ist ungewiss.

Im europäischen Ausland kämpfen die Regierungen mit dem gleichen Problem. Einige, wie etwa die Niederlande und Belgien haben bereits eine Mehrwertsteuersenkung auf Energieträger beschlossen. Meistens sind diese Regelungen befristet. Polen hatte Gas und Düngemittel komplett von der Mehrwertsteuer befreit, muss das System aber jetzt wegen mangelnder EU-Konformität wieder umstellen.

Oliver Stock

17.08.2022 | 14:13

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