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Die Sparkasse wird zur „Gebaus“-Kasse

Ein Sparkassenpräsident spricht von „zappelnden Kunden“. Einem anderen wird ein Millionengehalt genehmigt, obwohl der Gewinn einbricht. Kunden, die zu viel gespart haben, werden rausgeschmissen, und das Ende kostenloser Konten naht: Der öffentliche Bankensektor steht vor einem Berg von Problemen.

Sparkassen gehören zu Deutschland wie der VW-Bulli, Ludwig Erhard und Dr. Oetker. Während es jedoch den Bulli in sechster Generation gibt, während der ehemalige Kanzler eine marktwirtschaftliche Ordnung mit langanhaltender Halbwertszeit entwarf, und während Dr. Oetker immerhin mit immer neuen Rezepten aufwartet, haben Sparkassen Mühe, Schritt zu halten. Sie stehen für Sicherheit, aber haben in der Krise alle Hände voll zu tun, sich gegen ausfallende Kredite zu wappnen, wodurch sich ihre finanzielle Solidität empfindlich schmälert. Sie stehen fürs Sparen, müssen aber den besonders erfolgreichen Sparern unter ihren Kunden erklären, dass sie sie nicht mehr haben wollen, weil ihnen die Verwaltung ihres Vermögens zu teuer geworden ist. Sie stehen für Bescheidenheit und Bodenständigkeit, zahlen ihren Chefinnen und Chefs aber Gehälter, die das der Kanzlerin kümmerlich aussehen lassen. Dazu kommen hausgemachte Probleme einige ihrer Spitzeninstitute und eine spezielle Umgangsweise mit Kunden.

Wie es in Sachen Risikovorsorge gegen ausfallende Kredite bei den Sparkassen steht, hat der Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, Peter Schneider, jüngst so zusammengefasst: „Wir müssen damit rechnen, dass 2021 aufgrund der Corona-Krise mehr Kunden in Zahlungsschwierigkeiten kommen werden", sagte er. Die Lage einiger Geschäftskunden werde „von Tag zu Tag dramatischer". Wegen der ausgesetzten Insolvenzantragsfrist, so sagte es Schneider und wählte ungewöhnliche Töne gegenüber seinen Kunden, „zappelt gerade noch manch einer, der früher hätte Insolvenz beantragen müssen". Es gebe solche zappelnde Kunden, die seit einem Jahr kaum Umsatz erwirtschaftet hätten, aber weiterhin die Kosten tragen müssten. Er kalkuliert deswegen in diesem und auch im nächsten Jahr mit einer steigenden Risikovorsorge. Die Sparkassen bei den sonst als so solide bekannten Schwaben haben rund 60.000Verträge gestundet. Er sei „hoffnungsvoll“, dass das Risiko „tragbar“ sei, sagt Schneider. Optimismus klingt anders. 

Nicht alle Sparkassen lassen sich gern einzeln in die Zahlen gucken. Von den größeren haben einige bereits übers angelaufenen Jahr berichtet, wie etwa die Sparkasse Bremen, die Risikovorsorge um satte 42 Prozent auf 58 Millionen Euro erhöht hat, und sich so ihre Ergebnis für 2020 ziemlich vermasselt hat. Die noch deutlich größere Hamburger Sparkasse (Haspa) hat ihren Vorsorgeposten gegen ausfallende Kredite von vier auf für ihre Größe vergleichsweisen bescheidene 49 Millionen Euro angehoben. Prompt krachte das Ergebnis, wo das Geld nun fehlt, auf kaum mehr als eine schwarze Null nach unten.

Ausgerechnet bei der Haspa, der größten deutschen Sparkasse, kommen aber hausgemachte Probleme hinzu. Sie hat in ihrem operativen Kerngeschäft – also im Geschäft mit Zinsen und Provisionen – offenkundig Probleme. Beim Provisionsüberschuss hat sie im Wertpapier-Boomjahr 2020 einen Rückgang erlebt, was Beobachter wie Heinz-Roger Dohms, der einen Newsletter für deutsche Banken herausgibt, dazu veranlasst, ihr das zweifelhafte Prädikat „Seltenheitswert bei Sparkassen“ anzuheften. Dohms spricht von „strukturellen Schwierigkeiten“ der Sparkasse, die seit Jahren auch mit Hilfe von Beratern versucht, wieder Fuß zu fassen.

Gar nicht gut passt dazu, dass die öffentlichen Sparkassen, zu deren Eigentümern auch Kommunen und Länder und damit die Steuerzahler gehören, üppige Gehälter an ihr Spitzenpersonal zahlen. Fünf Haspa-Manager erhielten 2019 eine Vergütung von mehr als einer Millionen Euro. Bei einem Manager – wahrscheinlich handelt es dabei um Vorstandschef Harald Vogelsang, was aus den veröffentlichten Unterlagen jedoch nicht klar hervorgeht - waren es sogar zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro. Das wäre etwa das Fünffache von dem, was Kanzlerin Angela Merkel verdient. Nicht nur in Hamburg lohnt sich der Vorstandsjob bei der Sparkasse. 40 der 376 Sparkassen-Chefs in Deutschland verdienen mehr eine Million Euro im Jahr. Dies geht aus den Geschäfts- und Offenlegungsberichten der Banken hervor. Neben den Hamburgern sind die Vorstände der Kreissparkasse Köln traditionelle Spitzenreiter bei den Gehältern. Die Kölner, die ebenfalls im Millionenbereich liegen, müssen ihre Gehälter wie alle anderen Sparkassen in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen. Das dortige Landesgesetz will es so, ebenso wie in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hessen. Die Sparkassen lobbyieren seit dem Bestehen dieser Vorschrift gegen das Gesetz.

Damit jedoch nicht genug: Neben der steigende Risikovorsorge, die alle Banken trifft, neben hohen Gehältern, für die die Sparkassen und ihre Eigentümer zuständig sind, lasten auch die kaum noch existierenden Zinsen auf dem Geschäft der Banken. Die Sparkassen haben allerdings ihre eigene Art, damit umzugehen: So schmeißt die Stadtsparkasse Düsseldorf inzwischen die Kunden raus, die mehr als 250 000 Euro bei ihr gespart haben und nicht bereit sind, auf ihr Guthaben einen Strafzins von 0,5 Prozent im Jahr zu zahlen. 35 Kunden hat es getroffen. Sie wissen jetzt, dass ihre Sparkasse eher als „Gebaus-Kasse“ funktioniert.

Die Düsseldorfer erklären ihr energisches Vorgehen mit einem „präventiven Charakter“. Ansonsten werde das Haus mit Geld geflutet, was hohe Kosten verursache. Denn die Bank muss selbst Negativzinsen von minus 0,5 Prozent für das bei der Europäischen Zentralbank geparkte Geld zahlen. Es tröstet wenig, dass die Düsseldorfer nicht allein sind. Laut einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox berechneten im vergangenen Jahr 244 Geldhäuser in Deutschland Strafzinsen für größere Guthaben. Andere erhoben „Gebühren“ fürs Tagesgeldkonto, was ebenfalls einem Strafzins gleichkommt.

Was kostenlose Konten angeht, sind die Sparkassen ebenfalls kein Vorbild mehr an Kundenfreundlichkeit. Angesichts niedriger Zinsen und schrumpfender Einnahmen rechnet Ulrich Reuter, neuer Präsident des Sparkassenverbands Bayern, mit dem Ende kostenloser Konten und der Ausbreitung von Verwahrentgelten. „In zwei Jahren wird es keine Bank in Deutschland mehr geben, die kostenlose Girokonten anbietet oder – zumindest im Neugeschäft – auf Verwahrentgelte bei großen Summen verzichtet”, sagte Reuter gleich zu Amtsantritt. „Die Negativzinsen zwingen die Branche zu solchen Schritten, da die Einnahmen im Zinsgeschäft wegbrechen.” „Der Virus, der uns mindestens genauso drückt wie der, gegen den es bereits eine Impfung gibt, ist der Niedrigzins”, fügte er hinzu.

Was er allerdings nicht thematisiert, ist, dass diese Entwicklung auf geänderte Ansprüche insbesondere bei jungen Kunden trifft. Das Deutsche Aktieninstitut hat in der vergangenen Woche berichtet, dass immer mehr unter 30jährige mit Aktien handeln – angelockt von Brokern, die ihnen den Handel völlig ohne Kosten anbieten. Unter den Gratisbrokern und selbst unter den Günstigen findet sich keine einzige Sparkasse. Wenn jetzt bei ihnen auch die Girokonten wieder Geld kosten, dürften sie für eine junge Zielgruppe indiskutabel werden. 

Abgesehen dass sie im Vergleich mit Bulli, Erhard und Dr. Oetker schlecht abschneiden, drohen sie damit einen Wert, auf den sie bislang stolz waren, auch noch zu verlieren: Erst 2019 erzielten die Sparkassen eine neue Spitzenposition, bei der Frage nach dem Vertrauen in einzelne Kreditinstitute. Sie nahmen mit 52 Prozent der Bevölkerung, die ihnen Vertrauen schenkten, den ersten Rang ein. Der Anteil war gegenüber 2018 (44 Prozent) noch einmal deutlich gestiegen. Es könnte  jetzt sein, dass der Zenit überschritten ist.

oli

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03.03.2021 | 10:34

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