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Entlastungspaket: Sieben Antworten auf die Frage, warum es so schwer ist, den Bürgern zu helfen

Die Regierung hat ein „wuchtiges“ Entlastungspaket angekündigt. Aber entscheidende Fragen sind noch offen: Woher kommt das Geld? Und vor allem: Wer ist wirklich so bedürftig, dass er Hilfe bekommen muss? Sieben Fragen und Antworten rund um die Frage, was in Deutschland gerecht ist.
 
Bald soll es so weit sein: Die Bundesregierung hat am Ende ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg angekündigt, die Bürger angesichts der stark gestiegenen Energiepreise entlasten zu wollen. Die Arbeit an dem Paket sollen „bald abgeschlossen“ werden. Das ist reichlich schwammig. Deswegen geben wir hier einen Überblick, welche sieben großen Fragen diskutiert werden und welche Lösungen sich abzeichnen:
 
Welche Maßnahmen sind im Einzelnen geplant?
Es gibt verschiedene Vorschläge für Direktzahlungen an Bedürftige. Offen ist aber weiterhin, über welchen Kanal diese an die Menschen fließen kann. Bisher gibt es da lediglich die Option, die Zahlung über die soziale Sicherung laufen zu lassen. Außerdem wird Im Rahmen der Reform des Wohngeldes eine Heizpauschale eingeführt. Offen ist noch, ob es eine Reform der Einkommenssteuer im Rahmen des Entlastungspaketes geben soll. Finanzminister Lindner hatte einen Vorschlag vorgelegt, die die „kalte Progression“ abfedern soll. Der Bundeskanzler ist dafür zu haben, die Grünen aber sind dagegen.
 
Wer profitiert von dem Entlastungspaket?
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, dass die Entlastungen „präzise und maßgeschneidert“ sein sollen. Welche Menschen bedürftig sind und an welchen Kriterien das festgemacht werden soll, wird gerade intensiv diskutiert. Warum das so komplex ist, belegt auch die Tatsache, wie schwer es allein schon ist, zu definieren, wie viele Deutsche als arm gelten – was ja eine Möglichkeit der Definition von Bedürftigkeit wäre: Der Paritätische Wohlstandsverband schrecke im Juli mit der Zahl 13,8 Millionen auf, 300.000 mehr als 2020. Doch die Zahl ist umstritten. Denn als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bekommt. Kritiker sagen, diese Kennziffer sagt zwar etwas über Ungleichheit aus, aber nicht über Bedürftigkeit. Zudem spielt in dieser Rechnung keine Rolle, wie viel Vermögen jemand hat.
 
In welchem Umfang will der Staat den Bürgern helfen und wer finanziert das?
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach von einem „wuchtigen Paket“. Über die Höhe der Hilfen wurde nichts bekannt. Das liegt auch daran, dass noch intensiv diskutiert wird, wer das Entlastungspaket finanzieren soll. Dabei ist die Situation im Bundeshaushalt gemessen an der schwierigen Lage derzeit noch einigermaßen entspannt – dank ordentlicher Steuereinnahmen. Es gäbe laut Lindner Spielraum im einstelligen Milliardenbereich. Diese Summe würde für das Entlastungspaket aber nicht reichen.
 
Woher könnte noch Geld kommen?
Die Suche nach alternativen Geldquellen läuft auch Hochtouren. Die SPD prüft zum Beispiel, den 80 Milliarden Euro schweren Klima- und Transformationsfonds (TKF) anzuzapfen. Die Grünen sind strikt dagegen, den Fonds für diesen Zweck „zu plündern“. Das Finanzministerium hält den Vorschlag für juristisch riskant. Eine Alternative wäre, sich mit einer Übergewinnsteuer etwas von den Konzernen zurückzuholen, die von der Krise profitieren. Da dies juristisch und handwerklich sehr schwierig ist in der Umsetzung, lehnt die Regierung die Übergewinnsteuer bisher ab. Eine Teilalternative ist derzeit aber schon eher wahrscheinlich, nämlich eine von Ökonomen favorisierte Reform des Strommarktes, was zu ähnlichen Ergebnissen führen würde: Eine höhere Steuer auf den Strom, der nicht in Gaskraftwerken gewonnen wird.
 
Gibt es auch ein Entlastungspaket für Unternehmen?
Betriebe leiden genauso unter den hohen Energiepreisen, teilweise sogar noch stärker – auch weil es für sie anders als für Verbraucher kein Recht auf Grundversorgung gibt. Unternehmen beklagen bereits, gar keinen Versorger mehr zu finden, der sie beliefert. Das würde zu einem Stopp der Produktion führen mit entsprechenden Folgen für die Angestellten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die Situation „besorgniserregend“ und kündigte Hilfen an.
 
Was tut die Regierung, um die Energiepreise zu senken?
Wie sich der Gaspreis entwickelt, hängt stark vom Verhalten Russlands ab. Und das ist schwer vorhersagbar. Deshalb sind vor allem die hohen Strompreise im Fokus der Regierung. Derzeit gebe es einen Automatismus, dass hohe Gaspreise auch die Preise für Strom treiben. Das führt dazu, dass auch Anbieter von Ökostrom derzeit mehr verdienen, obwohl ihre Kosten annähernd gleichgeblieben sind. Theoretisch könnte die Regierung das Gas subventionieren, das für die Stromerzeugung eingesetzt wird. Diesen Weg gehen Spanien und Portugal. Vermutlich müsste ein Strompreisdeckel europaweit eingeführt werden, was politisch schwierig ist, denn die Kosten dürften so manchen Staat überfordern angesichts der ohnehin schon hohen Schuldenlast.
 
Wird es eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets geben?
Von Juni bis August wurden die Bürger bei der Mobilität entlastet durch das 9-Euro-Ticket. Eine direkte Nachfolge gab es nicht. Im Gegenteil steigen die Fahrtkosten in vielen Verkehrsverbünden. Nun kam Bewegung in Debatte, ob es einen Nachfolger des deutschlandweiten Tickets geben könnte und woher das Geld kommt. Finanzminister Lindner hat erstmals Unterstützung signalisiert, wenn die Länder mitziehen. Im Detail muss jetzt über die Verteilung der zusätzlichen Kosten eine Einigung erzielt werden. Als wahrscheinlichste Variante gilt derzeit ein Ticket in Höhe von 49 Euro – festlegen will sich darauf aber noch niemand.

Thorsten Giersch

01.09.2022 | 14:54

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