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Karrierealle Jobs


In welchen Branchen besonders viele Menschen gesucht werden

Der Arbeitsmarkt sendet dieser Tage so verwirrende Signale wie noch nie: Unternehmen warnen vor Kündigungswellen, doch auf der anderen Seite verharrt die Zahl der Stellenausschreibungen auf einem Rekordniveau. Wo die Chancen auf Top-Jobs besonders gut sind – und wo nicht.

Deutschland schlittert in die Rezession. Das bedeutet meistens nichts Gutes für den Arbeitsmarkt. So manche börsennotierte Firma hat schon angekündigt, weniger Personal neu einzustellen oder sogar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freizusetzen. Und auch mittelständische Betriebe reagieren auf die gestiegenen Energiepreise mit Arbeitsplatzabbau. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen geben 25 Prozent der mehr als 1000 befragten Unternehmen an, einen Arbeitsplatzabbau in Deutschland zu planen. Im April sagten das nur 14 Prozent. Das ifo Beschäftigungsbarometer fällt im Oktober auf den niedrigsten Wert seit April 2021.

Doch was blüht uns da wirklich? „Wir sehen aktuell einen leichten Rückgang des gesamten Stellenangebotes in Deutschland, allerdings immer noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau“, sagt Annina Hering, Hiring Lab Ökonomin bei der Job-Plattform Indeed. „Wir gehen davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt als robust und resilient erweisen wird.“ Entsprechend sehen die allermeisten Zahlen rund um Jobs derzeit sehr gut aus, zumindest für die, die eine abgeschlossene Ausbildung haben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat für das dritte Quartal 2022 einen Rekordwert bei den offenen Stellen gemessen: 1,93 Millionen. Bei 2,4 Millionen Arbeitslosen kommen rechnerisch auf 100 freie Stellen „nur“ 120 Arbeitslose. Zum Vergleich: 2005 lag dieser Wert bei 1000 – und das waren auch keine wirtschaftlich schlechten Zeiten. „Im Vergleich zu früher hat sich die Arbeitsmarktlage deutlich verbessert und Schwierigkeiten bei der betrieblichen Personalsuche sind in fast allen Bereichen heute wahrscheinlicher“, sagt Alexander Kubis vom IAB.

Es gibt nur wenige Ausnahmen: Lieferdienste wie Gorillas zum Beispiel treten auf die Bremse, und bei einigen weiteren digitale Geschäftsmodellen, die in Lockdown-Zeiten allzu schnell gewachsen sind, stellen die Betreiber fest, dass der Markt in normalen Phasen für so viele Anbieter womöglich zu klein ist. Unterm Strich gilt dennoch: „Der Arbeitsmarkt ist weiterhin auf Rekordniveau. Verglichen mit dem Zeitraum vor Corona verzeichnen wir über 50 Prozent mehr Jobausschreibungen“, sagt Tobias Zimmermann von der Recruiting-Plattform Stepstone. Der Arbeitsmarktexperte erwartet, dass „mittel- und langfristig die Arbeiterlosigkeit die größte Herausforderung für Unternehmen bleiben wird“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden bisweilen sogar dann eingestellt werden, wenn sie aktuell noch keine klare Aufgabe hätten und es gar keine konkrete Stellenausschreibung gibt, die Bewerbung aber so überzeugend ist, dass man sie nicht ziehen lassen will.

Branchenwechsel werden häufiger und leichter

Immer mehr ausgebildete Berufseinsteiger sind nicht auf einen Bereich festgelegt – allen voran Ingenieure. Ein Beispiel, wo auch sie unterkommen, sind Banken: Früher waren die Pfade hier klar gelegt, heute kommen gelernte Physiker, Wirtschaftsingenieure und andere Quereinsteiger in den Hochhäusern der Geldinstitute unter – und das mit Kusshand. Solche Branchenwechsel sind vor allem bei IT-Fachleuten üblich. Das Tätigkeitsfeld bleibt ein Arbeitnehmermarkt – aber man muss hier schon genau hinschauen. Fachleute für Cyber-Sicherheit sind weiterhin stark gefragt, wohingegen einige andere Bereiche etwas abflauen – wenn auch auf hohem Niveau. Immer mehr Organisationen haben die Not zur Tugend gemacht und sich Expertise selbst aufgebaut, anstatt am Markt zu suchen. Wer Stellen ausschreibt, „bekommt oftmals viel weniger geeignete Bewerbungen auf dem Tisch als früher“, bilanziert Alexander Kubis. Dann dauert die Personalsuche entsprechend länger und ein Erfolg „ist für den Betrieb zunehmend mit Kompromissen verbunden“.

In diesen Branchen wird besonders intensiv gesucht

Ein Blick auf Branchen verrät, dass Bildung und Handwerk goldenen Boden haben – ein Trend, der nicht sobald vergehen dürfte. Die Zahl der Stellenausschreibung hat sich laut Stepstone-Daten im September im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als verdoppelt: plus 130 Prozent bei Bildung und plus 105 Prozent beim Handwerk. Noch sieht es auch im Bauwesen sehr gut aus – plus 77 Prozent. Während im Bildungswesen die hohe Nachfrage als langfristig gesichert gilt, muss das rund um Immobilen nicht so bleiben. Auch in der Logistikbranche gibt es eine hohe Nachfrage, hier werden 74 Prozent mehr Stellen ausgeschrieben als noch 2021. Der Maschinenbau hat 53 Prozent mehr Anzeigen geschaltet. In der Gastronomie und Hotellerie sind es 44 Prozent, im Gesundheitswesen 35 Prozent. Hier werden vor allem Ärzte auf dem Land und vielerorts das Fachpersonal in der Alten- und Krankenpflege gesucht. „Unsere alternde Gesellschaft wird in den kommenden Jahren hier zu einem weiter steigenden Bedarf führen“, prognostiziert Alexander Kubis vom IAB.

Trendthemen Nachhaltigkeit und Personal

Gute Chancen haben die, die etwas zum Thema Nachhaltigkeit beitragen können – ein Trend in den allermeisten Betrieben, der in den kommenden Jahren noch zunehmen wird und Menschen mit entsprechendem Wissen erfordert. Die Spannbreite ist dabei riesig: Vom Handwerker, der Wärmepumpen wartet bis zum Wirtschaftsprüfer, der eine ESG-Bilanz testieren kann. Ein weiterer großer Trend ist alles rund um Personalarbeit: Fachleute für Employer Branding werden zum Beispiel gesucht, damit Firmen am Arbeitsmarkt sichtbarer sind. Genauso Experten für Software und andere IT-Lösungen im HR-Wesen. Bei den konkreten Berufen sehen die Fachleute von Indeed neben den genannten ein paar vermeintliche Exoten weit oben auf der Liste der nachgefragtesten Stellen: Tiermediziner zum Beispiel, Gärtner, Fahrer, Forstwirte, Friseurinnen, Kosmetikerinnen oder Psychologinnen.

Auch wenn der Arbeitsmarkt derzeit viele Chancen bietet: Zur Wahrheit gehört laut IAB aber auch, dass 2023 eine Viertelmillion Menschen mehr in Deutschland einen Job haben könnten, wenn Putin die Ukraine nicht überfallen hätte mit all den Folgen. Noch stärker fällt diese statistische Kennziffer aus, wenn die Forscher bis 2024 hochrechnen: Dann hätte es 660.000 Erwerbstätige mehr geben können als ohne Krieg.

Thorsten Giersch

27.10.2022 | 11:15

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