Habeck enteignet das nächste Energieunternehmen
Die deutschen Tochterfirmen des russischen Mineralölkonzerns Rosneft werden zwangsweise verstaatlich. Damit soll die Ölversorgung hierzulande gesichert werden. Ob das gelingt, ist fraglich. Der russische Mutterkonzern schreibt derweilen Rekordgewinne.
Von Oliver Stock / Wirtschaftskurier
In Deutschland wird ein weiteres russisches Energieunternehmen zwangsweise verstaatlicht: Wie die Bundesregierung mitteilte, wird nach dem russischen Gaslieferanten Gazprom Germania jetzt auch die mehrheitlich dem russischen Erdölkonzern Rosneft gehörende Rosneft Deutschland GmbH (RDG) sowie der zu Rosneft gehörende Ölhändler Refining & Marketing GmbH (RNRM) zunächst für sechs Monate unter Treuhandverwaltung gestellt. Wie schon bei Gazprom Germania übernimmt die dem Wirtschaftsministerium unterstellte Bundesnetzagentur die Aufgabe, das Unternehmen zu führen. Sie ist insbesondere berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen und neu zu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen. Sie entscheidet auch über das Vermögen der beiden deutschen Rosneft-Tochterfirmen.
Grundlage für diese Zwangsverstaatlichung eines privaten Unternehmens in Deutschland ist das Energiesicherungsgesetz. Danach darf der Staat eingreifen, wenn er glaubt, dass die Sicherheit der Energieversorgung ansonsten gefährdet sei. Genau das ist nach Meinung des federführenden Wirtschaftsministeriums hier der Fall: Rosneft Deutschland vereint insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und ist damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Allein in Berlin werden die allermeisten Tankstellen mit Treibstoff beliefert, der aus der benachbarten Raffinerie in Schwedt kommt, die wiederum weitgehend von Rosneft abhängig ist. Aufgrund der Sanktionen gegen russische Unternehmen sind zahlreiche Geschäftspartner wie Zulieferer, IT-Unternehmen, Banken und Versicherer nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums aber nicht mehr bereit, mit Rosneft zusammenzuarbeiten. Dadurch sei es fraglich gewesen, ob der Geschäftsbetrieb ohne die Verstaatlichung weiter funktioniert hätte.
Ausschlaggebend dürfte allerdings auch sein, dass die EU vom 1. Januar an möglichst kein russisches Öl mehr einführen will. Die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft führen bislang jedoch jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Wie unter den dann gültigen Voraussetzungen der Betrieb in den drei Raffinerien PCK in Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg) weitergehen soll, ist noch völlig offen. An den drei Raffinerien ist Rosneft beteiligt. Insbesondere in Schwedt, wo eine ganze Region von der Arbeit in der Raffinerie abhängt, herrscht Angst davor, was ohne das russische Öl passieren soll. Das Wirtschaftsministerium kündigte ein „umfassendes Zukunftspaket“ für Schwedt an, das einen „Transformationsschub“ für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.
Rosneft selber trifft die Enteignung der deutschen Tochterfirmen weniger. Zwar leidet der Absatz des russischen Mineralölgiganten unter den Sanktionen westlicher Staaten. Auf dem russischen Binnenmarkt erfreut sich das Öl des Unternehmens jedoch weiter einer starken Nachfrage. Das Unternehmen konnte auch während des Ukraine-Kriegs seinen Gewinn steigern. Er legte im ersten Halbjahr um gut 13 Prozent auf 432 Milliarden Rubel (7,2 Milliarden Euro) zu. Das Ergebnis sei eine sichere Grundlage für eine Zwischendividende und eine weitere Anhebung der Auszahlungen zum Jahresabschluss, sagte Rosneft-Chef Igor Setschin bei der Vorlage der Halbjahresbilanz. Setschin gilt als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Wäre Altkanzler Gerhard Schröder noch Aufsichtsrat bei Rosneft, hätte er voraussichtlich davon profitiert. Er hat das Gremium jedoch inzwischen verlassen.
Beim Absatz machen sich zunehmend sanktionsbedingte Probleme bemerkbar. So teilte Rosneft zwar mit, den Verkauf von Öl um 5,7 Prozent gesteigert zu haben. Dies geht aber vor allem auf den russischen Binnenmarkt zurück, wo Rosneft seinen Absatz verdoppeln konnte. Der Export wird zunehmend von den Strafmaßnahmen beeinträchtigt. An Rosneft ist auch der britische Ölkonzern BP beteiligt, der 19,75 Prozent der Aktien hält. Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist BP allerdings aus Gemeinschaftsprojekten mit Rosneft ausgestiegen, hat seine Vertreter aus dem Vorstand abgezogen und seinen Anteil an dem Konzern als Verlust abgeschrieben.
16.09.2022 | 11:27