(Foto: techem)



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Heizungsableser zu verkaufen

Die bisherigen Eigentümer von Techem wollen den Energiedienstleister loswerden. Kostenpunkt: acht Milliarden Euro. Ein stolzer Preis angesichts schmaler Umsatzsteigerungen in den vergangenen Jahren. Aber schließlich profitieren auch die Stromableser von den Energieeinsparbemühungen. Es könnte also einer der größten Deals in Europas Privat-Equity-Branche werden. Auch ein Börsengang ist möglich.

Von Oliver Goetz

Häufig steht Techem oder Ista drauf. Das eher unbeliebte Infoblatt, welches die jährliche Heizungsablese ankündigt und mit teuren Sonderzahlungen droht, sollte zum angegebenen Zeitpunkt niemand in der Wohnung sein, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem dieser beiden Unternehmen an die Eingangstüre geklebt. Techem und Insta kontrollieren gemeinsam über 50 Prozent des Marktes für Energiedienstleistungen dieser Art in Deutschland. Beide können deshalb hohe Preise durchsetzen und erzielen stattliche Renditen, vor ein paar Jahren hatte sich sogar das Bundeskartellamt eingeschaltet. Was Mietern ein Ärgernis ist, die Ablese kostet gern mal zwischen 50 und 100 Euro, ist unter Finanzinvestoren über die Jahre zum gefragten Gut geworden. Denn nicht nur die Gewinnmargen sind hoch, vor allem sind die Umsätze stabil.  Und sichere, wiederkehrende Einnahmen sind stets ein starkes Argument für eine ebenfalls beständige und stabile Rendite.

So wechselten Ista und Techem in der Vergangenheit schon öfter den Besitzer. Ista beispielsweise war viele Jahre lang in der Hand des Finanzinvestors CVC, ehe das Unternehmen 2017 für rund 4,5 Milliarden Euro an CK Infrastructure und Cheung Kong Property Holdings aus China ging. Techem gehört seit 2018 der Schweizer Partners Group. Die Private-Equity-Gesellschaft hatte damals gemeinsam mit den kanadischen Pensionsfonds Caisse de Depot et Placement du Quebec und Ontario Teachers Pension Plan, sowie einem Macquarie-Fonds, 4,6 Milliarden Euro für Techem bezahlt. Zuvor hatte es allein Macquarie gehört. Nun wirf die Investorengruppe das Unternehmen aus Eschborn erneut auf den Markt und hat sich eine Bewertung von rund acht Milliarden Euro ausgerechnet. Bei einem Erfolg wäre es einer der größten Private-Equity-Deals des laufenden Jahres. Auch ein Börsengang scheint möglich. Berichtet hatte darüber zuerst die Nachrichtenagentur Bloomberg. Von den beteiligten Investoren gab es bislang keine Stellungnahmen. Von Bloomberg hieß es jedoch weiter, dass Ende des Jahres der Prozess dazu eingeleitet werden könnte, Banken hätten mit Blick auf die Begleitung der Transaktion wohl bereits vorsprechen dürfen.

Für die Investorengruppe rund um die Partners Group wäre es ein hübscher Deal. Das Thema Energie- und Wärmeversorgung ist aktuell omnipräsent. Techem bietet auch Energiemanagementsysteme und Effizienzdienstleistungen an, ein Wachstumsfeld über das eher konservative Ablese-Geschäft hinaus. Doch auch in diesem bietet die Funktechnologie noch Potenziale. Aktuell rechnet Techem zirka 48 Millionen Geräte ab, 28 Milionen davon per Funktechnologie. In den kommenden Jahren dürfte der Anteil stetig zunehmen. Das beschleunigt den Prozess und spart Kosten. Konkurrent Ista hat beispielsweise das Ziel ausgegeben, bis 2025 50 Millionen Geräte per Funk anzubinden.

Was die Branche anbelangt, scheint gerade also ein guter Zeitpunkt, um Techem ins Schaufenster zu stellen. Das Marktumfeld insgesamt ist hingegen so ungemütlich wie lange nicht. Börsengänge sind aktuell rar gesät. Im ersten Quartal 2023 hat sich das weltweite Emissionsvolumen einer Auswertung von Ernst & Young (EY) zufolge mehr als halbiert. In Deutschland gab es in den ersten drei Monaten des Jahres zwei IPOs, der des deutschen Webhosters Ionos und der der Investmentgesellschaft Neon Equity. Auch das Geschäft mit Übernahmen ist mehr oder weniger am Boden. „Im aktuellen Umfeld ist es viel schwieriger geworden, Geld einzusammeln. Unternehmen wechseln weniger schnell den Besitzer, weil es teurer geworden ist, die Transaktionen zu finanzieren“, sagte Hartley Rogers von der Investmentgesellschaft Hamilton Lane gegenüber der NZZ. Der Zinsanstieg lässt grüßen. Geld ist nicht mehr für fast umsonst zu haben, womit viele Investoren genauer prüfen, in welche Unternehmen sie ihr Vermögen oder das ihrer Kunden stecken. Zudem gibt es sicherere Alternativen, wie Staatsanleihen oder schlicht Festgeldangebote der Banken, die inzwischen bei minimalem Risiko wieder solide Renditen bringen.

Warum die Investoren rundum die Partners Group einen Verkauf von Techem also gerade jetzt anstreben, bleibt im Ungefähren. Zu dem Pluspunkt, dass der Branche gerade einiges an Aufmerksamkeit zu Teil wird, gesellt sich womöglich auch eigene Unzufriedenheit. Denn wirklich überzeugende Wachstumsraten konnte Techem in den zurückliegenden Jahren nicht liefern. 2021 lag der Umsatz bei 818,6 Millionen Euro. 2017 lag er aber auch schon bei 782,7 Millionen Euro und 2011 bei 731 Millionen Euro. Auf Zehnjahressicht entspricht das einer Umsatzsteigerung von rund elf Prozent. Wie viel davon zuletzt als Gewinn hängen blieb, ist ungewiss.

Techem nun also mit einer doppelt so hohen Bewertung, wie einst beim eigenen Kauf, auf den Markt zu werfen, ist mutig. Fakt ist: Techem könnte bald erneut den Besitzer wechseln. Damit setzt sich der Trend fort, dass die beiden größten Heizungs- und Wasser-Ablesedienstleister in Deutschland zwischen Private-Equity- und sonstigen Investoren hin und her geschoben werden. Für die Kunden dürfte es damit kaum billiger werden.



29.05.2023 | 15:41

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