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Jetzt kommt das große Belastungspaket

Das, was eigentlich Entlastungspaket hieß und für September 300 Euro mehr für fast jeden versprach, entpuppt sich als bürokratisches Monster vor allem für Arbeitgeber. Dazu kommt eine Gasumlage, die alle ab Oktober bezahlen müssen und die sämtliche Entlastungsversuche zunichte macht.
 
Entlastungspaket, Gasumlage, nächstes Entlastungspaket - und was kommt bei den Menschen an? Ganz sicher höhere Ausgaben als Einnahmen und jede Menge Bürokratie. Statt Entlastung geht es um Belastung, auch wenn Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck, dieses Männertrio an der Regierungsspitze, derzeit versuchen, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise nach Kräften zu managen. Der Erfolg ist jedoch mäßig. Wären die drei im Vorstand eines Unternehmens, könnte es gut sein, dass Aufsichtsrat und erboste Kunden jetzt für ihren Abgang sorgen würden.
 
Denn in diesen Tagen fallen drei Themen zusammen, die allesamt Unmut heraufbeschwören: Am Montag wird sich herausstellen, wie hoch die sogenannte Gasumlage sein wird, das Geld also, das die Versorgungsunternehmen ihren Kunden zusätzlich und entgegen anders lautender langfristiger Lieferverträge aufbrummen, weil sie selbst das Geld fürs immer teurere Gas nicht mehr aufbringen können. Wenige Tage später dann, mit dem Gehaltszettel für September, erhalten Arbeitnehmer und Angestellte brutto 300 Euro mehr Lohn aus dem Entlastungspaket II. Und schließlich, weil die Regierung weiß, dass das eine das andere nicht aufwiegen wird, sind für nächste Woche weitere konkrete Schritte für das dritte Entlastungspaket angekündigt.
 
Doch der Reihe nach. Russlands Krieg gegen die Ukraine führt zu Verwerfungen auf den Energiemärkten. „Russland setzt Energie als Waffe ein und ist kein zuverlässiger Energielieferant“, stellt das von Habeck geführte Wirtschaftsministerium fest. Seit Mitte Juni haben russische Lieferanten weniger Gas geliefert als vereinbart. Gasimporteure müssen nach Ersatz suchen und die Lieferausfälle zu hohen Preisen kompensieren. Die zusätzlichen Kosten können sie aufgrund vertraglicher Regelungen häufig nicht an Kunden weitergeben. Das hat für die betroffenen Gasimporteure erhebliche Verluste zur Folge, die einige nicht mehr decken können. Uniper ist deswegen bereits als Rettungskandidat vom Staat aufgefangen worden, weil ansonsten die Versorgungssicherheit in Frage steht. Ein eilig auf den Weg gebrachtes geändertes Energiesicherheitsgesetz schafft deswegen jetzt die Möglichkeit, die Zusatzkosten, die beim Einkauf von Ersatzgas anfallen, mittels einer Umlage auf Gasverbraucher zu verteilen. Die monatlich abgerechnete Umlage soll ab 1. Oktober 2022 bei allen Gasverbrauchern erhoben werden und endet voraussichtlich am 1. April 2024. Wie hoch die Umlage ist, soll am Montag bekannt werden. Schon jetzt warnt das Wirtschaftsministerium: „Die finanzielle Belastung durch die Umlage ist erheblich. Es werden zusätzliche Kosten von mehreren hundert Euro auf die Haushalte zukommen.“
 
Politisch nicht ungeschickt hat deswegen die Regierung im Mai beschlossen, kurz bevor die Gasumlage die Bürger belastet, ihnen Geld zu schenken und zwar 300 Euro für jeden, der arbeitet. Allerdings hat dieses Geschenk zwei Schönheitsfehler: Das Geld muss versteuert werden, bei den meisten kommt weniger als zwei Drittel davon wirklich an. Und das Geschenk ist mit einem bürokratischen Aufwand verbunden, der seinesgleichen sucht. Auf den Informationsseiten des von Christian Lindner geführten Finanzministeriums finden sich inzwischen Fragen und Ausführungsbestimmungen für die Verteilung des Geldgeschenks, die täglich länger werden: 64 solcher Bestimmungen, die Details regeln, an die vorher nicht alle gedacht hatten, sind es bis heute.
 
Es geht beispielsweise darum, wie Selbständige an das Geld kommen. Sie erhalten jetzt alle einen neuen geänderten Steuerbescheid für ihre Vorauszahlungen ans Finanzamt, die um 300 Euro niedriger ausfallen dürfen. Wenn sie dann die Endabrechnung fürs Steuerjahr 2022 machen, müssen sie diese niedrigere Vorauszahlung aber als „sonstige Einkünfte“ versteuern. Minijobber erhalten das Geld steuerfrei, aber nur wenn sie von dem Minijob leben, was der Arbeitgeber prüfen muss. Wer in Mutterschaft ist, erhält das Geld, aber auch hier nur wenn sie auch Mutterschaftsgeld erhält. Und wer angestellt ist, aber nebenbei auch selbständig arbeitet, erhält das Geschenk doppelt, macht sich aber strafbar, falls er es nicht auch doppelt versteuert. So treibt diese Form der Entlastung bürokratische Blüten ausgerechnet in jenem von der FDP geführten Finanzministerium, dessen Chef gegen jede Form zusätzlicher Bürokratie angetreten ist.

Weil die Regierung ahnt, dass dieser Teil des Entlastungspakets II vor dem Hintergrund der kommenden Gasumlage mehr Ärger als Freude macht, will sie ein weiteres Entlastungspaket auf die Reihe bringen. Nach den Vorstellungen von Scholz, Habeck und Lindner enthält es mindestens folgende Punkte: Für Bedürftige soll es vom 1. Januar 2023 ein höheres Wohngeld geben. Die bisher Hartz IV genannte Unterstützung heißt dann Bürgergeld und soll auch erhöht werden. Mieter, die ihre Nebenkosten nicht zahlen können, sollen geschützt werden. Und Unternehmen, die wegen Energiepreisen mit dem Rücken an der Wand stehen, können unter einen staatlichen Schutzschirm schlüpfen, der ihnen Zuschüsse, günstige Kredite und Bürgschaften verspricht. Von Finanzminister Lindner kommt der Vorschlag, die kalte Progression, die mitunter Brutto-Lohnerhöhungen netto zu einem Verlust für die Arbeitnehmer macht, abzumildern und bei den Grünen würde man liebend gern das Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr über den August hinaus verlängern, weiß aber auch nicht, wie sich das bezahlen ließe.

Unterm Strich bleibt das Fazit: Das tägliche Leben wird deutlich teurer, wofür vor allem eine völlig verkorkste staatlich initiierte Energieversorgung verantwortlich ist, deren Folgen sichtbar werden, seit sich das russische Regime vom Geschäftspartner in Sachen Energielieferung zum Gegner entwickelt hat.
 
Oliver Stock

12.08.2022 | 16:00

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