Will es mit 64 Jahren noch einmal wissen: Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh wechselt an die Traton-Spitze.



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Macher der Woche: Bernd Osterloh

So geht Frieden bei VW: Der Konzernbetriebsratschef wechselt an die Spitze der VW-Tochtergesellschaft Traton, die für das Geschäft mit Lastwagen zuständig ist. Konzernchef Herbert Diess hat sich damit im Machtkampf durchgesetzt. Der Wandel bei VW zu einem Softwarekonzern auf Rädern dürfte sich beschleunigen. Dies ist die gute Nachricht für Aktionäre.

Der Klassenkampf ist vorbei. Für alle diejenigen, die vielleicht noch in dem Muster: „Hier Arbeiter, dort Manager“ gedacht habe, ist anlässlich einer Spitzenpersonalie von heute klar: Die alten Grenzen gelten längst nicht mehr: Betriebsräte sind Manager, und als solche können sie auch problemlos ihr Betriebsratsbüro gegen die Vorstandsetage tauschen. Einer, der diesen Wechsel jetzt angekündigt hat, ist bisher Deutschlands mächtigster Betriebsrat: Bernd Osterloh stand 16 Jahre an der Spitze des VW- Konzernbetriebsrats und vertrat damit die Interessen der rund 660 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jetzt wechselt er die Seiten. Als Vorstand, der für das Personal zuständig ist, zieht er an die Spitze der Münchner VW-Tochter Traton. Traton baut unter Markennamen wie MAN und Scania schwere Lastwagen. Osterlohs neues Gehalt soll nach Angaben des „Handelsblatts“ bei zwei Millionen Euro im Jahr liegen.

Mit Osterloh geht einer der letzten Vertreter der noch von Ferdinand Piech im Aufsichtsrat und Martin Winterkorn im Vorstand geprägten Machtstrukturen bei VW, die eine Kultur im Unternehmen zuließen, die letztlich den Dieselskandal ermöglicht hatte. Aus der alten Garde ist nun noch Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch übrig, der als damaliger Finanzchef unter Winterkorn stets beteuert hat, vom Dieselskandal nichts geahnt zu haben. Nach mehreren Wechseln im Vorstand landete der jetzige Konzernchef Herbert Diess an der Spitze von VW, der sich in den vergangenen Monaten einen Machtkampf mit Osterloh geliefert hatte. Auslöser war der von Diess geforderte schnelle Umbau des Konzerns in Richtung eines Mobilitätsanbieters, der die Elektromobilität in den Vordergrund stellt und Autos eher als eine Art Software auf Rädern begreift. Lange hatte es danach ausgesehen, als könne Osterloh den von Diess eingeschlagenen Kurs mit Blick auf die Arbeitsplatzsicherung aufhalten. So verlor Diess im vergangenen Jahr die Zuständigkeit als Vorstand für die Kernmarke VW. Der Machtkampf verzögerte Projekte wie die Fertigstellung neuer E-Auto-Modelle. Inzwischen hat Diess aber einen Lauf: Der Umbau ist in Gang gekommen und Anleger honorieren die Veränderung, in dem sie die VW-Aktie inzwischen um rund ein Drittel höher bewerten als noch vor einem halben Jahr. Die Spitzenpersonalie, die VW heute bekanntgab, hatte allerdings keinen Einfluss auf den Aktienkurs.

Er will es noch einmal wissen

Die Personalie wird mit den üblichen Glückwünschen und Kommentaren versehen. Der 64jährige Osterloh selbst sagt, er wolle es nochmal wissen: „Ich will noch einmal unternehmerisch gestalten und in den nächsten Jahren ganz konkret mit meiner Arbeit im Vorstand dazu beitragen, dass die Traton SE ihren Weg zu einem ’Global Champion’ in der Nutzfahrzeugbranche erfolgreich meistert.“ Pötsch dankte Osterloh artig für seine langjährige Arbeit in dem Kontrollgremium. „Er hat wichtige strategische Schritte zur Weiterentwicklung des Konzerns und bei der Transformation mitgetragen.“ Die Familien Porsche und Piëch, die die Mehrheit an Volkswagen halten, erklärten mit leiser Kritik, es verstehe sich von selbst, „dass wir als Anteilseigner im Aufsichtsrat von Volkswagen bei bestimmten Themen andere Schwerpunkte setzten als Herr Osterloh als Betriebsratsvorsitzender“. Jetzt erwarteten sie, dass Osterloh „einen entscheidenden Beitrag bei der laufenden Restrukturierung im Traton-Konzern leisten wird.“ Und Widersacher Diess gibt sich versöhnlich, wobei er die Spuren des Machtkampfes nicht ganz verwischen kann: Osterloh habe „das Management konstruktiv hinterfragt“ und damit immer wieder geholfen, am Unternehmensinteresse orientierte Lösungen zu finden.

Daniela Cavallo soll Osterloh folgen

Die sichtbarste Veränderung für eine neue Kultur im Konzern ist, dass auf den alten Haudegen nun eine junge Florettfechterin folgt: Osterlohs bisherige Stellvertreterin Daniela Cavallo übernimmt sein Amt. 1975 als Tochter italienischer Gastarbeiter in der VW-Stadt Wolfsburg geboren steht sie seit zwei Jahren mit an der Spitze des Konzernbetriebsrats. Kollegen erzählen, dass die auftrumpfende und wortgewaltige Art Osterlohs nicht ihr Ding, sie in der Sache aber genauso unnachgiebig sei. Wahrscheinlich liegt in dieser Personalie der wahre Wechsel: Bei VW ging es schon lange nicht mehr um Klassenkampf. Eine größere Vielfalt in der Denkweise der Entscheider allerdings könnte dem Konzern am Ende guttun.

Oliver Stock

23.04.2021 | 12:45

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