Kommt Wegner, kommt auch ein Law-and-Order-Mann mit klingenden Namen in Berlin an die Macht
Der siegreiche CDU-Kandidat Kai Wegner kämpft jetzt in Berlin um die Macht. Er hat einen möglichen Innensenator an seiner Seite, der schon wegen seiner Herkunft für die linke Regierung eine Zumutung wäre. Wegner selbst gibt sich sozialliberal und als Anwalt der einfachen Menschen.
Es war wie ein ungebetenes Geschenk für ihn in den letzten Stunden der Entscheidung: Als gestern die Berliner abstimmten, ob sie Kai Wegner von der CDU lieber als Oberbürgermeister sehen wollten, oder Amtsinhaberin Franziska Giffey von der SPD, sickerte gerade die Nachricht vom nächsten Berliner Justizskandal durch: Ein verurteilter drogenabhängiger Verbrecher und Mitglied eines Clans, der einen Geldtransport überfallen und Wachmänner niedergeschlagen hatte, war mehr oder weniger aus Versehen freigelassen worden, weil sich kein Therapieplatz fand, um ihn von seiner Drogensucht zu heilen. Kaum in Freiheit hatte er sich Richtung Türkei aus dem Staub gemacht. Wer bis dahin noch unentschlossen in seiner Wahl war, hat sein Kreuzchen anschließend bei Kai Wegner oder weiter rechts gemacht. Denn Wegner will so etwas abstellen. Zu seinem Programm gehört eine „Sondereinheit Clans“, die dieser Sorte von Kriminellen das Leben und Klauen erschweren soll. Gelingt ihm die Regierungsbildung soll sein dafür zuständiger Innensenator Burkhard Dregger werden, dem Zucht und Ordnung schon in die Wiege gelegt waren. Er ist Sohn des einstigen CDU-Granden Alfred Dregger, genannt der „Stahlhelmer“, weil er dem nationalkonservativen Flügel der Partei vorstand.
Die scharfen Töne allerdings überlässt Wegner dem anderen. Er selbst steht da, wo die anderen CDU-Wahlsieger der vergangenen Monate auch zu finden sind: Hendrik Wüst etwa aus Nordrhein-Westfalen, oder Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Beide sind sie innerhalb der Union eher auf der christlich-sozialen Seite als auf der konservativen zu finden. Und da steht auch Kai Wegner. Mehr als 15 Jahre lang saß er für die CDU im Bundestag, wo er baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion war, ein unauffälliger, wie er wahrscheinlich selbst einräumen würde. Zeitgleich arbeitete der gelernte Immobilienkaufmann an seiner Karriere in der Hauptstadt-CDU: Sein Einstieg in die Berliner Landespolitik hatte einen Hauch von Putsch. Im Mai 2019 drängte der damalige Bundestagsabgeordnete und Stellvertreter der Berliner Parteivorsitzenden Monika Grütters seine Chefin aus dem Amt. Sie hatte für Modernität und Diversität geworben, er hatte Berliner Stallgeruch dagegengehalten und sich durchgesetzt.
Wegner argumentiert schlüssig aus einer sozialpolitischen Perspektive der kleinen Leute. Höhere Parkgebühren belasten kleine Einkommen, hohe Öko-Abgaben und Energiepreise, eine falsche Mietpolitik - immer seien es die einfachen Leute, die für ideologische Fehler linker Politik den Preis zu zahlen hätten. Aufgewachsen ist er als Sohn einer Verkäuferin und eines Bauarbeiters in einer Ecke Spandaus (Hakenfelde), in dem die Menschen selten besonders viel auf der hohen Kante haben, aber es waren „liebevolle Verhältnisse", wie er selber sagt. Die Familie habe nicht viel, aber doch ausreichend Geld gehabt. Bis eines Tages eine Mieterhöhung eintrudelte und man umziehen musste. Diese Erfahrung, so Wegner, habe ihn tief geprägt. „Ich weiß, wie es den Menschen geht, deren Mieten steigen, die fürchten, es sich nicht mehr leisten zu können", sagt er und trifft mit seiner Legendenbildung den Nerv einer Stadt mit gescheiterter Mietpreisbremse.
Einen frechen großstädtischen Wahlkampf hat er geführt. „Berlin, Du musst endlich funktionieren" und "Berlin feiern, Senat feuern", lauten die zentralen Slogans, mit denen die Union Wechselstimmung entfachte. Ein bisschen Rückenwind kann dazu. Die Ampelregierung hat derzeit schlechte Umfragewerte, die CDU ist unter Friedrich Merz dagegen stabil. Wegner hat in etwa das an Stimmen geholt, was die Union derzeit laut Umfragen auch bundesweit einfahren würde. In Berlin ist das allerdings schon eine Leistung, die auch dadurch nicht geschmälert wird, dass die Wahl eine Wiederholung war, weil sie vor anderthalb Jahren unter der Ägide des jetzt noch amtierenden Senats wegen lauter Pannen nicht anerkannt wurde.
Wegner sieht aus wie einst Walter Momper, der regierende Bürgermeister, über den die Wiedervereinigung hereingebrochen war, und gilt als zäher Kämpfer. Die „Berliner Zeitung" nennt ihn wegen seiner Bodenständigkeit den „König der Kieze". Der „Tagesspiegel“ war nicht so gnädig, als er Wegners Linie leicht arrogant mit „Zurück in den Kleingarten“ betitelte. Er liebt Pfeffersteak mit Pommes, Currywurst und Döner hat schon mal gekifft und benutzt die Berliner Verkehrsbetriebe „unregelmäßig“. Der 50jährige ist verheiratet, hat drei Kinder und „Caesar“, den Hund. Wenn es in den Urlaub geht, dann gern mit dem Flugzeug. Das alles ist weder besonders, noch besonders on vogue. Wegner macht genau daraus seine Stärke und positioniert sich als Mann des gesunden Menschenverstands gegen abgehobene linke Scheineliten.
Dem Politiker ist das Amt des Regierungschefs noch nicht sicher: Er braucht dafür die SPD oder die Grünen als Koalitionspartner - die aber auch im Dreierbündnis mit der Linken weiterregieren könnten. Der SPD-Co-Landesvorsitzende Raed Saleh verspottet Wegner deshalb als „einsamen Kai". Ganz so schlimm ist es aber nicht. Rund 420000 Berlinerinnen und Berliner habe ihm ihre Stimme gegeben. Saleh und seine SPD haben es nur auf 278 000 Stimmen gebracht.
Oliver Stock
13.02.2023 | 17:37