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„Supergeil“ gefährdet die Süßwarenbranche

Der Offenburger Bonbonmacher Vivil gehört zu den bekannten Firmen Baden-Württembergs. Doch der Konzern leidet unter der Konkurrenz von Eigenmarken. Unternehmenschef Alexander Müller-Vivil hat deshalb eine neue Markenstrategie gestartet.

Alexander Müller-Vivil findet Edeka gar nicht „supergeil“. Im Gegenteil: Der Familienunternehmer aus Offenburg betrachtet die Werbung, die im Internet mit dem Schlagwort „supergeil“ so viel Anklang gefunden hat, gar als „Bedrohung für die Süßwarenbranche“, wie der Vivil-Chef in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ sagt.

Die große Konkurrenz auf dem Bonbonmarkt seien für das Unternehmen längst nicht mehr nur andere Marken wie Fisherman’s Friend, Storck oder Mentos – sondern die Handelsketten mit ihren Eigenmarken, den sogenannten Private Labels. Jeder Euro, der dafür ausgegeben werde, werde „nicht mehr für ein Markenprodukt ausgegeben“, sagt Firmenchef Müller-Vivil. Das zwingt den Unternehmer zum Umdenken.

Für Vivil läuft das Geschäft eigentlich gut. Der Umsatz liegt bei 80 Mio. Euro jährlich. In den 111 Jahren, in denen das Unternehmen existiert, hat der Mittelständler nicht ein einziges Mal Verluste geschrieben. Bis heute produziert die Firma in Offenburg; in der „neuen“ Produktionsstätte, wie die Fabrik im Unterschied zum „alten“ Vertriebsgebäude genannt wird, obwohl sie bereits seit 1992 existiert.

Der Bonbon-Markt ist nicht süß

Doch der Markt stagniert. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass sich die Ausgaben für Lebensmittel seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau bewegen. Das macht auch dem Bonbonproduzenten zu schaffen. Denn dadurch verstärkt sich die Konkurrenz – gerade die aus dem Billigsegment. „In unserem Markt ist die extreme Handelskonzentration eine Gefahr“, sagt Müller-Vivil, der das Unternehmen in der vierten Generation führt. Aldi, Lidl, Rewe und Edeka sind die größten Einzelhändler in Deutschland und decken vier Fünftel des Marktes ab. „Mit denen müssen wir zusammenkommen, sonst können wir keine Umsätze machen.“

Die Gefahr geht aber nicht nur von den großen Handelsketten aus, sondern auch vom Konsumenten – weil dieser immer weniger einkaufen geht. „Die Summe auf dem Kassenbon steigt, aber die Häufigkeit sinkt“, erklärt Müller-Vivil. Darunter leidet besonders die Süßwarenbranche. Denn Schokolade oder Bonbons sind „Impulsartikel“ – Produkte, die der Konsument eigentlich nicht zu kaufen plant. „Sie schreiben ja nicht auf Ihren Einkaufszettel: ‚Möchte noch Bonbons kaufen‘.“

Auch deshalb hat Vivil 2013 erstmals seit Jahren wieder Werbung geschaltet. „Wenn ein Produkt zur reinen Ware wird, dann gewinnt das Private Label“, erklärt der Unternehmenschef. Mit dem Werbeslogan „Willkommen in der vivilisierten Welt“ wollte er die Marke wieder stärker ins Bewusstsein der Konsumenten rufen. 3 Mio. Euro hat der promovierte Betriebschef dafür ausgegeben. Geld, das sich offenbar gelohnt hat: Nach Angaben von Müller-Vivil erhöhten sich die Drehzahlen in der Produktion teilweise um mehr als 50 %. Künftig soll das Werbebudget deswegen noch einmal um ein Drittel steigen.

Mit der neuen Marketing­stra­tegie wendet sich Alexander Müller-Vivil inzwischen von dem Weg seines Vaters ab, der vor seinem Tod im Jahr 2012 jahrelang keine Werbung mehr gemacht hatte. Doch der Junior steht zu der Veränderung: „Ich glaube, der größte Fehler wäre gewesen, wenn ich versucht hätte, meinen Vater zu kopieren“, erklärte der 45-Jährige.

Mit einer Entscheidung hatte der Vorfahr aber einen guten „Riecher“ gehabt: mit der Einführung der zuckerfreien Bonbons, mit der er auf die sich rasant verbreitende Gesundheitswelle setzte. Die zuckerfreie Produktrange wird immer weiter ausgebaut. Insgesamt gibt es heute unter der Dachmarke Vivil 80 Produkte, die in über 30 Ländern auf der Zunge zergehen. Dafür werden in Offenburg täglich 40 bis 50 Tonnen Süßigkeiten produziert – ein Drittel davon geht ins Ausland. Die strahlende Hauptrolle in der vivilisierten Welt spielt selbstverständlich weiterhin der Star des Unternehmens: das frische, weiße Bonbon, mit dem alles begann.

handelsblatt/fr

07.08.2014 | 09:15

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