Unter diesen drei Kardinalfehlern der Politik leiden die Gaskunden am meisten
Bei der Gasversorgung arbeitet die Ampelregierung nicht professionell: Die Gasumlage wird durch eine Steuerentlastung neutralisiert und bringt keine Einspareffekte. Die Einnahmen aus diesem Instrument landen bei den falschen. Gleichzeitig wird das immer knapper werdende Gas in noch nie dagewesenen Mengen zur Verstromung eingesetzt. Was läuft schief in der Ampelkoalition, dass sich die Pannen derart häufen?
Die Ampelkoalition in Berlin hat das Thema Gasversorgung in Deutschland nicht mehr im Griff. Anders lässt sich nicht erklären, wie es zu einer Aneinanderreihung von Pannen und Ungereimtheiten kommt, die derzeit die Gaskunden ausbaden müssen. Dies ist das Urteil vieler Ökonomen nach der vergangenen Woche,m die zahlreiche Entscheidungen zu dem Thema mit sich gebracht hat. Die politische Opposition geht weiter: Unionschef Friedrich Merz spricht vom „Chaos mit Ansage“. Tatsächlich sind der Ampelregierung drei Fehler passiert, die zeigen, dass sie nicht die richtigen Instrumente einsetzt, um die Krise zu meistern.
1) Was denn nun? Gasumlage rauf, Mehrwertsteuer runter
Fehler Nummer eins ist die Kombination aus einer Gasumlage, die Wirtschaftsminister Robert Habeck als unumgänglich am vergangenen Montag angekündigt hat, und der Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Gas, die Kanzler Olaf Scholz zwei Tage später versprach. So wird Gas erst verteuert, was Verbrauer dazu animiert, Gas zu sparen und ein Effekt in die richtige Richtung wäre. Anschließend wird es wieder billiger gemacht und der Effekt verpufft. Ökonomen sind bei soviel Aktionismus in der Bundesregierung ratlos: Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), stellt fest, der Mehrwertsteuerbeschluss „verwässert einen wesentlichen gewünschten Zweck der Gasumlage: Gas einsparen“. Marcel Fatzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) findet, dass die Reduktion der Mehrwertsteuer für Geringverdiener zwar besser sei als nichts, aber dennoch viel zu wenig. „Viel besser sind direkte Transferzahlungen, wie ein Energiegeld, von 100 Euro pro Monat & Person für Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen“, schreibt Fratzscher. Jens Südekum, Professor für internationale Volkswirtschaftslehre und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie spricht sich dafür aus, Preissignale voll wirken lassen, und sie durch sozial gestaffelte Einkommenstransfers abzufedern. Und Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht bei der Maßnahme vor allem ein Problem: Privathaushalte würden zwar entlastet, Unternehmen aber belastet, weil diese die Mehrwertsteuer nur an ihre Kunden weiterreichen. „Ich bin nicht sicher, ob die Regierung das beabsichtigt hat“, schreibt er auf Twitter.
2) Das Geld geht an die Falschen
Deutsche Gaskunden zahlen künftig mit ihrer Gasumlage Milliarden Euro an in- und ausländische Konzerne, denen es auch ohne diese Einnahmen glänzend geht. Dies geht aus einem Bericht von Trading Hub Europe hervor, jenem Unternehmen, das die Umlage letztlich im Auftrag des Wirtschaftsministeriums organisiert. Trading Hub veröffentlichte heute eine Liste mit elf Unternehmen. Neben dem bereits als Nutznießer bekannten Düsseldorfer Versorger Uniper, der finanziell gebeutelt ist und bereits staatlich gestützt wird, finden sich beispielsweise die baden-württembergische EnBW, die österreichische OMV und die Schweizer Axpo unter den voraussichtlichen Geldempfängern. EnBW rechnet trotz steigender Energiekosten in diesem Jahr mit einem Milliardengewinn, hat jüngst seine Dividende erhöht und freut sich über einen seit Jahresbeginn um knapp 30 Prozent gestiegenen Aktienkurs. Trotzdem hat die Tochtergesellschaft VNG, eine Gashandelsgesellschaft mit Sitz in Leipzig, Geld aus der Gasumlage beantragt. Ein anderes Beispiel ist der größte an der Börse gelistete österreichische Konzern: die OMV. Als Energieversorger und Mineralölkonzern hat die OMV von den hohen Öl- und Gaspreisen stark profitiert und Umsatz und Gewinn im ersten Halbjahr mehr als verdoppelt. Auch der Schweizer Energieversorger Axpo möchte Geld von deutschen Gaskunden. Er leidet aktuell zwar ein wenig unter der Energiekrise, aber auf hohem Niveau. Die Halbjahreszahlen fielen nicht so glänzend aus wie früher, aber ein Gewinn von rund einer halben Milliarde Schweizer Franken blieb zuletzt doch übrig. Konzernchef Christoph Brand spricht von einem „guten Ergebnis in stürmischen Zeiten“. Damit das so bleibt, zapft er offenbar jetzt deutsche Gaskunden an. Habeck hatte die Gasumlage als „gerechteste Form, die zusätzlichen Kosten in der Bevölkerung zu verteilen“ bezeichnet. Dass das Geld jetzt an gut verdienende Konzerne geht, widerspricht dieser Einschätzung.
3) Gas wird massenweise zur Stromerzeugung missbraucht
Im Mai und Juli ist in Deutschland so viel Gas verbrannt worden, um damit Strom zu erzeugen, wie niemals zuvor. Dieses Eingeständnis der Wirtschaftsminister Habeck unterstehende Bundesnetzagentur, müssen Menschen, die demnächst hunderte Euro zusätzlich für eine warme Wohnung ausgeben, als Hohn empfinden. Ihnen nämlich wird weiß gemacht, dass Gas ein knappes Gut geworden ist. Eines, das teuer eingekauft werden muss, das zur Wärmeerzeugung noch lange Zeit unverzichtbar sein wird, und das die Menschen zum Heizen und die Industrie zum Verfeuern und Produzieren dringend braucht. Deswegen werden die Füllstände der Gasspeicher derzeit wie in den vergangenen Jahren die Coronafallzahlen beinahe täglich irgendwo veröffentlicht. Die Botschaft dahinter: Das Wohl und Wehe von Industrie und privaten Haushakten hängt im Winter davon ab. Wenn nun mehr Strom gebraucht wird, als aus Erneuerbaren Energie, sowie aus Kohle- und Ölkraftwerken geliefert werden kann, Gas allerdings anderweitig gebraucht wird, dann müssten an sich die zuverlässig Strom produzierenden Atomkraftwerke weiterlaufen. Davon allerdings wollen die Grünen in der Ampelregierung nichts wissen. Deutlich wird: Die Energiedebatte ist ideologisch geprägt.
Oliver Stock
22.08.2022 | 13:44