Industrie als Stütze für die regionale Energiezukunft
Die Bayernwerk Netz GmbH (Bayernwerk) und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) erkunden zusammen mit dem finnischen Bioökonomieunternehmen UPM in dessen Papierfabrik in Plattling die Möglichkeit einer saisonalen Energiespeicherung bei einem großen Industriebetrieb.
Durch die flexible Regelung der Energienachfrage für die Papierproduktion aus dem Stromnetz sowie die Anpassung der Stromerzeugung der eigenen KWK-Anlage soll langfristig mehr grüner Strom regional verbraucht werden. Letztlich können lange Transportwege und Engpässe im regionalen Verteilnetz vermieden werden.
„Aktuell zeichnet sich im Verteilnetz vom Bayernwerk eine saisonale Schwankung geprägt durch hohe PV-Einspeisespitzen im Sommer und hohe Bezugsspitzen im Winter ab. Dies wird besonders in der Region Plattling sichtbar“, erklärt Dr. Egon Westphal, Technik-Vorstand der Bayernwerk AG. Mit dem Vorhaben, die Papierfabrik als bedeutenden Verbraucher, aber auch als konventionellen Erzeuger mit eigener Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage (KWK) abgestimmter und flexibler ins Stromnetz einzubinden, soll der Sammelpunkt regenerativ erzeugter Energie aus der Region im Bayernwerk-Umspannwerk Plattling entlastet werden. Das Gemeinschaftsprojekt heißt InFlexLab und steht für industrielle Flexibilität als netzdienlicher saisonaler Langzeitspeicher im Reallabor.
Effizienter und kostengünstiger als der Einsatz eines großen Batteriespeichers kann es sein, bereits vorhandene Flexibilität energetisch sinnvoll einzusetzen und regional erzeugten Sonnenstrom mit Unterstützung der Industrie stärker regional zu nutzen. „Der ländliche Raum wird zunehmend zum grünen Kraftwerk Bayerns. Kunden, die ihren Strombezug besser auf das Angebot von grüner Energie ausrichten können, werden ein wesentlicher Baustein im Energiesystem der Zukunft sein. Es freut mich daher sehr, dass wir mit zwei starken Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft die konkrete Idee zur netzdienlichen Nutzung von Flexibilität am Beispiel eines großen Industrieunternehmens untersuchen können“, sagte Technik-Vorstand Dr. Egon Westphal.
Wegbereiter der Energiewende
UPM betreibt am Standort Plattling zwei Papiermaschinen. Die Papierherstellung ist besonders energieintensiv, ermöglicht dabei aber gleichzeitig ein gewisses Maß an Flexibilität im Stromverbrauch. So bieten sich Steuermöglichkeiten sowohl über die Stromnachfrage als auch über die Anpassung der Stromerzeugung im Standort Plattling betriebenen Kraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Bei hoher PV-Produktion im Sommer wird der Bezug von Strom aus dem Netz für die Papierproduktion erhöht und die Erzeugung im eigenen Kraftwerk entsprechend reduziert. Im Winter wird bei niedriger PV-Produktion und höherem Stromverbrauch in der Region mehr Energie im Fabrik-Kraftwerk erzeugt und ins Netz eingespeist. Durch die flexible Steuerung der Produktionsleistung kann der Energiebedarf entsprechend angepasst werden. Die Papierfabrik einschließlich der KWK-Erzeugung wird auf diese Art aus Netzbetreiber-Sicht zum saisonalen Langzeitspeicher. Langfristige Vorteile sind die optimalere Ausnutzung der CO2-freien PV-Erzeugung vor Ort, eine größere Nähe von Produktion und Erzeugung und dadurch weniger Netzengpässe sowie ein reduzierter Netzausbaubedarf in der Region.
„Die Papierproduktion ist ein energieintensives Geschäft. Dabei bieten die Fabriken mit ihrem hohen Strom- und Wärmebedarf besondere Möglichkeiten für eine flexible Nutzung von Netzkapazitäten. Unternehmen wie UPM kommt eine besondere Rolle beim Umbau des Energiesystems zu. Wir bauen unser Knowhow und die technischen Möglichkeiten für ein modernes Energiemanagement in allen UPM Standorten aus, um den veränderten Rahmenbedingungen im Zuge der Energiewende gerecht zu werden und um langfristig nachhaltiger produzieren zu können. Der Laborversuch in Plattling ist daher von strategischer Bedeutung für uns,“ sagt Rainer Häring, Director Energy bei UPM.
„Bereits vor zehn Jahren haben wir das Konzept des funktionalen Stromspeichers in dem vom BMWi geförderten Projekt „Merit Order Speicher“, kurz MOS, definiert. In einem systemischen Vergleich konnten wir zeigen, dass die Lastflexibilisierung eine sehr kostengünstige Möglichkeit zum Ausgleich der Erzeugungsschwankungen ist. Wir freuen uns, diese Erkenntnisse nun in einem konkreten Anwendungsfall unter Beweis zu stellen“, erläutert Professor Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE). Die Münchner Wissenschaftler untersuchen auf Basis der realen Netzdaten vom Bayernwerk und der UPM Papierfabrik in Plattling, wie der Einsatz eines industriellen Großunternehmens als saisonaler Langzeitspeicher aussehen kann und welchen Beitrag dies zur Netzentlastung leistet. Professor Wolfgang Mauch ergänzt: „Mit Bayernwerk haben wir die vergangenen vier Jahre im Rahmen von C/Sells das netzdienliche Schalten von Lasten realisiert. Jetzt bringen wir im InFlexLab-Projekt die Akteure zusammen. Nur so gelingt die Energiewende: gemeinsam Lösungen finden, die allen Beteiligten Vorteile bieten.“
Digitalisierung in der Energiewirtschaft
„In einer erneuerbaren und dezentralen Energiewelt spielt die Einbindung von flexiblen Anlagen für einen effizienten Netzbetrieb eine entscheidende Rolle. Durch die voranschreitende Digitalisierung in der Energiewirtschaft werden zugleich innovative Lösungskonzepte ermöglicht“, erklärt Dr. Egon Westphal. Der Technik-Vorstand des Bayernwerks spricht in Bezug auf die Digitalisierung des Energiesystems von einem Paradigmenwechsel: „Die Energiewende ist nicht nur durch Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung geprägt. Der Kunde rückt durch seine zunehmend aktive Rolle in den Fokus, wodurch die Energiewende auch Demokratisierung bedeutet.“ Dr. Egon Westphal verweist auf die Weiterentwicklung von Verbrauchern hin zu sogenannten Flexumern, welche ihre Flexibilität mit Hilfe digitaler Infrastruktur netzdienlich zur Verfügung stellen und somit aktiv am Energiesystem teilnehmen. Dies gilt für Haushaltskunden, aber auch für große Industrieunternehmen.
Das Projekt InFlexLab wird gemeinsam vom Bayernwerk, der FfE und der UPM Papierfabrik in Plattling umgesetzt. Das Ziel ist es, mehr über das Energiesystem der Zukunft zu erfahren und die Großindustrie an der Gestaltung der Energiezukunft zu beteiligen. Die Ergebnisse sollen später als Muster für den Einsatz in anderen Regionen dienen.
02.12.2020 | 14:10