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Macher der Woche: Armin Laschet

Er war schon oft der Mann der letzten Stunde. Und auch diesmal holt der Kanzlerkandidat der Union auf den letzten Metern so weit auf, dass das Rennen ums wichtigste Amt offen ist. Klar ist aber auch: Verliert Laschet, so kann er seine politische Karriere erst einmal an den Nagel hängen.

Auf den allerletzten Metern des Wahlkampfes gibt es die Überraschung. Die CDU mit ihrem lavierenden Spitzenkandidaten Armin Laschet holt in den Umfragen auf und das Rennen ist offen wie nie. Wechselwähler machen ihre Entscheidung von der Konstellation ganz am Ende abhängig. Aufgrund der offenen Koalitionslage gab es nie so viele taktische Wähler wie diesmal, das könnte Laschet und seiner Union helfen.

Laschet, der mehrfach schon geschlagen Geglaubte und oft in letzter Sekunde Wiederauferstandene, hat es sogar geschafft, dass Angela Merkel ungewöhnlich aktiv in den Wahlkampf eingreift. Anders als anfangs von ihr angekündigt, hält sich die Bundeskanzlerin nicht heraus, sondern unterstützt ihn mit einer bemerkenswerten Schlussoffensive. Merkel tritt in der letzten Woche mit Laschet in Stralsund auf, dann mit Laschet und Söder in München und schließlich sogar noch in seinem Heimatort Aachen. Die Kanzlerin warnt bei den Auftritten lautstark vor einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken nach der Wahl. Merkel kritisiert die Pläne, die Reichen- Vermögens-, Unternehmens-, Erbschafts- und Einkommenssteuer zu erhöhen. Dies bedrohe letztlich Arbeitsplätze. „Wer schafft denn die Arbeitsplätze? Doch nicht der Staat.“ Ungewöhnlich kämpferisch wird die Kanzlerin bei den Wählern darum, „dass Sie alles dazu beitragen, Deutschlands Wohlstand auch für die nächsten Jahre zu sichern" und die Sicherheit des Landes zu festigen. Ihre Schlussfolgerung: Laschet sei „derjenige, der das kann". Das könnte unter den Kernwählern der CDU für die bislang fehlende Mobilisierung sorgen.

Gelungen ist Laschet auch, die Anschlussfähigkeit bei den Grünen herzustellen. Die Grünen signalisieren, dass sie bei einem Patt der Volksparteien keineswegs fest an der Seite der SPD stehen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der „Welt“ demonstrativ, die SPD sei häufig der „Problembär“ gewesen, „bei all den politischen Diskussionen für die Zukunft und gerade beim Klimaschutz“. Gleichzeitig wisse man auch, wie man mit der Union klarkomme. Aus strategischer Sicht macht diese Koalition für die Grünen deshalb Sinn, weil sie dann nicht als der ewige Juniorpartner der SPD angesehen würden. Das wiederum würde Habeck für 2025 ermöglichen, einen CDU-Kanzler Laschet abzulösen. Er und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock beschließen ihren Wahlkampf in Düsseldorf - direkt bei Armin Laschet vor der Regierungstür. Das muss keine Provokation, sondern kann auch ein politisches Freundschaftssignal sein.

Laschet braucht für die Eroberung des Kanzleramts keine breite Woge der Zustimmung, weder 40 noch 30 Prozent der Wählerstimmen. Die sind sowieso unrealistisch. Der CDU reicht es, am Ende knapp vor oder gleichauf mit der SPD zu landen und einen halbwegs legitimen Auftrag für die Koalitionsbildung zu erringen. Womöglich reichen Laschet dafür sogar 24 Prozent, was in der CDU deswegen für bittersüße Stimmung sorgt, weil Helmut Kohl im Jahr 1976 selbst 48,6 Prozent der Stimmen nicht reichten, um Kanzler zu werden. Diesmal könnte hingegen exakt die Hälfte schon genügen. In der CDU-Zentrale hält man 24 Prozent für „absolut realistisch“. Es reiche daher „vollkommen aus“, wenn man den engsten Kreis der Kernwählerschaft in den letzten 48 Stunden mobilisiere. Dies sei im Schlussspurt „immer möglich“, zumal seit zwei Wochen der Hoffnungsfunken im eigenen Lager wieder da sei. In der CDU-Zentrale hofft man zudem auf einen Duell-Effekt zwischen SPD und Union. Da die Frage, wer von beiden vorne liegen wird, am Ende alles entscheiden könnte, würden bürgerliche Wechselwähler sich im letzten Moment von der FDP weg und hin zur CDU bewegen. Im linken Lager sei dies zwischen Grünen und SPD bereits passiert.

Aus der Berliner CDU-Zentrale wird kolportiert, dass zum Ende des Wahlkampfs eine Stärke Laschets sichtbar werde, die schon viele seiner politischen Gegner verblüfft hat - seine bemerkenswerte Resilienz. Laschet hatte in seinem politischen Lebens häufig aussichtslose, schon verlorene geglaubte Krisen durchlitten. Immer wieder musste er gegen umfragenbeliebtere Gegner antreten. Ob Hannelore Kraft oder Norbert Röttgen, Friedrich Merz oder Markus Söder - einen Konkurrenten nach dem anderen besiegte der vermeintlich lasche Weichspüler am Ende genau mit einem harten Überraschungs-Punch.

In der Union erinnern sich alle noch an Laschets Weihnachtswunder, als er vor neun Monaten in Umfragen peinlich abgeschlagen hinter Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz lag - am Ende aber kurz vor dem Parteitag die Stimmung drehte. Oder auch ans Osterwunder, als Markus Söder alle Trümpfe im Kampf um die Kanzlerkandidatur in der Hand zu halten schien. Wieder war Laschet der Umfragen-Loser, und wieder gewann er in letzter Minute. Diesmal hoffen die CDU-Strategen aufs Septemberwunder. Es sei Laschets defensive Spezialität geworden - die Gegner erst im entscheidenden Moment mit Angriffen zu überwältigen. Laschet hat Durchhaltevermögen, er verfügt über gewitzte Widerständigkeit und die Gabe, sich erst in der letzten Sekunde bei der politischen Reise nach Jerusalem auf einen Stuhl zu werfen. So wie auch bei der NRW-Wahl 2017. Ein Vertrauter meint: „Im Grunde braucht Laschet die Underdog-Situation, um richtig gut zu werden.“

Allerdings ist auch klar: Wenn rot-rot-grün am Sonntag eine Mehrheit bilden kann, dann ist es mit Laschets politischer Karriere nicht mehr weit her. Dann ist sein politischer Gegner Olaf Scholz derjenige, auf den es ankommt. Er besitzt dann mehr Machtoptionen als Laschet und wird sie ausspielen. Und dass ein Verlierer aus Nordrhein-Westfalen dann noch an der Spitze seiner Partei bleiben kann – dagegen werden die „Parteifreunde“ einiges zu unternehmen wissen.

Oliver Stock, Wolfram Weimer

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24.09.2021 | 10:21

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